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Folgen der Katastrophe in der Ukraine
Was der zerstörte Staudamm für Cherson bedeutet

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Was ist passiert? 

In der südukrainischen Region Cherson ist nach Angaben der Kriegsparteien der Kachowka-Staudamm nahe der Front schwer beschädigt worden. Es drohen Überschwemmungen, die Bevölkerung wird evakuiert. Präsident Wolodimir Selenski rief eine Dringlichkeitssitzung des ukrainischen Sicherheits- und Verteidigungsrats ein. Offenbar wurde auch das angrenzende Wasserkraftwerk zerstört. 

Was droht den Gebieten um den Staudamm?

Mehrere Dörfer seien bereits «vollständig oder teilweise» überflutet, teilte ein ukrainischer Beamter am Dienstag mit. «Etwa 16’000 Menschen befinden sich in der kritischen Zone am rechten Ufer», erklärte das ukrainische Militär. Der Wasserpegel werde demnach binnen fünf Stunden «kritische Stände» erreichen. 
Das ukrainische Innenministerium rief die Bevölkerung von zehn Dörfern am rechten Flussufer des Dnjepr und in Teilen der Stadt Cherson auf, wichtige Dokumente und Haustiere einzusammeln, Geräte auszuschalten und die Gegend wegen Überschwemmungsgefahr zu verlassen. Zudem warnte es vor möglicher Desinformation. Gemäss einer ukrainischen Nichtregierungsorganisation dürfte die Zerstörung des Staudamms fast 100 Städte und Dörfer unter Wasser setzen. 

Das Wasser sei bereits um zwölf Meter angestiegen, sagte der von Russland eingesetzte Bürgermeister Wladimir Leontjew am Dienstag im russischen Staatsfernsehen. «Die Stadt ist überflutet.» Auch das an den Staudamm angrenzende und völlig zerstörte Kraftwerk stehe unter Wasser. Auf der russisch besetzten Seite des Flusses Dnipro sind Leontjews Aussagen zufolge insgesamt 600 Häuser in drei Ortschaften von den schweren Überschwemmungen betroffen.

«Die Halbinsel Krim könnte für viele Jahre ohne Wasserversorgung sein», sagte Mykhailo Podolyak vom ukrainischen Präsidentenbüro gegenüber CNN. Er nannte den Vorfall eine «globale ökologische Katastrophe». Verschiedene Tiere und Ökosysteme würden in den nächsten Stunden gefährdet.

Nach Angaben der Organisation Ukraine War Environmental Consequences Working Group, die mögliche Folgen des Krieges einschätzt, könnten Teile des linken Flussufers fortgespült werden,

Was sind die Folgen für die von Russland besetzte Halbinsel Krim?

Wladimir Leontjew räumte ein, dass es zu Problemen bei der Wasserversorgung auf der bereits 2014 von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim kommen könnte, die südlich von Cherson liegt. Diese wird mit Wasser aus dem Kachowka-Stausee beliefert.

Eine Gefahr für das AKW Saporischschja? 

Nach der Zerstörung des südukrainischen Kachowka-Staudamms besteht laut Internationaler Atomenergiebehörde (IAEA) keine unmittelbare Gefahr für das nordöstlich gelegene Atomkraftwerk Saporischschja. In dem von Russland besetzten AKW würden jedoch Massnahmen zum Weiterbetrieb der Kühlsysteme getroffen, die normalerweise mit dem aufgestauten Wasser gespeist werden, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi am Dienstag in Wien.

«IAEA-Experten am Atomkraftwerk Saporischschja beobachten die Situation genau», teilte Grossis Behörde auf Twitter mit. «Keine unmittelbare Gefahr am Kraftwerk.» Auch ein Sprecher des russischen Atomkonzerns Rosenergoatom sagte der Agentur Interfax, das AKW – das ebenso wie der Kachowka-Staudamm am Fluss Dnipro liegt - sei nicht betroffen.

Wegen des Dammbruchs fällt laut Grossi der Wasserstand in einem Reservoir für die Kühlsysteme, die ein gefährliches Überhitzen der Reaktorkerne und des Atommülls in Saporischschja verhindern. Das Wasser aus dem Reservoir reiche noch für «einige Tage». Ausserdem stehe ein Kühlbecken neben dem AKW-Gelände zur Verfügung, das weiteres Wasser für einige Monate enthalte.

«Es ist daher unerlässlich, dass dieses Kühlbecken intakt bleibt», warnte Grossi. «Es darf nichts geschehen, was seine Unversehrtheit potenziell gefährden könnte», appellierte er an Kiew und Moskau. Grossi kündigte an, das AKW nächste Woche erneut zu besuchen. Seit September sind eine Handvoll IAEA-Experten permanent als neutrale technische Beobachter in Saporischschja stationiert.

Warum ist der Staudamm so wichtig?

Der Damm am Fluss Dnjepr ist der südlichste der sechs Dnjepr-Staudämme und hält ein riesiges Wasserreservoir zurück. Der Stausee umfasst über 18 Milliarden Kubikmeter Wasser. Zum Vergleich: Der mit Abstand grösste Speichersee der Schweiz, der Lac des Dix, umfasst 400 Millionen Kubikmeter Wasser und ist damit 40-mal kleiner. Der Kachowka-Damm ist 30 Meter hoch und 3,2 Kilometer lang. Er wurde im Jahr 1956 gebaut.

Neben der Energiegewinnung aus Wasserkraft wird der Kachowkaer Stausee für die Schifffahrt, landwirtschaftliche Bewässerung, Trinkwasserversorgung und Fischerei genutzt. Mit der Zerstörung des Staudamms droht damit neben einer lokalen Überschwemmungskatastrophe auch eine Beeinträchtigung der Wasserversorgung in weiten Teilen der südlichen Ukraine. Denn der Stausee trägt auch zur Stromversorgung des Wasserkraftwerks Kachowka bei, welches gemäss Angaben beider Kriegsparteien ebenfalls zerstört wurde. Damit werden die anhaltenden Energieprobleme der Ukraine weiter verschärft. 
Am Stausee befinden sich zahlreiche Städte, ein Hafen und Siedlungen. Er ist nach der am Ufer gelegenen Stadt Kachowka benannt.