Tipps für den Kauf Gesucht: Nachhaltiger Weihnachtsbaum
Ein Christbaum trotz Klimadebatte? Es gibt sie, die vertretbaren Lösungen – auch Plastikbäume gehören dazu. Eine Übersicht mit Klimabilanz.
Alle Jahre wieder stellt sich die Frage: Weihnachtsbaum ja oder nein? Ist es in Zeiten von Klimawandel und Ökobilanzen vertretbar, einen Baum für ein paar Tage zu fällen? Wo man doch genau das Gegenteil machen sollte: Bäume pflanzen! Und wenn doch, welche Art Weihnachtsbaum ist am nachhaltigsten?
Egal bei welcher Nachhaltigkeitsfrage, die Antwort sei meist die gleiche, sagt Mathias Plüss, Wissenschaftsjournalist und Autor des Bestsellers «Weniger ist weniger»: «Kein Baum. Oder nur ab und zu einer. Oder wenn jedes Jahr, dann am besten einen, den man möglichst oft wiederverwenden kann. Und wenn es doch ein echter Baum sein soll, dann einer, der im nahe gelegenen Wald sowieso ausgelichtet würde und den man zu Fuss oder mit dem Velo abholt.»
Der Transport ist das grösste Problem
Als Autor des Newsletters «Planet Plüss» beantwortet Plüss in dieser Redaktion Fragen zu Umweltthemen und Ökobilanzen. Sein Fazit auch bei den Weihnachtsbäumen: «Wenn man es genau wissen möchte, kommt man vom Hundertsten ins Tausendste», sagt er, «denn je nach Situation ist eine andere Lösung nachhaltiger.»
Die schlechteste Bilanz haben gemäss einer Studie von ESU-Services, einem Beratungsbüro für Umweltthemen, Bäume aus Intensivkulturen. Die Studie wurde 2019 im Auftrag der TV-Sendung «Kassensturz» gemacht und 2022 aktualisiert. Dazu gehört auch ein Weihnachtsbaumrechner, bei dem man verschiedene Parameter eingeben und somit die Ökobilanz für verschiedene Varianten berechnen kann. Negativ zu Buche schlägt immer der Transport – wenn die Bäume grosse Distanzen zurückgelegt haben oder wenn man mit dem Privatauto nur für den Weihnachtsbaum unterwegs ist. Wer auf solche Baumkäufe verzichtet, hat den ersten Schritt in Richtung mehr Nachhaltigkeit am Weihnachtsfest schon getan.
Folgende Alternativen sind möglich für einen zweiten Schritt:
Weihnachtsbaum aus dem Unterholz
Damit die Waldbäume genügend Platz haben, lichten viele Waldbesitzer regelmässig das Unterholz aus. Dabei werden auch Tannen in unterschiedlichen Grössen gefällt. Einige Waldbesitzer verkaufen diese manchmal nicht perfekt gewachsenen Bäumchen in der Adventszeit.
Der Vorteil: Diese Bäume werden sowieso gefällt. Bei lokalen Waldbesitzern anfragen, ob sie vor Weihnachten solche Bäume verkaufen, kann sich zugunsten des Klimas lohnen. Muss man jedoch weit mit dem Auto fahren, um einen solchen Baum abzuholen, schlägt die Bilanz wieder ins Negative.
Schreiner-Weihnachtsbaum
Mit einer Aktion hat der Verband der Schweizerischen Schreinermeister und Möbelfabrikanten 2018 einen Weihnachtsbaum aus Dachlatten oder Holzabschnitten propagiert. Heute wird der sogenannte Schreiner-Weihnachtsbaum auch oft an Schulen, in Schaufenstern und Eingangshallen aufgestellt und geschmückt. Seine Vorteile: Er kann platzsparend versorgt werden und hält – sofern er vor der Witterung geschützt ist – Jahrzehnte.
Eine ähnliche abstrakte Form eines Christbaumes kann aus trockenen Ästen selber gebastelt werden. Dazu werden Äste in unterschiedlicher Länge pyramidenförmig hingelegt: die längsten zuunterst, die kürzesten zuoberst. Auf den Ästen die Mittelachse einzeichnen und dort jeweils ein Loch bohren. Alle Äste auf einer Schnur auffädeln, den Baum dreidimensional auseinanderziehen und aufhängen – oder die Äste auf ein Armierungseisen stecken und eine Vorrichtung basteln zum Aufstellen.
Christbaum aus dem eigenen Garten
Ein Baum, der weiterlebt und ohne Transportenergie den Weg in die Stube findet, gehört sicher zu den nachhaltigsten Varianten. Einen Waldbesitzer fragen, ob man einen Tannensämling ausstechen (maximal 30 cm hoch) und mitnehmen darf. Diesen pflanzt man entweder in einen Topf, giesst ihn den Sommer über wie alle anderen Topfpflanzen und nimmt ihn zu Weihnachten für ein paar Tage in die Stube.
Achtung: nicht direkt vom kalten Garten in die warme Stube stellen, sondern den Baum zuerst mehrere Tage in ein wenig beheiztes Treppenhaus oder eine Garage holen zur Akklimatisation. In der Stube nicht neben eine Heizung stellen und alle zwei Tage giessen.
Wird der Baum grösser, muss auch der Topf gewechselt werden, was sich negativ auf die Klimabilanz wirkt, wenn es sich dabei jeweils um einen neuen Topf handelt. Alternativ können kleinere Bäume auch ausgepflanzt und nur für die Weihnachtszeit in einen Topf gesteckt werden. Auch diese müssen im Sommer mit Wasser versorgt werden, da sie aufgrund des jährlichen Verpflanzens ein kompaktes Wurzelwerk haben und somit aus einem kleineren Radius Wasser aufnehmen als dauerhaft ausgepflanzte Bäume.
Weihnachtsbaum aus Plantage
Wer keinen Garten hat, keinen Waldbesitzer kennt, der Unterholz auslichtet, und trotzdem einen echten Baum möchte, der setzt gemäss der ESU-Services-Studie auf Bäume aus ökologischer Produktion mit FSC- oder Bio-Suisse-Label.
Der WWF Schweiz empfiehlt zudem, einheimische Bäume zu berücksichtigen, etwa Fichte, Kiefer oder Weisstanne. Ob ökologisch produzierte Bäume aus dem Ausland umweltfreundlicher sind als Bäume aus der Schweiz, die aber in konventionellen Anlagen (also mit Pestizid- und Düngereinsatz) gezogen wurden, hängt vor allem vom Transport ab.
Beim Kauf achten jedoch immer mehr Kundinnen und Kunden darauf, dass der Baum aus der Schweiz stammt: «Wir schätzen, dass rund 50 Prozent der in der Schweiz gekauften Weihnachtsbäume aus einheimischer Produktion stammen», sagt Philipp Gut, Geschäftsführer bei IG Suisse Christbaum, dem Verband der Christbaumproduzenten in der Schweiz. Eine Übersicht über die Produzenten ist zu finden auf igsuisse-christbaum.ch.
Gemieteter Weihnachtsbaum
In einigen Regionen werden Weihnachtsbäume für die Festtage vermietet. Der Vorteil: Diese Bäume leben auch nach dem Dreikönigstag weiter und nehmen weiterhin CO₂ auf. Wie umweltfreundlich diese Variante tatsächlich ist, hängt gemäss der Studie davon ab, wie weit diese Bäume an ihren Bestimmungsort transportiert werden müssen und wie sie während des Jahres gehalten werden (Hallen oder Freiland, Töpfe und Bewässerungsanlagen etc).
Plastikbaum
Rein rechnerisch ist ihre CO₂-Bilanz nach einem zehnjährigen Gebrauch gemäss der ESU-Services-Studie besser als jene der natürlichen Weihnachtsbäume. Nachhaltigkeitsexperte Mathias Plüss zweifelt aber, dass ein Plastikbaum tatsächlich so oft wiederverwendet wird. «Grundsätzlich stimmt jedoch, dass alles, was öfter gebraucht wird, eine kleinere Belastung hat für die Umwelt.»
Plastikbäume an Weihnachten werden gemäss einer repräsentativen Umfrage des «Migros-Magazins» aus dem Jahr 2022 immer beliebter, wobei der kulturelle Hintergrund offenbar auch eine Rolle spielt. So bevorzugen im Tessin 85 Prozent der Käuferinnen und Käufer einen Plastikbaum, in der Westschweiz sind es 65 Prozent und in der Deutschschweiz 37 Prozent.
Für den WWF sind Plastikbäume trotzdem keine gute Alternative. «Plastikbäume können gefährliche, schwer abbaubare Chemikalien enthalten», sagt Damian Oettli, Leiter Markets, von WWF Schweiz, «selbst wenn sie sehr lange im Einsatz waren, bleibt das Problem der Schadstoffe bei der Entsorgung.»
Bleibt die Frage, was nach dem Fest mit dem Baum passiert. In der Schweiz sollen es laut Schätzungen über eine Million Bäume sein, die jedes Jahr entsorgt werden müssen. Die meisten landen in der Grünsammelstelle.
In Basel versucht man neue Wege: Anfang Januar 2023 sammelten die Industriellen Betriebe Basel an sechs Standorten die Weihnachtsbäume ein und machten daraus Pflanzenkohle. Bei diesem Prozess wird das Holz nicht verbrannt, sondern unter Luftabschluss verkohlt. Dies hat den Vorteil, dass das im Holz gespeicherte CO₂ nicht freigesetzt, sondern in der Kohle gespeichert bleibt. Sofern man nicht mit dem Auto extra irgendwohin fahren muss, ist diese Art der Entsorgung sicher gut fürs Klima. Die Aktion wird deshalb in Basel im Januar 2024 wiederholt.
Welche Art Christbaum am wenigsten CO₂ verursacht, hängt am Ende stark mit der individuellen Situation der Konsumentinnen und Konsumenten ab. Und wer anfängt, sich darüber Gedanken zu machen, so der Nachhaltigkeitsexperte Mathias Plüss, der macht sich diese vielleicht auch bei den übrigen Themen rund um Weihnachten: Welches Weihnachtsmenü soll es sein? Welche Geschenke werden gekauft? Plüss: «In den meisten Fällen verursachen Essen und Konsumgüter mehr CO₂ als der Baum.»
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