Was Trump von anderen Präsidenten unterscheidet
Donald Trumps Charakterdefizite haben seine Präsidentschaft an den Rand des Abgrunds gebracht. Eine christliche Zeitschrift hat sie schonungslos benannt.
Wie immer die Präsidentschaft Donald Trumps enden wird: Das nun eingeleitete Impeachment wird diesem Präsidenten wie ein Kainsmal anhaften. Wenn Historiker Trumps politisches Vermächtnis analysieren, wird das Verfahren gegen ihn an vorderster Stelle stehen. Trumps Reaktion auf die Anklageerhebung am vergangenen Mittwoch im Repräsentantenhaus aber zeigt, warum ein Impeachment fast unausweichlich war: Wütend und bombastisch, gehässig und rachsüchtig wehrte sich der Präsident.
Dass Trump bei einem Auftritt vor jubelnden Anhängern am Abend der Impeachment-Abstimmung auf einen verstorbenen demokratischen Abgeordneten losging und implizierte, der Tote befinde sich in der Hölle, schockte selbst abgebrühte Beobachter. «Seine Grausamkeit kennt keine Grenzen», befand Ronald Reagans Tochter Patti Davis danach in einem Meinungsbeitrag in der Washington Post.
Nerv getroffen
Angesichts dessen fragt man sich: Was hätte sein können? Immerhin hatte Donald Trump bei seinem sensationellen Wahlsieg 2016 einen Nerv getroffen. Er spürte die Ängste breiter Schichten vor den Folgen von Globalisierung und Überfremdung. Und er zeigte mit dem Finger auf Eliten, die herabschauten auf viele Amerikaner und kein Empfinden für ihre Sorgen und Nöte hatten. Hillary Clinton symbolisierte diese Verachtung, als sie Trumps Anhänger als «bedauernswerte Menschen» bezeichnete.
Ein anderer als Trump hätte nach dem Wahlsieg neue Wähler für sich gewonnen. Er wäre auf Minderheiten zugegangen. Und er hätte sich um die Belange der Amerikanerinnen gekümmert, statt Frauen wieder und wieder sexistisch zu beleidigen. Mit einer soliden Konjunktur und einem boomenden Arbeitsmarkt wäre dieser Präsident haushoher Favorit für die Wahl im November 2020 gewesen.
Statt dessen ist Trumps Erfolg keineswegs garantiert. Vielleicht gewinnt er, vielleicht verliert er. Der Grund für diese Ungewissheit liegt im Charakter dieses Präsidenten: Seine Lügen, sein Mangel an Loyalität, Anstand und Empathie ziehen sich durch seinen gesamten Lebenslauf.
Am Tag nach der Anklage gegen ihn publizierte das Webportal der Zeitschrift Christianity Today, ein einflussreiches Organ evangelikaler Christen, einen vernichtenden Leitartikel über Trump. Konservative Evangelikale sind die treuesten Anhänger dieses Präsidenten, der Chefredaktor von Christianity Today aber legte schonungslos offen, was Donald Trump von anderen Präsidenten unterscheidet.
Loyalität zum Schöpfer
Trump aus dem Amt zu entfernen, sei «keine Frage parteilicher Loyalitäten, sondern bezeugt Loyalität zum Schöpfer der Zehn Gebote», schrieb Chefredaktor Mark Galli. Und: «Wir glauben, dass die Impeachment-Anhörungen im Gegensatz ur Untersuchung des Russland-Sonderermittlers Robert Mueller absolut verdeutlicht haben, dass Präsident Trump seine Autorität für persönliche Ziele missbraucht und seinen Eid auf die Verfassung verletzt hat».
Das Anklageverfahren habe Trumps «charakterliche Mängel für alle sichtbar gemacht», so Galli weiter. «Keine der positiven Errungenschaften dieses Präsidenten kann die moralische und politische Gefahr aufwiegen, die uns von einem Führer mit derart krass unmoralischen Charakter droht». Dass Trump daraufhin explodierte, versteht sich. Am Sonntag aber schob Mark Galli in einem TV-Interview nach: Wegen seines Charakters sei Donald Trump «untauglich für sein Amt».
Darin liegt die Tragik dieser Präsidentschaft: Was hätte sein können – und was geworden ist. Jetzt muss befürchtet werden, dass Trump nach einem Freispruch vor dem Senat erst recht in seine schlimmsten Gewohnheiten verfallen wird. 2020 könnte in Washington deshalb zum schmutzigsten politischen Jahr der neueren amerikanischen Geschichte werden.
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