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Nationalrat bestätigt Kandidatur
Was im UNO-Sicherheitsrat
auf die Schweiz zukommt

Bald redet die Schweiz mit: Der UNO-Sicherheitsrat tagte am 28. Februar zum Ukraine-Krieg, wird aber durch das russische Veto blockiert.
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Die SVP wollte im letzten Moment die Notbremse ziehen. Sie verlangte im Parlament, dass die Schweiz ihre Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat sofort stoppt. Doch der Nationalrat lehnte die SVP-Motion heute Donnerstag deutlich ab – mit 125 gegen 56 Stimmen bei 8 Enthaltungen.

Mit diesem Entscheid steht dem Einzug der Schweiz in das wichtigste Gremium der Weltdiplomatie fast nichts mehr im Wege. Damit stellt sich die Frage, was im Sicherheitsrat auf die Schweiz zukommt. Die zehn wichtigsten Antworten.

Ist der Beitritt der Schweiz zum Sicherheitsrat jetzt definitiv?

Fast. Am 14. März wird noch der Ständerat über eine gleichlautende SVP-Motion beraten. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass das Stöckli anders entscheiden wird als der Nationalrat. Zudem wäre ein Entscheid des Ständerats allein für den Bundesrat nicht bindend.

Damit steht dem Einzug der Schweiz als nicht ständiges Mitglied in den Sicherheitsrat kaum noch etwas im Wege. Die eigentliche Wahl findet am 9. Juni in der UNO-Generalversammlung in New York statt. Weil es keine Gegenkandidatur gibt, ist die Wahl der Schweiz so gut wie sicher.

Die zweijährige Amtszeit beginnt dann am 1. Januar 2023 und dauert bis Ende 2024.

Wie kam es überhaupt zu dieser Kandidatur?

Das ist eine sehr lange Geschichte, die vor 15 Jahren ihren Anfang nahm, als die damalige Aussenministerin Micheline Calmy-Rey (SP) die Idee im August 2006 lancierte.

In einer Rede vor ihren Botschafterinnen und Botschaftern sagte Calmy-Rey, ohne Einfluss im Sicherheitsrat zähle die Stimme der Schweiz in internationalen Krisen «nur wenig». Ein «rein nationales Modell, das aus der Schweiz einen Ausnahmefall macht», sei im Zeitalter der Globalisierung nicht mehr denkbar.

Im Januar 2011 entschied sich der Bundesrat dann offiziell zur Kandidatur. Zuvor hatten auch die aussenpolitischen Kommissionen beider Parlamentskammern ihre Zustimmung gegeben.

Die Wahl in den Sicherheitsrat erfolgt nun ziemlich genau zwanzig Jahre nach dem UNO-Beitritt. Diesen hat das Volk am 3. März 2002 mit 54,6 Prozent Ja-Stimmen beschlossen.

Historischer Tag: Der damalige Bundespräsident Kaspar Villiger (Mitte) tritt am 10. September 2002 in New York auf, zusammen mit Nationalratspräsidentin Liliane Maury Pasquier (links) und Aussenminister Joseph Deiss (rechts). Später an diesem Tag nimmt die UNO-Generalversammlung die Schweiz als 190. Mitglied auf.

Was ist der Sicherheitsrat überhaupt?

Der Sicherheitsrat ist das mächtigste Gremium der Weltdiplomatie. Gemäss UNO-Charta trägt er «die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit». Als einziges UNO-Organ kann er Entscheide fällen, die für die Mitgliedsstaaten bindend sind. 

Welche Kompetenzen hat er?

Der Sicherheitsrat kann wirtschaftliche Sanktionen und Embargos verhängen, die für alle Staaten bindend sind. Zudem kann er militärische Zwangsmassnahmen anordnen. Meist sind dies friedenserhaltende Missionen. Solche Blauhelm-Operationen sind derzeit etwa im Kongo, im Südsudan oder im Libanon im Gang. In Kosovo beteiligt sich auch die Schweiz mit einem grösseren Kontingent, mit der sogenannten Swisscoy.

Im Extremfall kann der Sicherheitsrat sogar Kriegszüge anordnen. In der Geschichte kam dies aber kaum eine Handvoll Male vor, etwa ab 1950 im Korea-Krieg und 1990 im Zweiten Golfkrieg gegen Saddam Hussein.

Wer gehört dem Sicherheitsrat an? Und wer hat das Vetorecht?

Total hat er 15 Mitglieder, darunter 5 ständige: die USA, China, Russland, Frankreich und Grossbritannien. Die 10 nicht ständigen Mitglieder werden jeweils für zwei Jahre gewählt.

Für einen gültigen Beschluss müssen 9 der 15 Mitglieder zustimmen. Die 5 ständigen Mitglieder haben jedoch ein Vetorecht. In den letzten Wochen hat Russland zum Beispiel vom Veto Gebrauch gemacht, um Entscheide zum Ukraine-Krieg zu verhindern.

Das Vetorecht wird oft kritisiert. Ohne das Veto hätten die damaligen Grossmächte nach dem Zweiten Weltkrieg aber wohl gar nicht bei der UNO mitgemacht.

Auch in anderen grossen Konflikten war der Sicherheitsrat immer wieder durch Vetos der Grossmächte blockiert – etwa 1994 beim Völkermord in Ruanda oder ab 2011 im Syrien-Krieg.

Warum will der Bundesrat in den Sicherheitsrat?

Die Schweiz hat ihre Kandidatur unter den Slogan «A Plus for Peace» gestellt – zu Deutsch etwa: ein Pluspunkt für den Frieden. Die Mitgliedschaft werde der Schweiz «eine zusätzliche Plattform bieten, um ihre traditionelle und bewährte Rolle als unparteiischer Brückenbauer wahrzunehmen und nutzbar zu machen», hielt die Landesregierung schon 2015 in einem Bericht fest.

Die Schweiz wolle im Sicherheitsrat ihre Interessen und Werte fördern. Im Gremium sei man «näher am Geschehen» und habe «einen besseren Zugang zu Entscheidungsträgern», sagt das Aussendepartement (EDA). Für das EDA ist der Sicherheitsrat nach 20 Jahren UNO-Mitgliedschaft schlicht der nächste «logische Schritt».

Und was ist mit der Neutralität?

Die SVP argumentiert, die Mitgliedschaft verstosse gegen die Neutralität. Zudem gefährde sie die Guten Dienste. Generell könne sich die Schweiz ausserhalb des Gremiums «gewinnbringender einsetzen», schrieb die SVP in ihrer Motion, die nun vom Nationalrat abgelehnt wurde.

Nein zur UNO, Nein zum Sicherheitsrat: Der damalige SVP-Nationalrat und spätere Bundesrat Christoph Blocher engagierte sich schon 2002 im Abstimmungskampf gegen den UNO-Beitritt der Schweiz.

Der Bundesrat argumentiert hingegen, dass auch andere neutrale und bündnisfreie Staaten wie Österreich oder Schweden dem Sicherheitsrat wiederholt angehörten – ohne Probleme. Zudem sei die Schweiz schon jetzt an die Entscheide des Sicherheitsrats gebunden. Neu sei in Zukunft einzig, dass sie an diesen Entscheiden auch mitwirke. Auch ohne Mitgliedschaft sei es illusorisch zu glauben, dass die Schweiz zu aussenpolitischen Entwicklungen einfach schweigen könne, sagte Frank Grütter, Chef der UNO-Abteilung im EDA, letzte Woche vor Journalisten. 

Sicher ist, dass sich die Schweiz auf der Weltbühne stärker exponiert als bisher. Sie kann sich zwar jederzeit der Stimme enthalten. Aber auch Stimmenthaltung sei «eine Positionierung und kann als faktische und moralische Unterstützung eines Rechtsbrechers verstanden werden», sagt der Völkerrechtsprofessor Oliver Diggelmann (lesen Sie hier das ganze Interview mit Diggelmann).

Ist die Schweizer Kandidatur erst jetzt umstritten?

Nein. Die SVP hat seit 2011 nicht weniger als viermal versucht, die Kandidatur mit parlamentarischen Vorstössen zu stoppen. Alle diese Angriffe scheiterten jedoch deutlich. Unterstützt wurde die SVP jeweils nur von einzelnen FDP- und Mitte-Parlamentariern.

Doch bis heute gibt es auch ausserhalb der SVP ein gewisses Unbehagen über die Kandidatur. Das zeigt namentlich eine aktuelle Medienmitteilung der Mitte-Partei vom 1. März. Darin meldet die Partei Zweifel an, ob das EDA überhaupt in der Lage sei, die Mitgliedschaft zu managen. «Um im UNO-Sicherheitsrat erfolgreich zu sein, braucht es mehr Kompetenzen im Aussendepartement», schrieb die Partei in einer kaum verhohlenen Kritik an Aussenminister Ignazio Cassis (lesen Sie hier mehr über die Diskussionen im Parlament).

Wer sitzt für die Schweiz im Sicherheitsrat?

Physisch wird in der Regel Pascale Baeriswyl die Schweiz im Sicherheitsrat vertreten. Die 53-jährige Basler Diplomatin ist seit 2020 Schweizer Botschafterin bei der UNO in New York. Zuvor war sie Staatssekretärin und Chefdiplomatin im EDA.

Unsere Frau in New York: Die Schweizer Botschafterin Pascale Baeriswyl spricht am 28. Februar an einer Dringlichkeitssitzung der UNO-Generalversammlung zum Ukraine-Krieg.

Pro Jahr verabschiedet der Sicherheitsrat zwischen 50 und 70 Resolutionen, wobei es sich mehrheitlich um Routinegeschäfte handelt. Baeriswyl wird vor ihren Wortmeldungen von der EDA-Zentrale instruiert. Diese wiederum konsultiert vorgängig die anderen Departemente.

In gewichtigen Fällen will jedoch der Gesamtbundesrat über die Stimmabgabe entscheiden – etwa dann, wenn sich die Departemente nicht einig sind. Oder wenn der Sicherheitsrat «Entscheide von hoher innen- und aussenpolitischer Tragweite» fällen muss, zum Beispiel über eine militärische Intervention oder ein neuartiges Sanktionsregime.

Diese Entscheide wird der Bundesrat unter unüblich hohem Zeitdruck fällen müssen. In der Regel werden Abstimmungen im Sicherheitsrat mit einem Vorlauf von 48 Stunden angesetzt, manchmal auch mit nur 24 Stunden.

Verändert der Ukraine-Krieg die Ausgangslage?

Inhaltlich ändert der Krieg wenig: Die Argumente für oder gegen eine Mitgliedschaft bleiben die gleichen. Derzeit steht der Sicherheitsrat durch den Krieg aber besonders stark im Fokus der Weltöffentlichkeit und damit auch das Verhalten seiner Mitglieder. Gleichzeitig zeigt der Einsatz des russischen Vetos wieder einmal besonders schmerzhaft die realpolitischen Grenzen des Gremiums auf.

Hinzu kommt, dass der Bundesrat die EU-Sanktionen gegen Russland übernommen hat und damit weltweit viel Aufsehen erregt hat. Im Inland wurde dadurch eine neue Debatte über die Auslegung der Neutralität entfacht. Diese könnte sich durch die Mitgliedschaft verstärken. Auch im Ausland könnte die Schweiz nun während ihrer Mitgliedschaft im Sicherheitsrat unter noch stärkerer Beobachtung stehen.

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