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Forderung nach Verhandlungsabbruch
Prominenter FDP-Ständerat fällt Cassis in den Rücken

Wegen des Rahmenabkommens kommt es in der FDP zu Reibungen: Thierry Burkart (links hinten), Bundesrat Ignazio Cassis und Parteichefin Petra Gössi (rechts hinten).
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Noch haben die Schweiz und die EU nicht einmal einen Verhandlungstermin zur Nachbesserung des Rahmenabkommens gefunden. Doch bereits verbreitet sich die Forderung nach einem Übungsabbruch – und das ausgerechnet in der Partei des federführenden Aussenministers Ignazio Cassis.

Der Bundesrat solle die Verhandlungen mit der EU abbrechen, schreibt der Aargauer FDP-Ständerat Thierry Burkart in einem Kommentar, der im Zeitungsverbund «CH Media» erschien. Das Rahmenabkommen sei nicht mehrheitsfähig, weil es bei der Streitschlichtung den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zuziehe. Das degradiere die Schweizer Behörden zu «Erfüllungsgehilfen» der EU, schreibt Burkart, bis 2019 im Vorstand der Partei. Stattdessen will er das Freihandelsabkommen von 1972 erneuern und ausbauen. Dabei solle der EuGH aussen vor bleiben, wie im Deal zwischen Grossbritannien und der EU.

Rebelliert die eigene Basis gegen Cassis’ Kurs?

Bis jetzt waren die FDP und die GLP die einzigen Parteien, die sich einigermassen dezidiert hinter das Rahmenabkommen stellten. Der Artikel des Aargauer Ständerats ist nun aber der bisher schärfste Angriff eines amtierenden FDP-Politikers auf das Rahmenabkommen. Damit spitzt sich in der Partei eine Entwicklung zu, die der frühere Bundesrat Johann Schneider-Ammann losgetreten hat. Er taxierte den Entwurf Mitte September als «souveränitätspolitisch heikel». Dem schloss sich wenig später der Bündner Martin Schmid an: Die Rolle des EuGH sei «zu weitgehend», schrieb der FDP-Ständerat, der im Vorstand von Economiesuisse sitzt – jenes Wirtschaftsverbands, der eigentlich für das Abkommen weibelt.

Bedeutet das, dass Aussenminister Ignazio Cassis nun auch noch den Support seiner eigenen Bundeshaus-Fraktion verliert?

Nein, sagt FDP-Präsidentin Petra Gössi: «Ständerat Burkart vertritt in der Europafrage nicht die Mehrheitsmeinung der Fraktion.» Die FDP habe ihre Position in mehreren Diskussionen festgelegt, sagt Gössi. «Ich hätte es begrüsst, hätte Ständerat Burkart die Diskussion zuerst intern in der Fraktion geführt.»

«Ständerat Burkart vertritt in der Europafrage nicht die Mehrheitsmeinung der Fraktion.»

Petra Gössi, FDP,-Präsidentin

In Gössis Worten schimmert eine Kritik durch, welche in der Partei oft zu hören ist: Die Abweichler nähmen an wichtigen Sitzungen entweder nicht teil oder äusserten sich dort kaum. Das gilt auch für Burkart, der ausgerechnet das in dieser Frage entscheidende Fraktionsseminar in Engelberg im Februar 2019 frühzeitig verliess.

Burkart sei «ganz klar eine Einzelstimme in der FDP», findet auch der Urner Ständerat Josef Dittli. Für ihn selber und das Gros der Fraktion gelte immer noch der Positionsbezug von Engelberg: ein «Ja aus Vernunft». Das heisst: Grundsätzlich steht die Fraktion hinter dem Vertragsentwurf, verlangt aber wie der Bundesrat noch Präzisierungen – namentlich bei der Unionsbürgerrichtlinie, dem Lohnschutz und der Guillotine. Sobald diese vorliegen, will die FDP definitiv entscheiden. Diesen Beschluss hat die Fraktion zuletzt im Oktober 2020 bekräftigt.

«Dann schliessen sich die Reihen hoffentlich»

FDP-Aussenpolitiker Matthias Michel sagt darum: «Die Position der Fraktion ist klar. Natürlich gibt es eine kleine Minderheit, und diese meldet sich dann in den Medien auch stark zu Wort.» Sobald das Abkommen dann einmal ins Parlament komme, «werden sich die Reihen bei uns hoffentlich schliessen».

Das könnte sich allerdings als frommer Wunsch erweisen. Erstens sind die Ständeräte Burkart und Schmid nicht allein. Auch andere wie der Glarner Thomas Hefti sind skeptisch. Und selbst Andrea Caroni, Vizepräsident der FDP Schweiz, meinte unlängst, auch er habe das institutionelle Abkommen «noch nicht mit Blut unterschrieben».

Ein einflussreiches Aargauer FDP-Netzwerk

Zudem ist Burkart nur die Speerspitze einer gut organisierten und finanzkräftigen Gegnerschaft des Rahmenabkommens in FDP-Kreisen, die sich zunehmend Gehör verschafft. Besonders aktiv ist das erst vor kurzem gegründete Unternehmerkomitee «Autonomiesuisse». Es veröffentlichte gleich zwei Medienmitteilungen, in denen es Burkarts Coming-out gegen das Rahmenabkommen pries.

Das ist kein Zufall. Zwei der Co-Präsidenten von Autonomiesuisse sind prominente Aargauer FDP-Mitglieder, der Transportunternehmer Hans-Jörg Bertschi und der Heizungsunternehmer Hans-Peter Zehnder; beide hatten sich bei den letzten Wahlen auch in Burkarts Wahlkomitee engagiert.

Das Komitee, das erst seit November in der Öffentlichkeit auftritt, bereitet offensichtlich den Boden, damit sich die Gegner des Abkommens in der FDP aus der Deckung wagen. Burkart sagt, das Verhandlungsresultat zwischen Grossbritannien und der EU habe ihn zu seiner Stellungnahme bewogen. Abgesprochen habe er diese mit niemandem: «Ich bin gewählt als Aargauer Ständerat und tue meine Haltung kund, auch wenn eine Mehrheit der Fraktion eine andere Meinung hat.»

Der Link zu Farner

Autonomiesuisse ist indes nur eines von mehreren FDP-nahen Netzwerken, welche gegen die Europapolitik des Bundesrats und des FDP-Aussenministers Cassis weibeln. «Verschiedene Gruppen haben mich angefragt, ob ich mich bei ihnen gegen das Rahmenabkommen engagieren würde, aber ich will bündnisfrei bleiben», sagt Burkart dazu. Er verweist dabei auch auf die «Allianz Kompass/Europa», eine Gruppierung von Zuger Vermögensverwaltern der Partners Group. Deren Kampagne führt die PR-Agentur Farner – die Burkart früher zu ihren Konsulenten zählte.

«An der Parteibasis spüre ich eine weitverbreitete Skepsis zum Rahmenabkommen.»

Thierry Burkart, FDP-Ständerat

Nicht zuletzt erhob auch Karin Keller-Sutter in ihrer Zeit als Ständerätin immer wieder ihre mahnende Stimme. Die FDP-Ständerätin, zu der Burkhart einen engen Kontakt unterhält, unterstützte zwar den Grundgedanken eines institutionellen Abkommens, zweifelte aber an dessen Mehrheitsfähigkeit. Sie war auch treibende Kraft dahinter, dass der Bundesrat das Dossier auf Eis legte, bis die Volksabstimmung über die SVP-Initiative gegen die Personenfreizügigkeit vorbei war. Dabei stimmte sie sich eng mit Gewerkschaftsboss und SP-Nationalrat Pierre-Yves Maillard ab – der am Freitag Burkarts Aufruf zu einem Verhandlungsabbruch unterstützte, obwohl seine Partei einen raschen Abschluss verlangt.

Maillards Beispiel zeigt, dass nicht allein die FDP in der Europafrage gespalten ist, sondern auch die SP. Als Basis des federführenden Aussenministers und Wirtschaftspartei kommt der FDP jedoch eine besondere Bedeutung zu. Welcher Kurs sich in der Partei schliesslich durchsetzen wird, scheint offen. «An der Parteibasis spüre ich eine weitverbreitete Skepsis zum Rahmenabkommen», sagt Burkart. Präsidentin Petra Gössi erwidert: «Wir müssen Geduld haben und abwarten, welches Ergebnis der Bundesrat aus den Verhandlungen zurückbringt. Die FDP hat unmissverständlich Klarstellungen gefordert, welche erfüllt sein müssen.»