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Kunstmuseen und globale Erwärmung
Wehret dem Klimawandel, aber bitte nicht mit schlechten Ausstellungen!

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Der Louvre in Paris ist nach dem Corona-Lockdown wieder offen. Vor der Krise zählte er 30’000 bis 40’000 Besucher pro Tag. Jetzt gewährt er täglich nur noch 5000 Besuchern Einlass. Die Schliessung während der letzten drei Monate brachte dem Riesenmuseum, in dessen Sälen über 35’000 Werke hängen, 40 Millionen Euro Verlust.

Frances Morris, Direktorin der Tate Modern in London, gab unlängst zu bedenken, dass ihr Museum im Jahr 26’000 Tonnen CO₂ ausstosse, während die Millionen Besucher, die das Museum noch letztes Jahr stürmten, mit ihren Reisen das Zehnfache, also 260’000 Tonnen CO₂ pro Jahr ausstossen würden. Sie ist überzeugt davon, dass das so nicht weitergehen könne und die Tate Modern sich künftig nicht mehr auf die Easy-Jet-Touristen, sondern nur noch auf die Menschen aus Greater London ausrichten müsse – wo ja auch schon ein Millionenpublikum wohnt.

Fehlende Ticketeinnahmen und der Besuchereinbruch zwingen nicht nur den Louvre und die Tate Modern zu neuen Strategien, sondern Museen weltweit. Und schon hebt eine breite Debatte darüber an, ob der durch Corona bedingte Niedergang nicht auch sein Gutes habe, weil er Tür und Tor öffne für eine nachhaltige Museumsstrategie, die sich als klimafreundlich und tourismusfeindlich beschreiben lässt.

Besucherrückgang um zwei Drittel

Dabei verweisen die Museumsdirektoren meist auf die riesigen Ausstellungssäle, die ausser bei Louvre, Tate Modern und etwa einem Dutzend anderer Museen weltweit auch im Normalbetrieb kaum je zu Rummelplätzen werden. Damit sind die meisten Museen – anders als Konzert und Theater – unter Corona-Bedingungen ein geradezu idealer Aufenthaltsort, da ein grosser Abstand zwischen den Besuchern fast von selbst gegeben ist. Und sollte das Interesse an einer Ausstellung über das gesunde Mass wachsen, kann der Strom der Besucher am Eingang so gedrosselt werden, dass die Distanz zwischen den einzelnen immer gewährleistet ist.

Der Direktor des Museums Ludwig in Köln, Yilmaz Dziewior, sagte kürzlich im Deutschlandfunk, dass in seinem Museum nur noch ein Drittel des früheren Besucheraufkommens gezählt werde, dass die Touristen fehlten und nun im Sommer natürlich auch die Schulklassen. Mit Hygienemasken und Desinfektionsmitteln könnten dennoch die Voraussetzungen für einen angstfreien Museumsbesuch geschaffen werden.

Nach dem Corona-Lockdown: Der Louvre gewährt täglich nur noch 5000 Besuchern Einlass.

Laut Yilmaz Dziewior brachten die letzten Monate eine überhitzte Kunstwelt zur Besinnung. Dziewior verspricht, künftig weniger Dienstreisen zu machen, und ist überzeugt, dass die Ära der Blockbuster-Ausstellungen definitiv der Vergangenheit angehöre. Auch von Museumsdirektoren in der Schweiz hört man, dass Nachhaltigkeit das Gebot der Stunde sei.

Bei Blockbustern in der Museumswelt geht es um ein Geschäftsmodell, bei dem ein hohes Besucheraufkommen hohe Ticketeinnahmen generiert, mit denen sich ein Museum eine prächtige Ausstellung finanzieren kann. Es kann damit sowohl Leihgaben aus aller Welt importieren, die meist in einem Flugzeug samt Begleitpersonal angeflogen werden, als auch die horrenden Versicherungssummen bezahlen, die durch die konzentrierte Ausstellung von Spitzenwerken entstehen.

Von Tutanchamun bis Gauguin

Aus der Perspektive des Publikums möchten wir hier dennoch eine Lanze brechen für die erfolgreiche Publikumsausstellung, die nicht unbedingt ein veritabler Blockbuster sein muss. Sie verwöhnt die Besucher mit einem Kunstgenuss der Extraklasse, was diese dann eben mit massenhaftem Museumsbesuch honorieren: Das ist das kalkulatorische Argument. Sie bringt zudem Menschen ins Museum, die sich sonst wenig für Kunst interessieren: Das ist das soziale Argument. Wenn nun der Umweltschutz dafür sorgen soll, dass solche Ausstellungen nicht mehr ausgerichtet werden, schüttet man gewissermassen das Kind mit dem Bade aus.

Zuerst gilt es einmal, die Dinge insofern zurechtzurücken, als Blockbuster-Ausstellungen in den Schweizer Museen die grosse Ausnahme sind. Blockbuster waren hierzulande die Ausstellungen zu Tutanchamun im Antikenmuseum Basel (2004) mit 600’000 Besuchern und zu Van Gogh im Kunstmuseum Basel (2009) mit 520’000 Besuchern. Ein Blockbuster war wohl auch die Ausstellung zu Paul Gauguin in der Fondation Beyeler (2015), die es auf 370’000 Besucher brachte. Was aber sonst in Schweizer Kunstmuseen in den letzten Jahren als erfolgreiche Ausstellung gilt, das lockte 50’000 bis 100’000 Besucher an, was nichts mit einem Blockbuster gemein hat.

Dann gilt es zu trennen zwischen Ausstellung und Städtetourismus. Das Museum sollte nicht die Verantwortung übernehmen für die Art des Verkehrsmittels, das die Städtetouristen für ihre Anreise wählen. Das ist eine Aufgabe der Politik, die für bessere Zug- und schlechtere Flugverbindungen sorgen muss. Und das ist eine Frage des Umweltbewusstseins jedes einzelnen. Allerdings, die Ausstellung für sich genommen generiert im internationalen Leihverkehr einen beträchtlichen CO₂-Ausstoss.

Dabei ist weniger das Bild das Problem, das zum Beispiel in einem Frachtflugzeug aus Chicago nach Zürich gebracht werden könnte, sondern der Kurier, der jedes wertvolle Bild begleitet. Einerseits generiert diese Begleitperson beträchtliche Reisekosten, die sich bei 63 Bildern aus Übersee, wie das beispielsweise bei Edward Hopper in der Fondation Beyeler der Fall ist, zu einem hohen Betrag aufsummieren. Andererseits entsteht bei diesen Flugreisen auch ein hoher Ausstoss an klimaschädlichen Gasen.

Nun muss es ja nicht unbedingt eine Blockbuster-Ausstellung sein. Wenn wir aber von Museumsdirektoren hören, dass sie ganz und gar auf dieses Geschäftsmodell verzichten wollen, beschleicht uns die Angst, dass sie den Publikumsrennern unter den Ausstellungen ganz den Garaus machen wollen. Uns graut bei der Vorstellung, dass sich nun unter dem Vorwand, eine klimaneutrale Museumspolitik zu betreiben, die Ausstellungshäuser bequemen könnten, ihre Sammlungen einmal pro Saison neu zu hängen, um wenigstens ein bisschen Abwechslung zu bieten.

Die Museen sollten es aber nicht zu ihrer Strategie machen, den Städtetourismus zum Absterben zu bringen. Das kann nicht ihre Aufgabe sein. Nein, nur das Beste ist gut genug für die Besucher. Gehört es nicht zu den vornehmsten Aufgaben eines Museums, uns die kostbarsten Schätze dieser Welt zu präsentieren? Einfach zum puren Genuss? Einfach weil es eine der hinreissendsten Erfahrungen ist, fünfzig Gauguins nebeneinander zu sehen? Darum sind wir ja auch dafür, dass der Staat jährlich Dutzende von Millionen Franken an Subventionen in unsere Museen investiert.