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Ernährung im Homeoffice
Die Schweiz greift zu fettigem Essen

Beliebte Milchprodukte: Familie beim Einkaufen.
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Fett als Überlebenshilfe in der Corona-Krise ist noch nicht hinreichend gewürdigt worden. Dabei sprechen die Zahlen für sich. Den Marktforschern von Nielsen zufolge verkauften sich Milchprodukte wie Joghurt, Rahm und Sauerrahm im Corona-Jahr 2020 besonders gut, der Umsatz stieg um mehr als 10 Prozent. Butter ging ebenfalls überdurchschnittlich gut.

Milchverarbeiter und Detailhändler bestätigen diesen Trend auch für die Schweiz. Der Pro-Kopf-Konsum von Milch und Milchprodukten stieg im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 um wahrscheinlich etwa 5 Kilogramm, wie es bei den Schweizer Milchproduzenten heisst. Auch bei Joghurt, Käse und Milchmischgetränken hätten die Kosumentinnen und Konsumenten stärker zugegriffen.

Doppelt so viele Rezeptanfragen

Die finalen Zahlen sind erst Ende März bekannt. «Doch schon jetzt lässt sich feststellen: Im Jahr 2020 kochte die ganze Schweiz», sagt Reto Burkhardt, Sprecher der Schweizer Milchproduzenten.

In den Lockdown-Monaten April und Dezember haben sich laut Burkhardt die Suchabfragen in der Online-Rezeptdatenbank von Swissmilk im Vergleich zu den Vorjahresmonaten beinahe verdoppelt. Die Marketingorganisation der Milchproduzenten bietet im Internet über 8000 Rezepte mit Milchprodukten zum Nachkochen an.

Die Nachfrage nach Basisprodukten für die heimische Küche sei im vergangenen Jahr grösser als üblich gewesen, teilt der Luzerner Branchenführer Emmi mit. «Bei uns ist im ersten Halbjahr der Umsatz in der Schweiz mit Milch, Rahm und Butter gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiode um 3,1 Prozent gewachsen», sagt eine Firmensprecherin. Entsprechend verzeichnen auch Migros und Coop bei diesen Produkten stärkere Nachfrage. «Griechisches Joghurt war bei unserer Kundschaft beliebt», sagt eine Firmensprecherin.

Fett war in den Siebzigerjahren das Böse. Heute ist es Zucker.

Denn wenn schon Fett, dann richtig fett, erklärt ein Lebensmittelingenieur. «Crème fraîche, Sauerrahm sind sehr stark im Kommen», sagt Christian Trgo, Innovationsdirektor der europäischen Molkereigenossenschaft Arla Foods. «Extrem durch die Decke gehen Sachen, die das Kochen erleichtern, wie Reibkäse. Sie machen Nudeln, streuen Reibkäse drauf, und schon ist gekocht.» Oder Sie rühren ein paar Löffel Crème fraîche ins Essen, und fertig ist die Sauce.

Der und die Angestellte im Homeoffice haben ja auch Druck: Sie müssen zurück an den Schreibtisch. Hierin liege ein grundlegender Unterschied zu früher. «Die klassische Hausfrau wie zu Grosis Zeiten gibt es ja nicht mehr, den Trend zum Kochen aber schon», sagt Trgo. «Kaum einer hat mehr 30, 40 Rezepte im Kopf. Schnell muss es gehen.» Da kommt das Fett als Geschmacksträger und Ich-gönn-mir-was-Lieferant gerade recht.

So gesehen, ist Fett auch nicht mehr nur negativ besetzt. «Fett war ab den Siebzigerjahren das Böse», sagt der Lebensmittelingenieur, «das ist aber heute nicht mehr so.» Heute steht, wenn man im Bild bleiben will, Zucker für das Böse. Auch das lässt sich an Zahlen ablesen.

Auf die Verpackungsgrösse kommt es an

Beim Verkauf kommt es nicht nur aufs Fett an, sondern auch auf die Verpackungsgrösse. «Wir fragen uns auch: Wie viele Produkte passen in den Kühlschrank?», sagt Trgo. «Die einzelnen Teile dürfen nicht so viel Platz einnehmen. Käse und Sauerrahm passen immer noch.» Und eben auch so ein kleiner Becher fettiger Quark. «Gegen 10.30 Uhr oder am Nachmittag, wenn ich von der Arbeit gestresst bin, will ich den Genussmoment haben», sagt Trgo. Den Heimarbeiter hat die Lebensmittelindustrie längst ziemlich gut durchschaut. Der will keine Zuckerbombe, die wäre ja böse, sondern etwas kleines Fettiges «als Schleckerei oder Dessert».

Ob die Homeoffice-Leute, wenn sie dereinst wieder ins Büro gehen, sich etwas fülliger gegenüberstehen werden? Trgo ist da entspannt. Er hat zehn Jahre in Frankreich gelebt und weiss aus eigener Anschauung: «Die Franzosen essen relativ gesehen zur Kalorienaufnahme am fettreichsten und gehören mit zur schlanksten Bevölkerung in Europa.»

Recht beliebt sind dort ausgerechnet die «Petits Suisses», ein frischkäseähnliches Joghurt in Mini-Bechern mit bis zu 18 Prozent Fettgehalt. Die gönnen sich viele Franzosen, lange nach Erfindung der Margarine, gern mal so zwischendurch, beispielsweise mit Konfitüre.