Nichts mehr verlierenSamsung und Apple wetten auf smarte Schlüsselanhänger
Der iPhone-Konzern arbeitet seit Jahren an kleinen Sendern, die man mit dem Handy aufspüren kann. Nun kommt Samsung Apple mit den Smarttags zuvor. Wir erklären, testen und wagen einen Ausblick.
Nein, neu ist die Idee wirklich nicht. Schon als Kinder staunten wir über einen Schlüsselanhänger, der piepst, wenn man pfeift. So wirklich durchgesetzt hat sich das aber nie.
Doch Schlüssel werden immer noch regelmässig verlegt und verloren. Nun greifen Technologiekonzerne diese Idee wieder auf. Anders als das Apple-Auto oder die Apple-Brille könnten die Apple-Schlüsselanhänger jeden Tag vorgestellt werden. Konkrete Gerüchte um die vermutlich Airtags genannten Minisender gibt es spätestens, seit Apple 2019 mit dem iPhone 11 auch einen Ultrabreitband-Chip vorgestellt hat.
Dass die Airtags nicht längst auf dem Markt sind, liegt wohl weniger an technischen Schwierigkeiten als daran, dass Apple lieber noch wartet, bis mehr Geräte mit U1-Chips im Alltag angekommen sind.
Denn das ist der entscheidende Punkt und grösste Vorteil im Vergleich zu Pfeif-Schlüsselanhängern. Die neuen Schlüsselanhänger können auch gefunden werden, wenn man selbst gar nicht in der Nähe ist. Sie senden ihre Positionsdaten an kompatible Smartphones, und diese leiten die Informationen dann – natürlich anonym – an den Eigentümer weiter.
Frühstart bei Samsung
Während Apple noch zuwartet, hat Samsung dieser Tage schon einen ersten Schlüsselanhänger lanciert. Der Smarttag kostet 35 Franken. Mit einer Standardknopfbatterie solle er rund ein Jahr im Umkreis von 120 Metern funken, verspricht Samsung.
Statt Ultrabreitband nutzt er allerdings nur Bluetooth. Das hat den Nachteil, dass der Schlüsselanhänger nicht ganz so präzis geortet werden kann. Dafür braucht es dazu kein Smartphone mit der neusten Technologie. Es reicht, wenn ein Galaxy-Handy mit der SmartThings-Find-App in der Nähe ist.
Damit man mit seinem Galaxy-Handy anderen beim Auffinden von Smarttags helfen kann, muss man in der SmartThings-App das Find-Plug-in runterladen und aktivieren. Das war im Test etwas komplizierter als gedacht, aber einmal erledigt, funktionierte es tadellos.
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Schon beim ersten Test wird der Smarttag in der Migros aufgespürt, und auch bei einem Stadtspaziergang dauert es keine Stunde bis, der Schlüsselanhänger aufgespürt wird. Hätte man ihn tatsächlich verloren, müsste man nur noch an die Stelle gehen und den Smarttag piepsen lassen.
Aber das ist nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommt. Irgendwann dieses Jahr will Samsung auch einen Smarttag mit zusätzlichem Ultrabreitband lancieren. Den kann man dann im Umkreis von etwa 40 Metern mit dem Smartphone so präzise orten, dass sein Standort mit Augmented Reality direkt mit dem Bild der Kamera kombiniert wird.
Genauso dürften auch Apples Airtags funktionieren. Anders als Samsung verfügt Apple bereits über ein breites Netzwerk an iPhones mit Ultrabreitband-Funktion. Jedes von denen kann künftig passiv und ohne eigenes Zutun beim Aufspüren verschollener Schlüssel, Portemonnaies, Koffer, Kopfhörer oder Haustiere helfen.
Das Erfinder-Dilemma
Was Samsung bereits in aller Öffentlichkeit lanciert und Apple noch unter Verschluss hält, bereitet vor allem einer Firma grosse Sorgen: Das amerikanische Unternehmen Tile hat solche Bluetooth-Schlüsselanhänger schon vor bald zehn Jahren lanciert. Inzwischen gibt es sie in verschiedenen Formen: flache für unter den Laptop, winzige für Kopfhörer und bunte Sammlerausgaben.
Anders als Samsung oder Apple verfügt Tile aber nicht über eigene Handys oder gar ein eigenes Betriebssystem. Aus Sorge benachteilig zu werden, hat Tile darum schon letztes Jahr bei der Europäischen Union reklamiert, dass Apple sich künftig einen unfairen Vorteil verschaffen könnte, sollte es ähnliche Produkte lancieren.
Tatsächlich ist Tile gegenüber Samsung und Apple klar im Nachteil, da sie nur über eine App verfügen, können ihre Schlüsselanhänger nur von Handys gefunden werden, die die Tile-App installiert haben. Samsungs SmartThings-App ist auf den eigenen Smartphones bereits vorinstalliert und Apples «Wo ist?»-App ist auch fester Bestandteil von iOS.
Es ist das alte Dilemma: Für Kundinnen und Kunden ist es bequem, wenn ein Hersteller alles perfekt abgestimmt aus einer Hand anbietet. Für Entwickler und Erfinder ist es schwer, mitzuhalten, wenn die Grosskonzerne etwas Ähnliches lancieren.
Ein Paradebeispiel ist Sonos. Die Firma hat Multiroom-Audio populär gemacht. Doch nun mischen sich mit Amazon, Google und Apple die Grössten der Grossen in dieses Geschäft ein. Da man Schlüsselhänger viel leichter ersetzen kann als teure Lautsprecher, hat Tile allen Grund, beunruhigt zu sein.
Eingenähter Sensor
Schlüsselanhänger und Anklebesender, wie sie Tile anbietet, sind dabei erst der Anfang. Wirklich spannend wird die neue Technologie, wenn sie etwa in Brillenetuis, Fotokameras und Portemonnaies fest eingenäht oder eingebaut wird. Kauft man sich etwa eine teure Skijacke, hält man die zu Hause schnell ans Telefon und registriert sie in der Such-App. Im Idealfall wird der Minisender dabei auch gleich für die nächsten Monate mit Strom versorgt.
Lässt man die Jacke im Zug liegen, warnt sie rechtzeitig, und man kann nochmals umkehren. Vertauscht man am Flughafen den Koffer, wird das Missverständnis auch schnell aufgeklärt.
Spätestens jetzt dürften die ersten Datenschutzbedenken auftauchen. Tatsächlich klingt ein dezentrales Netz aus Suchstationen, das ständig auf Empfang ist und ständig weiterleitet, welcher Gegenstand gerade wo ist, nach einem Horrorszenario.
Aber so klang vor etwas über zehn Jahren auch die Vorstellung, ständig ein Mikrofon und eine Videokamera mit Internetanschluss mit sich herumzutragen. Und heute nehmen wir Smartphones ohne Bedenken mit auf die Toilette oder ins Bett. Nützlichkeit und Komfort, so zeigt es sich, gewinnen immer wieder.
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