Neue Einschätzung aus dem AussendepartementWas der Briten-Deal für das Rahmenabkommen bedeutet
Die Briten haben die europäischen Richter in einem Abkommen mit der EU wegverhandelt. Für die Schweiz hingegen wäre ein ähnlicher Deal ein klarer Rückschritt, folgert das Aussendepartement.
Für Boris Johnson war es ein Weihnachtsgeschenk, den Bundesrat setzt es unter Druck: Im neuen Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Grossbritannien spielt der Europäische Gerichtshof (EuGH) kaum eine Rolle, im Rahmenabkommen mit der Schweiz hingegen ist er Teil der Streitschlichtung – und das umstrittenste Element in dem Vertrag, über den Bern weitere Verhandlungen mit Brüssel anstrebt (lesen Sie, wie ein prominenter FDP-Ständerat dem Aussenminister Ignazio Cassis in den Rücken fällt).
Nun hat das Aussendepartement EDA einen ersten Vergleich veröffentlicht.
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Das sind die wichtigsten Punkte:
Hindernisse für den Handel
Grossbritannien hat einen Freihandelsvertrag ohne Zölle – aber neu mit Zollkontrollen. Produktzulassungen gelten nur noch in Spezialbereichen, Ursprungsregeln werden enger ausgelegt. Das alles sind Hürden für den Handel. Die Schweiz hingegen hat laut EDA einen «gleichberechtigten, weitgehend hindernisfreien Zugang zum EU-Binnenmarkt». Die Produktanerkennungen etwa decken rund drei Viertel des Schweizer Industriegüterexports in die EU ab. Selbst ein umfassendes Freihandelsabkommen würde «einen klaren Rückschritt zu den bilateralen Abkommen» bedeuten. Das gelte auch im Vergleich zum UK-Deal.
Zwischen der Schweiz und der EU existierten zum Beispiel auch keine Kontrollen wegen Gesundheits- und Pflanzenschutzvorschriften. Hingegen gingen Grossbritannien und die EU weiter, indem auf Agrarprodukte keine Zölle fällig werden. Das lehnten die Schweizer Bauern bisher stets ab.
Mal mehr, mal weniger Souveränität
Das Königreich entzieht sich weitgehend dem EuGH. Doch hat es sich zu gleichen Wettbewerbsbedingungen verpflichtet, die sich am EU-Recht orientieren und laut EDA «thematisch deutlich umfassender» sind: Nebst staatlichen Beihilfen wie im Rahmenabkommen regelt der Briten-Deal auch Umwelt- und Klimaschutz, Sozial- und Arbeitnehmerrechte und Steuertransparenz. Zudem werde der Spielraum mit viel detaillierteren und strenger überwachten Regeln eingeschränkt. Abweichungen von EU-Standards bärgen das Risiko «erheblicher Kosten» wegen Ausgleichsmassnahmen.
Die Schweiz akzeptiere den EuGH als Teil der Streitschlichtung. Das sei nicht vergleichbar, weil sie Zugang zum EU-Binnenmarkt mit Rechtsharmonisierung anstrebe. Der Verlust an «regulatorischer Eigenständigkeit» sei zu relativieren, weil primär eine «formelle Eigenständigkeit» gemeint sei: Die Schweiz übernehme EU-Recht nur in «ausgewählten Marktsektoren», wo sie wegen der engen Verflechtung ohnehin Interesse an einer Angleichung habe.
Keine Personenfreizügigkeit, keine Kohäsionsmilliarde
Grossbritannien und die EU schaffen die Personenfreizügigkeit ab, die Sicherheitszusammenarbeit im Schengen-Bereich fällt weg: Die Briten verlören Zugriff auf die europäischen Arbeitsmärkte und an beruflicher Mobilität, schreibt das EDA. Unerwähnt lässt es, dass die Briten damit die Zuwanderung wieder nach Gutdünken regulieren können.
Zudem schulden die Briten keinen Kohäsionsbeitrag, was das EDA mit dem fehlenden Marktzugang begründet. Die Schweiz zahlt seit 2017 nur noch wenig, doch soll die Kohäsionsmilliarde erneuert werden.
Fazit
Die Folgerungen des EDA entsprechen jenen von Fachleuten, die das Rahmenabkommen positiv beurteilen. Nicht näher in Betracht zieht es hingegen mehrere Einwände von Gegnern, etwa, dass Grossbritannien und die EU über weitere Verbesserungen verhandeln. Oder dass der Einfluss des EuGH ein zu hoher Preis für den Marktzugang und keine juristische Notwendigkeit sei.
Auch beziffert das EDA die volkswirtschaftlichen Auswirkungen nicht, weshalb sich die politische Debatte kaum beruhigen dürfte. Allerdings sind seriöse Schätzungen unmöglich. Schon der Wert der Bilateralen allein lässt sich wegen methodischer Schwierigkeiten nur sehr schwer beziffern. Geschätzt wird er auf zwischen 0,2 und 0,4 Prozent des Wirtschaftswachstums pro Jahr. Ein Preisschild hat der Bundesrat bisher nur dem Abkommen über die Produktanerkennungen angehängt, das für die Wirtschaft grob geschätzte Einsparungen von 160 bis 320 Millionen Franken bringe.
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