Medienkonferenz der Schweizer Beizer«Wir stehen vor dem Kollaps»
Die Schweizer Wirte informierten über ihre dramatische Lage, 100'000 Jobs könnten wegen Corona verschwinden. Wir berichteten live.
Das Wichtigste in Kürze:
Die Gastronomie stehe kurz vor dem Kollaps, sagt Casimir Platzer, Präsident GastroSuisse. 100'000 Jobs könnten verschwinden.
Die Vertreter lehnen einen Lockdown, Gäste-Obergrenzen, Sperrstunden sowie grössere Mindestabstände ab. Ansteckungen in Beizen seien selten.
Bereits die erste Welle mit dem mehrwöchigen Lockdown traf die Restaurants in der Schweiz hart.
Nun droht den Beizern weiteres Ungemach: Der Bundesrat wird morgen voraussichtlich weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens bekannt geben.
Zusammenfassung
Die Gastronomie ist wegen der Corona-Pandemie in einer existenziellen Krise. Eine Umfrage von GastroSuisse zeigt, dass die Hälfte der Betriebe in ernsten finanziellen Schwierigkeiten steckt. Viele dürften nicht überleben.
Zwei von fünf Betrieben dürften das Winterhalbjahr nicht überstehen und für immer schliessen. Damit wären 100'000 Arbeitsplätze in Gefahr. «Das Gastgewerbe steht kurz vor dem Kollaps», sagte GastroSuisse-Präsident Casimir Platzer am Dienstag in Zürich.
Während der Sommermonate hätten viele Betriebe noch einigermassen gut verdient. Doch seit Beginn der zweiten Welle habe sich die Lage dramatisch verschlechtert. Er wolle nicht schwarzmalen, aber es brenne. «Viele Unternehmen haben überhaupt keine Perspektive mehr.»
Auch Restaurants auf dem Land betroffen
Die Toggenburger SVP-Nationalrätin und Gastronomin Esther Friedli hat ebenfalls kaum mehr Gäste. «Was wir in den letzten zehn Tagen erleben, betrifft mich sehr», sagte sie. «Die meisten Menschen meiden den Restaurantbesuch. Die Umsätze sind eingebrochen.»
Dies betreffe nicht nur die Betriebe in der Stadt sondern auch jene auf dem Land. Die Leute würden sich ja nach wie vor treffen, aber nun halt einfach zuhause statt im Restaurant.
«Komplett an die Wand fahren»
Der Bundesrat wird am Mittwoch voraussichtlich weitere Verschärfungen bekannt geben, die auch die Gastrobranche betreffen dürften. Platzer befürchtet das Schlimmste. «Ich hoffe, dass die Landesregierung unsere Branche nicht komplett an die Wand fährt.»
«Komplett an die Wand fahren» beinhaltet für ihn in erster Linie einen weiteren Lockdown oder einen Mini-Lockdown. Auch eine Sperrstunde, noch grössere Mindestabstände und tiefere Personenobergrenzen seien fatal für die Betriebe. Solche Verschärfungen würden eine Konkurswelle auslösen.
Die Covid-Kredite sind in vielen Betrieben aufgebraucht. Die Branche fordert deshalb einen sofortigen Rettungsplan. Es brauche Härtefallmassnahmen sowie einen Ausbau der Kurzarbeit. «Wir haben natürlich Verständnis für gewisse Massnahmen», sagte Platzer weiter. Die Gastronomie sei aber nicht der Pandemie-Treiber. Es sei erwiesen, dass die meisten Ansteckungen nicht im Restaurant passieren würden. Die Ansteckungsgefahr sei gering.
MK ist zu Ende
Platzer fasst zum Schluss zusammen: Gastrosuisse will keinen Lockdown, keine wirkungslosen Massnahmen oder Unterstützungsmassnahmen auf Kantons- und Bundesebende, schnellere Tests und Anpassungen der Geschäftsmieterlassungen.
Erstaunlicherweise gibt es in der Runde keine Fragen der Medienleute. Die MK ist also zu Ende. Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
App des Bundes ist ungenügend
Platzer kritisiert die Kurzarbeit. Mitarbeiter kosteten trotz Kurzarbeit immer noch viel Geld. Es brauche daher einen Ausbau der Kurzarbeitsentschädigung. Auch müsse man das Erlassen der Mieten geregelt werden. Das Parlament habe zwar ein Gesetz für 60 Prozent Mieterlass erlassen, doch es sei unverständlich, dass man das nun wieder verworfen habe.
Der Präsident kritisiert scharf die Tracing-App: «Wir fordern das Funktionieren des Tracings. Die App des Bundes ist ungenügend. Wir fordern Tests statt Quarantäne.» Die Betroffenen würden zu spät informiert werden. Zudem müssten die Quarantäneregeln angepasst werden. Negativ Getestete sollen schnell wieder zur Arbeit dürfen.
Gastrosuisse lehnt Lockdowns ab
Platzer sagt: «Andere europäische Staaten haben uns in Sachen finanzielle Unterstützung links überholt». Gastrosuisse lehnt einen Lockdown oder Mini-Lockdown ganz entschieden ab. Auch Massnahmen, deren Wirkung fraglich ist, dürften nicht kommen. Um eine Pleitewelle abzuwenden, brauche es nun dringend Hilfe vom Bund oder der Kantonen, fordert der Präsident des Verbandes.
Klare Kommunikation gefordert
Es sollen Massnahmen eingeführt werden, um den Virus und nicht die Wirtschaft einzudämmen. Alle Studien belegen laut Friedli, dass sich Arbeitslosigkeit auch auf die Gesundheit auswirke. Vereinsamung, Alleinsein und Dunkelheit sei für das Wohlbefinden des Volkes nicht gut. «Es braucht nun eine klare Kommunikation von Bund und Kantonen.» Sie fordert Massnahmen, die die Branche berücksichtigen.
Harte Kritik von Friedli
Esther Friedli, die Lebenspartnerin von Toni Brunner, sagt: «Ich spreche als Politikerin, aber auch als Gastronomin zu Ihnen.» Sie kritisiert hart den Bundesrat, aber auch die Bundesbehörden, nicht zuletzt wegen der chaotischen Informationspolitik. Was man nun in den letzten zehn Tagen erlebe, sei dramatisch. Die Gäste blieben aus, weil sie verunsichert seien aufgrund der steigenden Fallzahlen. Wenn Mitglieder der Covid-Taskforce sagen, dass sie derzeit nicht auswärts essen gehen, dann hätten solche Aussagen gravierende Folgen. Das verunsichere die Leute. Es herrsche keine Perspektive für die Menschen. Das alles sei Gift für die Wirtschaft, aber auch für die Menschen.
Schockzustand der Gastronomen
Urs Pfäffli, der Präsident von Gast Zürich-City, sagt, dass die Umsätze in Zürich um bis zu 40 Prozent eingebrochen seien. «Die Gastrounternehmen stehen nach neuen Massnahmen unter Schock,» sagt Pfäffli. Er lobt die Stadt Zürich, kritisiert aber den Kanton. «Beim Kanton vermissen wir die Bereitschaft zur Zusammenarbeit.»
Ein zweiter Lockdown müsse unbedingt verhindert werden. Das Schutzkonzept funktioniere. Ansteckungen seien sehr selten in Beizen. Pfäffli fordert finanzielle Hilfe. «Es müssen neue Bedingungen geschaffen werden.» Überdies sagt er, dass man davon ausgehen müsse, dass die Regierung keinen Rettungsplan für die Branche ausgearbeitet habe. Die Branche werde quasi «an die Wand gefahren».
Lage auch in der Westschweiz dramatisch
Auch André Roduit, Präsident GastroValais, erklärt auf französisch, wie schwierig und dramatisch die Lage für die Branche im Kanton und in der Westschweiz sei.
Dramatische Situation
Maurus Ebneter, Präsident Wirteverband Basel-Stadt, weis auf die schwierige Situaiton der Wirte und Wirtinnen hin. Gerade Basel sei durch diversen Absagen wie die Fastnacht schwer geprüft worden. Mit den neuen Massnahmen seien die Umsätze um 50 Prozent gesunken. Grund seien vor allem die Angaben von Kontaktdaten gewesen. Nach dem Lockdown hätten die Gäste zaghaft wieder gebucht. Doch im Juli kam im Sommer die 100-Personen-Beschränkung. Die Branche habe versucht, das aufzufangen. «Doch nun gibt es wieder dramatische Einbrüche.»
Ebneter warnt: «Wir werden eine Konkursflut und einen dramatischen Abbau von Arbeitsplätzen erleben. Ohne substanzielle Hilfe geht es nicht.» Sonst werde man Basel nicht mehr wiederkennen.
Viele Arbeitsplätze verloren gegangen
Platzer ist auch verärgert über die Massnahmen in Kanton Bern. Gewisse Massnahmen entbehren jeglicher Logik. «In den Restaurants funktionieren die Schutzkonzepte.» Man stecke sich nicht in Beizen an. Es spiele auch keine Rolle, wann man einen Tisch in der Beiz verlässt. Das Gastgewerbe sorgt für viele Arbeitsplätze.
Laut Gastrosuisse zeige eine Umfrage, dass die Hälfte der Betriebe wegen Corona in finanziellen Problemen steckten. Viele seien von den Betrieben abhängig. Zwei von fünf Betrieben dürften das nächste halbe Jahr nicht überstehen. Rund 100'000 Jobs könnten verschwinden. Die meisten Beizen seien unverschuldet in die Krise gegangen. Daher brauche es jetzt Unterstützung, um die Branche zu retten, so Casimir.
«Ich hoffe, dass uns eine komplette Schliessung erspart bleibt», sagt der Gastrosuisse-Präsident weiter.
Kritik an Mitglied der Taskforce
Platzer kritisiert die einseitige Information eines Mitglieds der Taskforce, der von Besuchen in Gastrounternehmen öffentlich abgeraten habe. Im Schnitt ist der Umsatz der Beizen in den Städten halb so hoch wie im Vorjahr. Alle Events und Firmenanlässe seien abgesagt. Die Massnahmen des Bundes kämen vor allem auch für Clubs einem Berufsverbot gleich.
Es sei nicht in Odnung, dass man die Krise auf dem Buckel des Gastgewerbes ausstehen wolle. «Es brennt in unserer Branche,» sagt der Präsident.
Die Medienkonferenz beginnt
Die Medienkonferenz im Stadtzürcher Kreis 1 beginnt. Eigentlich wollte man die MK in Bern durchführen. Aber das ging nicht wegen den Bestimmungen. Also hat man nach Zürich umdisponieren müssen, sagt der Mediensprecher. In Zürich sei man flexibel gewesen.
Nun ergreift Gastro-Präsident Platzer das Wort. Das Gastgewerbe stehe kurz vor einem Kollaps, sagt er. Insbesonderen in den Städten und in den Betrieben, die von Tourismus und Messen abhängen, sei der Umsatz eingebrochen. Mittlerweile seien aber auch Betriebe auf dem Land oder in Tourismusorten von den geringen Umsätzen betroffen.
Crowdfunding als Unterstützung
«Die Schweizer Gastronomie mit rund 25`000 Betrieben und deren über 180`000 Mitarbeiten ist coronabedingt in eine tiefe Krise geraten. Sie zählt zu den am stärksten von der Pandemie betroffenen Branchen. Viele Betriebe haben ihre letzten Reserven inzwischen aufgebraucht oder sind überschuldet.» Das schreibt Gastrosuisse in einer Medienmitteilung.
Deshalb hat man gestern mit einem Crowdfunding begonnen.
Wer wird überleben?
Die Frage stellt sich immer mehr, welcher Betrieb in der Gastronomie die Krise überleben wird. (Lesen Sie dazu auch den Artikel: Nicht die Besten werden überleben, sondern die Billigsten). Sonderregelungen können dazu führen, dass Beizen in den Wintermonaten überleben könnten. (Vgl. Heizpilze sollen die Zürcher Beizen über den Corona-Winter retten).
Ausgangslage
Der Schweizer Gastro-Szene geht es wegen der Corona-Krise schlecht. Nun wird der Bundesrat vermutlich morgen Mittwoch die Branche wirtschaftlich weiter einschränken, indem er die Sperrstunde national auf 22 oder sogar 21 Uhr verlegen will. Ein solcher Entscheid würde die Restaurants und Bars noch härter treffen.
Der Verband Gastrosuisse befürchtet ein umfangreiches Beizensterben. Heute informiert er an der Medienkonferenz in Zürich ab 9.30 Uhr über die dramatische Lage der Szene. Der Verband will auch Forderungen an die Politik stellen.
Mit von der Partie sind Casimir Platzer, Präsident GastroSuisse, Maurus Ebneter, Präsident Wirteverband Basel-Stadt, Urs Pfäffli, Präsident Gastro Zürich-City, André Roduit, Präsident GastroValais sowie Esther Friedli, Nationalrätin SVP und Gastwirtin.
red
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