Corona-Medienkonferenz am Dienstag«Die Apps sind mit Sicherheit nicht die Heilsbringer»
Experten und Amtschefs informierten in Bundesbern zur aktuellen Lage. Der Überblick.
Raynald Droz (VBS), Hans-Peter Lenz (EDA) und Patrick Mathys (BAG) traten am Dienstagnachmittag vor die Medien: Die PK im Videostream.
Das Wichtigste in Kürze:
- In der Schweiz hat die Zahl der bestätigten Neuinfektionen mit dem Coronavirus innerhalb eines Tages erneut nur um 254 zugenommen.
- Insgesamt gibt es damit am Dienstag 25'834 bestätigte Fälle.
- Die Todesfälle in Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung nahmen bis am Dienstagmittag um 34 auf 1152 zu.
Die Bilanz der Medienkonferenz
Die Zahl der Neuansteckungen mit Covid-19 geht zurück, ebenso die Zahl der Todesfälle. In den Spitälern zeigt sich dieser Trend noch nicht. Noch immer liegen rund 400 Menschen mit schweren Verläufen auf der Intensivstation.
Das sagte Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit im Bundesamt für Gesundheit, am Dienstag vor den Bundeshausmedien. Insgesamt liegen derzeit rund 3000 Erkrankte im Spital.
Diese Zahl ist von grosser Bedeutung, da sie Aufschluss gibt über die tatsächliche Verbreitung des Virus. Darüber gibt es derzeit nur Schätzungen, weil die Zahl der festgestellten Fälle stark von der Anzahl durchgeführter Tests abhängt. In der Schweiz wurden bisher knapp 26'000 Personen positiv getestet, die Zahl der Infektionen wird aber auf 100'000 bis 300'000 geschätzt.
Rund 3000 Patienten liegen in der Schweiz wegen des Coronavirus im Spital. (Keystone/Ende März 2020)
Die Bedeutung der Anzahl Tests zeigt sich auch in den jüngsten Zahlen des BAG. In den letzten 24 Stunden sind lediglich 254 neue Fälle festgestellt worden. Das ist eine Halbierung gegenüber Ende letzter Woche. Laut Mathys hat das aber vor allem damit zu tun, dass über Ostern sehr wenig getestet wurde.
Trend lässt hoffen
Er zeigte sich trotzdem zuversichtlich, dass sich die Ausbreitung des Virus stabilisiert hat oder sogar zurückgeht. Darauf deuteten auch verschiedene Modellrechnungen hin. Das sei aber ein Trend und keine Prognose. Kommende Woche werde man klarer sehen, wo die Schweiz in dieser Epidemie tatsächlich stehe.
Am Donnerstag entscheidet der Bundesrat, welche Massnahmen in den nächsten Wochen gelockert werden können. Es werde ein «Herantasten» sein, damit die Fallzahlen nicht wieder in die Höhe schnellten, sagte Mathys. Die Meinungen der Wissenschaftler, welche Massnahmen zuerst gelockert werden könnten, gingen teilweise weit auseinander.
Masken werden ein Thema
Im Zusammenhang mit der Lockerung sind auch Begleitmassnahmen ein Thema. Dazu könnte eine Pflicht zum Tragen von Masken gehören, wie sie aktuell in Österreich gilt. Die vom BAG empfohlenen Hygienemassnahmen seien am wirkungsvollsten, hielt Mathys fest. Masken könnten aber dazu beitragen, das Coronavirus zu kontrollieren.
Bisher hatte sich das BAG auf den Standpunkt gestellt, dass Masken wenig nützten zum Schutz gegen das Coronavirus. Ein Grund dafür dürfte der Mangel an Schutzmasken sein. Sogar in Spitälern fehlte es zeitweise an Schutzausrüstung.
Engpässe zeichnen sich auch bei Medikamenten für die Intensivpflege ab, wie Mathys bestätigte. Aktuell gebe es zwar eine gewisse Entspannung, doch langfristig sei das ein «riesiges Problem». Der Bund versuche, die essenziellen Medikamente auf dem internationalen Markt zu beschaffen, doch diese seien weltweit gefragt. «Grundsätzlich ist die Lage angespannt», stellte Mathys fest.
Ende der Pressekonferenz
BAG-Leiter Mathys sagt kurz vor Ende noch einmal, dass sich Personen aus Risikogruppen sowie Menschen mit Symptonen unbedingt Tests unterziehen sollten. Aber man sei jetzt dran, das auszuweiten. Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. In Kürze folgte eine Zusammenfassung.
Frage: Warten noch 12'000 Schweizer, die gerne in die Heimat zurückreisen wollen?
Hans-Peter Lenz: «Nein, die Zahl ist nicht so hoch. Es gibt auch solche, die ja im Ausland bleiben wollen. Aber es gibt ja noch unsere Konsulate, die Schutz für Schweizer Staatsbürger bieten.»
Frage: Wie ist der Stand bei den Schulen?
Mathys vom BAG: «Die Frage ist, zu welchem Zeitpunkt wir wieder die Schulen öffnen können. Es ist auch eine emotionale Frage, respektive ein emotionaler Aspekt. Wir setzen uns aber intensiv damit auseinander.» Ein Datum wollte der Mann vom BAG aber nicht nennen.
Frage: Gibt es Berufsgruppen, die mehr von Infektionen betroffen sind?
Mathys vom BAG: «Wir haben keine genauen Studien oder Zahlen dazu. Ich gehe davon aus, dass im Gesundheitsbereich die Fallzahlen höher sind.»
Frage: Wie steht es mit Apps?
Mathys vom BAG: «Wir arbeiten eng mit der ETH Lausanne zusammen. Aber ich kann nicht sagen, wann wir so weit sind. Die Apps sind ohnehin mit Sicherheit nicht die Heilsbringer.» Man mache aber auch bei einem europäischen Projekt mit.
Frage: Gibt es Engpässe bei Anästhesie-Medikamenten?
Mathys vom BAG: «Es gibt Engpässe in der Intensivpflege. Das ist so. Wir versuchen Material zu beschaffen auf dem internationalen Markt. Aber grundsätzlich ist die Lage angespannt.»
Frage: Kann die Schweizer Armee Masken für die Bevölkerung herstellen?
Raynald Droz vom VBS: «Wir produzieren in der Armee Medikamente für die Apotheke. Aber wir produzieren keine Masken für die Schweizer Bevölkerung. Wir beziehen diese aus Lieferungen.»
Frage: Wo steht die Schweiz im Ranking der Toten?
Mathys vom BAG: «Wir sind wohl im Mittelfeld. Aber ich möchte eigentlich keinen Vergleich mit Totenzahlen mit Nachbarländern machen.»
Frage: Ab wann schickt man die Soldaten wieder nach Hause?
Raynald Droz vom VBS: «Morgen wird der Armee-Chef darüber genauer bestimmen. Es sollte aber in den nächsten 15 Tagen geschehen. Aber dazu braucht es auch das Einverständnis der Partner.»
Frage: Ist der Peak erreicht?
Mathys vom BAG: «Definitiv sagen kann man das nicht. Aber ich glaube, wir haben diesen erreicht.»
Frage: Weshalb nutzt man die freien Test-Kapazitäten nicht?
Mathys vom BAG: «Wir sind von 6000 Tests auf 2500 am Wochenende runtergefahren. Die Nachfrage hat nachgelassen. Wir können aber nicht einfach die Test-Schleusen auftun, das geht nicht überall. Also, um jeden Schweizer nach seinem Wunsch testen zu lassen, sind die Kapazitäten nicht gegeben.
Aber wir werden die Testmöglichkeiten weiter öffnen. Das Gesundheitspersonal wird schon relativ breit getestet. Wir gehen von 15'000 Tests pro Tag für eine bis zwei Wochen aus. Aber dann müssen wir wieder schauen, ob wir genügend Tests haben. Also, wir müssen dann wieder auf Lieferungen warten.»
Bund liefert Hilfsgüter in den Kongo
Der Bund hat am Montag 1,3 Tonnen an humanitären Hilfsgütern nach Kinshasa geflogen. An Bord des Schweizer Flugzeugs waren auch Vertreter von NGOs, die ihre Präsenz in der Krisenregion verstärken. Auf dem Rückflug werden in Zentralafrika gestrandete Personen in die Heimat geflogen.
Das Flugzeug sei unterwegs und werde noch am Dienstag in der Schweiz landen, sagte Hans-Peter Lenz, Leiter Krisenmanagementzentrum im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), am Dienstag vor den Bundeshausmedien. Die Vertretung vor Ort habe «einen Superjob gemacht».
Frage: Müsste man nicht bei der ganzen Bevölkerung testen?
Mathys vom BAG: «Wenn alle Schweizer Personen getestet worden wären, dann hätten wir die korrekteste Übersicht. Aber wir kennen die Spitalzahlen. Dann können wir auch sagen, ob die Fallzahlen stabil sind oder nicht. Die Fallzahlen brechen am Wochenende ein, steigen dann Mitte Woche wieder an. Ich hoffe, dass dies ab jetzt nicht mehr der Fall sein wird.»
Frage: Warum hat Österreich Masken, die Schweiz nicht?
Mathys vom BAG: «In den Läden müssen in Österreich Masken getragen werden. Wir sind daran zu überlegen, ob Masken auch hierzulande getragen werden sollen. Mehr kann ich Ihnen im Moment dazu nicht sagen. Masken können dazu beitragen, das Virus zu kontrollieren, gewiss. Wir überlegen uns das ja.»
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Armee plant Rückzug
Die Armee will ihre Ressourcen in der Corona-Epidemie neu evaluieren und den Schritt zur Normalität zurück planen, sagt Brigadier Raynald Droz.
Diese Phase sei mindestens genauso heikel wie die Mobilisierung, so Droz. Denn damit werde die Verantwortung wieder vollumfänglich an die Organisationen im Gesundheitssystem übergeben. Dieser Übergang müsse gemeinsam geplant werden und sei nur im Einverständnis aller Partner möglich.
Nach Angaben von Droz ist die Armee derzeit in fünfzig Spitälern in der ganzen Schweiz im Einsatz. 5000 Armeeangehörige sind im Kampf gegen Covid-19 für den Assistenzdienst aufgeboten worden. Nur ein Teil dieser Truppe ist aber tatsächlich im Einsatz.
Ab sofort soll laut Droz Urlaub für die Soldaten möglich sein. «Ab heute schicken wir die Soldaten wieder nach Hause. Ab heute sind Urlaube wieder möglich», sagte Droz.
Als erfreulich bezeichnete Droz die Abnahme von Soldaten, die in Quarantäne stecken. Als erfreulich bezeichnete Droz die Abnahme von Soldaten, die in Quarantäne stecken. Aktuell seien 514 Soldaten in Quarantäne.
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Rückholaktion
Hans-Peter Lenz vom EDA sagt: «Das EDA reduziert schrittweise die Rückholaktionen. Bis heute sind 29 Repatriierungsflüge organisiert worden. 6400 Personen, davon 3700 Leute aus der Schweiz, sind hauptsächlich aus Europa zurückgeholt worden. 1400 Schweizerinnen und Schweizer sind von Nachbarländern zurückgeholt worden.»
«Es wird noch ein Rückflug aus Lima erwartet. Es sind grosse Herausforderungen, die das EDA aktuell meistern muss. Diese Woche sind noch ein Flug nach Kiew geplant und Podgorica, der Hauptstadt von Montenegro, nächste Woche dann noch ein Flug nach Asien und Lateinamerika geplant.»
Fast zwei Millionen Fälle
Mathys nimmt internationale Zahlen zum Vergleich. Es werden morgen rund 2 Millionen Infizierte sein. In den USA sei es schlimm und Europa sei noch nicht über dem Berg.
«Mann kann jetzt über Lockerungsmassnahmen sprechen, der Bundesrat wird am Donnerstag über entsprechende Entscheidungen kommunizieren.» In der nächsten Woche werde man noch mehr sehen, sagt Mathys. Im Moment tastet man sich dahin, Lockerungen machen zu können. Das sähe man am Beispiel Österreich.
Die Medienkonferenz beginnt
Die Zahl der Neuansteckungen mit Covid-19 geht zurück, ebenso die Zahl der Todesfälle. In den Spitälern zeigt sich dieser Trend noch nicht. Noch immer liegen rund 400 Menschen mit schweren Verläufen auf Intensivstationen, sagt Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit im Bundesamt für Gesundheit. Trotzdem zeigte er sich zuversichtlich, dass sich die Ausbreitung des Virus stabilisiert hat oder sogar zurückgeht. Das zeigten auch verschiedene Modellrechnungen.
Mathys dankt den Schweizerinnen und Schweizern für die Disziplin über die Ostertage – trotz des sehr verlockenden Wetters. Die Bevölkerung habe verstanden, dass jeder und jede einen Beitrag leisten müsse, wenn es darum gehe, das Coronavirus zu bekämpfen.
Mathys nennt aktuelle Zahlen: 200'000 Personen sind in der Schweiz getestet worden, 25'000 davon seien positiv, 3000 Personen sind oder waren in Spitalpflege, 900 Personen sind verstorben. Es gab nur noch neue 254 Fälle von Infektionen seit gestern. «Wir haben einen Level, der stabilisiert ist was die Fallzahlen betrifft. Aber niemand wagt, deutliche Prognosen zu stellen, was die abnehmende Tendenz betrifft.»
254 neue bestätigte Covid-19-Fälle
In der Schweiz hat die Zahl der bestätigten Neuinfektionen mit dem Coronavirus innerhalb eines Tages erneut nur um 254 zugenommen. Insgesamt gab es damit am Dienstag 25'834 bestätigte Fälle.
Bereits auf Montag waren die Zahlen nur um 280 bestätigte Infektionen gestiegen, auf Sonntag um 400. Doch die Fallzahlen seien am Wochenende jeweils tiefer, relativierte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Dienstag. Grundsätzlich unterlägen die Angaben einer wöchentlichen Schwankung.
Die Todesfälle in Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung nahmen nach einer Zählung der Nachrichtenagentur Keystone-SDA bis am Dienstagmittag um 34 auf 1152 zu. Die Agentur analysiert dazu die auf den Internetseiten der Kantone vorliegenden offiziellen Daten und aktualisiert sie zweimal täglich, mittags und abends. Obwalden und Appenzell Innerrhoden sind gemäss dieser Zählung die einzigen Kantone ohne Todesopfer.
Das BAG gab die Zahl der Todesopfer mit 900 an, das sind 15 mehr als noch am Montag. Das Amt bezieht sich bei seinen Angaben auf die Meldungen, die die Laboratorien sowie Ärztinnen und Ärzte im Rahmen der Meldepflicht bis am Dienstagmorgen übermittelt hatten. Die Zahl könne deshalb von den Zahlen der Kantone abweichen, schrieb das BAG weiter.
Nach wie vor weise die Schweiz eine der höchsten sogenannten Inzidenzen in Europa auf. Am Dienstag waren hochgerechnet auf 100'000 Einwohnerinnen und Einwohner 301 Personen von Covid-19 betroffen. Bisher wurden in der Schweiz insgesamt 199'000 Corona-Tests durchgeführt, 15 Prozent davon verliefen positiv.
SDA/fal
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