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Debatte um Neutralität
Wie der UNO-Sicherheitsrat das Parlament spaltet

Die Schweiz auf der Weltbühne: Die Bundesräte Guy Parmelin (rechts) und Ignazio Cassis im September 2021 vor dem UNO-Gebäude in New York, wo die jährliche UNO-Generalversammlung stattfindet.

Es ist eines der mächtigsten Gremien der Welt, und in drei Monaten schon soll die Schweiz zum Mitglied gewählt werden: der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UNO) mit Sitz in New York. Hier wird über militärische Interventionen entschieden, über Sanktionen und Embargos. Zwei Jahre lang, 2023 und 2024, wird die Schweiz an diesen Entscheiden mitwirken, wird Einfluss und Einblicke bekommen – und womöglich einigen Ärger. Denn inwieweit sich das Mittun im Sicherheitsrat mit der herkömmlichen Schweizer Neutralität vereinbaren lässt, ist heftig umstritten. 

Diesen Donnerstag bietet sich dem Parlament die wohl letzte Gelegenheit, den Beitritt zu stoppen, falls es das will. Auf Antrag der SVP findet im Nationalrat eine sogenannte ausserordentliche Session statt, bei der vorrangig über einen bestimmten parlamentarischen Vorstoss entschieden wird – eine Motion der SVP, deren Inhalt aus einem einzigen Satz besteht: «Der Bundesrat wird beauftragt, auf eine Kandidatur der Schweiz für den UNO-Sicherheitsrat zu verzichten.»

Der Ukraine-Krieg hat die Neutralitätsdebatte in den letzten Tagen noch einmal angefacht. Er beeinflusst vor dem Entscheid über den Sicherheitsrat auch die verschiedenen Gruppen im Parlament.

– Bestärkt in der Gegnerschaft: Für SVP-Nationalrat Roger Köppel verdeutlicht der Fall Ukraine, welchen Irrweg die Kandidatur für den Sicherheitsrat darstellt. «Dass der Bundesrat mit den Sanktionen gegen Russland die Neutralität preisgab, war ein Fehler. Aber auf keinen Fall darf man jetzt mit einem noch grösseren Fehler nachdoppeln», so Köppel. Trete die Schweiz dem UNO-Sicherheitsrat bei, begebe sie sich im wahrsten Sinne des Wortes in die «Kampfzone». Sie sei dann mitverantwortlich für Entscheide über Krieg oder Frieden. Köppel wird die Position der SVP in der Debatte vom Donnerstag am Rednerpult vertreten – und zumindest seine Fraktion muss er nicht überzeugen: Sie wird geschlossen für ihre Abbruchmotion stimmen.    

– Bestärkt in der Unterstützung: FDP-Fraktionschef Damien Cottier war einst als Mitarbeiter des vormaligen Aussenministers Didier Burkhalter an den Vorbereitungen für die Kandidatur beteiligt. Der Ukraine-Krieg hat ihn in seiner Überzeugung bestärkt: «Er zeigt, dass es Länder wie die Schweiz in Gremien wie dem Sicherheitsrat braucht.» Die FDP-Fraktion werde in ihrer klaren Mehrheit für den Beitritt stimmen, sagt Cottier. Überzeugte Befürworter finden sich im Weiteren vor allem bei der Linken, die traditionell internationalistisch gesinnt ist.

– In Zweifel gestürzt: «Ist das der richtige Zeitpunkt für einen Beitritt? Ich bin nicht überzeugt», sagt FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen. Die Situation sei «heute eine andere als noch vor 14 Tagen». Der Ukraine-Krieg zeige die gefährlichen Spannungsfelder, denen sich die Schweiz im Sicherheitsrat womöglich aussetze. Zweifler wie Wasserfallen finden sich teilweise in der FDP, vor allem aber in der Mitte-Partei. Diese liess ihre Bedenken letzte Woche in einem Communiqué aufscheinen. Für eine Mitgliedschaft im Sicherheitsrat benötige das Aussendepartement dringend «mehr Kompetenzen», hielt die Partei fest – und machte damit auch klar, dass sie FDP-Aussenminister Ignazio Cassis in dieser Hinsicht wenig zutraut.

– Zum Ja bekehrt: Auch diese Gruppe gibt es – die Skeptischen von einst, die jetzt den Beitritt befürworten. Zu ihnen gehört Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter. «Wir müssen den Neutralitätsbegriff neu diskutieren. Der Ukraine-Konflikt zeigt, dass es richtig ist, für das Völkerrecht einzustehen.»

Alles in allem ist es sehr unwahrscheinlich, dass die SVP für ihr Anliegen genügend Unterstützung erhalten wird. Die Gruppe der Zweifelnden ist zwar von beträchtlicher Grösse. Doch viele von ihnen, wie etwa Mitte-Präsident Gerhard Pfister, werden bei der SVP-Motion leer einlegen. Die Kandidatur sei über viele Jahre aufgegleist worden, so ist aus den Reihen der Skeptiker zu hören. Drei Monate vor der Wahl die ganze Übung abzublasen, das liege einfach nicht drin.