Airtags im AlltagstestWas Apples smarte Schlüsselanhänger können – und was nicht
Sie helfen, verlorene Gegenstände zu finden, und sehen schick aus: Wir haben das neue Produkt einem Härtetest unterzogen.
Nach Jahren der Spekulationen und Gerüchte sind Apples smarte Schlüsselanhänger doch noch Realität geworden. Und schon fast vergriffen. Wer einen Viererpack (119 Franken) bei Apple bestellen möchte, muss sich bereits bis Juni gedulden. Einzelne Airtags (35 Franken) gibt es in den nächsten Wochen wieder.
Aber ist der Run auf die kleinen Tracker gerechtfertigt? Hier unsere Highlights und Enttäuschungen nach einer Woche damit. Beginnen wir mit dem Erfreulichen:
Suchen und Finden
Der Airtag macht genau, was Apple verspricht. Mit dem iPhone findet man den Zweifränkler-grossen und etwas dicklichen Chip, wenn man ihn verlegt hat. Am besten klappt das zu Hause. Das iPhone meldet, dass etwa der Chip am Schlüsselbund in der Nähe ist. Wenn man nah genug dran ist, zeigen Pfeile zentimetergenau, wo sich der Schlüsselbund befindet – auch, in welchem Reisekoffer er sich befindet.
Zusätzlich kann man den Chip pfeifen lassen. Das klappt alles so einfach und intuitiv, dass selbst der dreijährige Junior nach einer Demonstration mit dem iPhone jeden versteckten Airtag findet.
Aber das ist nur die halbe Geschichte: Hat man den Airtag unterwegs verloren, kommen die vielen iPhones, iPads und Mac-Computer, die Apple in den letzten Jahren gerade in der Schweiz verkauft hat, ins Spiel. Jedes Gerät mit mindestens iOS 13 oder macOS Catalina kann – anonymisiert, verschlüsselt und ohne eigenes Zutun – verlorene Airtags per Bluetooth aufspüren und der Besitzerin oder dem Besitzer melden.
In dicht besiedeltem Gebiet und an häufig genutzten Waldwegen wird ein versteckter Airtag schnell gefunden. Schwierig wird es, wenn weit und breit kein Apple-Gerät in der Nähe ist. Aber sonst reicht es bereits, wenn eine Person in etwa 20 Metern Entfernung gemütlich an einem Airtag vorbeispaziert. Danach muss man nur noch selbst an die Stelle und dürfte den verlorenen Gegenstand ziemlich schnell finden.
Installation
Samsung war zwar schneller auf dem Markt mit smarten Schlüsselanhängern, aber die Installation erwies sich (Samsung und Apple wetten auf smarte Schlüsselanhänger) als ausgesprochen mühsam. Erst nach zwei Firmware-Updates für den Anhänger, einem App-Update und einer Plugin-Installation war der Galaxy-Smarttag einsatzbereit. Bei Apple klappt die Installation kinderleicht. Man packt den Chip aus, hält ihn neben das iPhone, drückt zwei, drei Knöpfe und gibt ihm einen Namen und ein Symbolbild – fertig. Im Inneren des Airtag steckt eine Standard-Knopfbatterie, die man nach etwa einem Jahr selber wechseln kann.
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Das Design
Das muss man Apple lassen: Die Firma kriegt es hin, einen so gewöhnlichen Gegenstand wie einen Schlüsselanhänger zum Hingucker zu machen. Der Airtag sieht überall gut aus, egal, wo man ihn befestigt. Eine Seite des Geräts glänzt silbrig (Stahl), die andere ist aus weissem Plastik, diese dient gleichzeitig als Lautsprecher, wenn sie in Schwingung versetzt wird. Zudem hat Apple eine ganze Kollektion an Halterungen im Angebot. Günstige aus Gummi für ein paar Franken bis zu Luxus-Halterungen von Hermès, die das Zehnfache eines Airtag kosten.
Der Preis
Und dann ist da noch der Preis. Mit 35 Franken sind die Airtags (das Zubehör nicht eingerechnet) für Apple-Verhältnisse überraschend erschwinglich. Gerade wenn man bedenkt, dass sie nebst Bluetooth auch noch Ultrakurzwellen-Funk (für die präzise Verortung) und NFC (für die Anzeige von Kontaktdaten bei einem Verlust) eingebaut haben.
Und nun zu den Nachteilen und Enttäuschungen:
Die Reichweite und der Empfang
Wunder darf man von dem kleinen Airtag nicht erwarten. Ein Dieb lässt sich damit nicht in Echtzeit auf Schritt und Tritt verfolgen. Ebenso wenig eignen sich Airtags für andere bewegliche Ziele wie Haustiere oder Schulkinder. Hin und wieder sieht man einen Standort, aber nicht immer. Da sind spezialisierte Tracker die bessere Wahl. Auch reicht es nicht, wenn jemand mit einem iPhone im Auto oder auf dem Fahrrad am verlorenen Airtag vorbeifährt. Im Test reichte der kurze Bluetooth-Kontakt nicht für eine Lokalisierung.
Auch nicht ganz so toll wie in der Werbung klappt das zentimeterpräzise Finden in der Wohnung. Erst wenn man drei bis 5 Meter vom Airtag entfernt ist, erscheinen die Pfeile. Vorher muss man auf gut Glück durch die Zimmer irren. Aber: Da der Airtag auch pfeifen kann, kann man sich das mit den Pfeilen sowieso meist sparen. Mit den Ohren findet man den verlorenen Schlüssel alleweil schneller als mit dem iPhone.
Der Zubehörzwang
Apple ist (wie meistens) nicht der erste Anbieter dieser neuen Technologie. Smarte Schlüsselanhänger gibt es seit Jahren, zum Beispiel von Tile und seit Anfang Jahr von Samsung. Was Apple aber anders macht als die Konkurrenten: Sie haben an ihrem Tracker kein Loch, wo man ihn leicht an allen möglichen Gegenständen befestigen kann.
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Ohne dieses Loch führt kein Weg an irgendwelchem Zubehör (so schön das auch sein mag) vorbei. Die bunten Anhänger und Bändelchen haben noch einen weiteren Nachteil: Sie zeigen schon von weitem: «Achtung, diese Tasche hat einen Tracker!» Es empfiehlt sich darum, den Airtag tief in der Tasche zu vergraben und nicht demonstrativ als Mode-Accessoire zu tragen. Einerseits lockt man so nicht unnötig Diebe an, andererseits können sie den Airtag nicht bei der ersten Gelegenheit entfernen.
Zusätzliche Funktionen und Feinjustierung
Wer bei neuen Geräten schon ab dem ersten Tag dabei ist, kennt das Problem. Die Software und die Funktionen sind noch nicht so ganz eingespielt. Das ist auch bei den Airtags so. Aktuell dauert es drei Tage, bis die Airtags mit einem Pfeifgeräusch auf sich aufmerksam machen. Das soll Menschen ohne iPhone davor schützen, mit den Airtags heimlich ausspioniert zu werden. iPhones warnen nämlich, wenn man einen falschen Airtag untergejubelt bekommen hat und mit sich herumträgt. Dass diese Pfeifwarnung erst nach drei Tagen kommt, hat bereits für einige Kritik gesorgt. Eine Frist von 24 Stunden wäre wohl sinnvoller. Und lässt sich per Software auch nachträglich leicht ändern.
Und dann ist da noch das Versprechen für die Zukunft: Noch wird man nicht gewarnt, wenn man den Schlüsselbund im Büro vergisst oder den Rucksack im Zug. Das iPhone zeigt nur passiv, wo sich die Gegenstände gerade befinden. Ein Warnhinweis, dass man gerade ohne Hausschlüssel das Büro verlassen hat, wäre eine grosse Hilfe und liesse sich per Software ebenfalls leicht nachrüsten.
Fazit: Airtags sind eine gelungene Erweiterung des Apple-Ökosystems. Sie kosten nicht viel, machen, was sie sollen – und vielleicht ist man irgendwann tatsächlich froh darum.
Noch spannender als die Airtags selbst ist das Suche-Finde-Netzwerk aus rund einer Milliarde Apple-Geräten weltweit. Die Airtag-Technologie lizenziert Apple nämlich auch an andere Hersteller. Bereits gibt es erste Fahrräder und Funkkopfhörer, die sich ebenso aufspüren lassen. Weitere werden folgen. Die Airtags selbst sind nur der Anfang und eine Notlösung, falls man einen Gegenstand damit nachrüsten möchte. Wie eben einen Schlüsselbund, eine Tasche oder das Lieblingsplüschtier des Kindes.
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