Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen
Meinung

Kolumne «Fast verliebt»
Ertragt einander!

Berichtet aus ihrem Beziehungsumfeld: Claudia Schumacher.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Falls Sie noch ein Buch für die Feiertage suchen: Wie wäre es mit «Die vulnerable Gesellschaft»? Es geht darum, dass wir immer mehr Angst voreinander haben, uns zunehmend verletzt fühlen und voreinander schützen möchten – und zwar auf Kosten der Freiheit des Einzelnen. Die Autorin Frauke Rostalski ist Juraprofessorin und hat Beispiele aus dem Recht zur Hand, wo bereits Freiheitseinschränkungen stattgefunden haben (Pandemie, Suizidbeihilfe oder Diskriminierungsschutz).

Um zu erleben, dass viele von uns empfindlicher werden und schneller gekränkt sind, muss man aber nicht Jura studieren: Es reicht die allgemeine Weihnachtserfahrung. Die plötzlich eingeschnappte Kollegin bei der Betriebsfeier lässt grüssen, oder der zänkische Onkel, der zur vulnerabelsten Gruppe überhaupt gehört, nämlich zu denen, die finden, sie dürften ja wohl überhaupt gar nichts mehr sagen. Höchste Zeit für ein paar Toleranzdehnungsübungen:

Persönliche Freiheit

Sie glauben, Sie haben das Recht, einmal so richtig schön auszurasten, nur weil jemand etwas gesagt hat, das Ihnen nicht passt? Haben Sie nicht. «Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum», schrieb der Psychologe Viktor Frankl: «In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.» Wenn uns jemand reizt, lohnt es sich also, kurz innezuhalten und sich eine Verschnaufpause zu gönnen, um die eigenen Optionen zu sondieren. Verhält sich jemand daneben, hilft es selten, wenn man es ihm gleichtut. Man kann seinen eigenen Standpunkt auch ruhig und besonnen äussern.

Gnade zeigen

Sie sind gekränkt? Das tut mir leid. Aber sind Sie sicher, dass Sie überhaupt gekränkt wurden – oder fühlt es sich vielleicht nur so an? Wir leben in einer Zeit, in der manche Menschen jede Meinung, die von ihrer eigenen abweicht, bereits als Verletzung wahrnehmen. Aber das ist ein narzisstisches, ans Diktatorische grenzendes Denken, das einen innerhalb einer Familie (oder Demokratie) nicht wirklich weiterbringt. Weihnachten ist auch die Zeit der Gnade. Einem anderen mal etwas durchgehen zu lassen, ist kein Zeichen von Schwäche, im Gegenteil: Es zeugt von charakterlicher Grösse.

Selbstbehauptung

Damit will ich nicht sagen, dass man um des Friedens willen duckmäusern sollte, bis sich der eigene Magen entzündet, wenn man getriezt wird. Weihnachten in Familien, die alles unter den Teppich kehren, ist auch nicht schön. Aber was wäre, wenn Sie auch in Momenten der Irritation erst mal davon ausgehen, dass Sie eigentlich grundlegend gemocht werden? Und wenn Sie dann Ihre eigene, allenfalls notwendige Rückmeldung ebenso wohlwollend und gutmütig äussern würden? Es braucht manchmal nicht viel, um eine angespannte Situation in Wohlgefallen aufzulösen. In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!