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Meinung

Kolumne «Fast verliebt»
Warum wir Freunde verlieren, wenn wir älter werden

Berichtet aus ihrem Umfeld: Autorin Claudia Schumacher.
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Kennen Sie jemanden, der richtig viele Freundschaften hat, aber keine feste Liebesbeziehung? Und kennen Sie jemanden, bei dem es genau umgekehrt ist? Stellen Sie sich beide einmal vor: Wer wirkt glücklicher? Ich würde behaupten: die Person mit den vielen Freunden.

Warum reden wir eigentlich so viel über romantische Liebe, aber kaum darüber, wie der Mensch Freundschaft fürs Leben findet?

Am Anfang ist es einfach: Kindergarten, Schule, Ausbildung. Die Chancen stehen gut, hier einen Freund zu gewinnen. Oder mehrere. Aber dann kommt man ins Berufsleben, zieht um. Die Freundinnen fliegen einem nicht mehr automatisch zu. Das ist einer von drei Momenten im Leben – neben der Familiengründung und dem Wegsterben von Freunden im Alter –, in denen Vereinsamung droht. 

Mir ging das selbst so. Ich zog in meinen Zwanzigern mehrfach um. Bei der ersten Festanstellung war ich im Büro mit Abstand die jüngste. Mittagessen ging ich mit Kolleginnen, während meine besten Freundinnen um die Welt gondelten. Ich lebte in der Zeit im Ausland und führte wechselnde Freundschaften mit Expats, die wieder wegzogen. Mein Sozialleben war selten befriedigend, auch wenn ich meistens in einer Beziehung steckte. Und dann kam dieser glorreiche Silvesterabend, an dem ich mit frisch gebrochenem Herzen allein zu Hause sass. Vor dem Fernseher. Mit der TV-Wiederholung der Weihnachtsshow von Helene Fischer, die ich kein bisschen leiden kann.

Das war mir lange Zeit so peinlich, dass ich niemandem davon erzählte. Aber jetzt wissen Sie es. Und vielleicht verzeihen Sie mir vor diesem Hintergrund, wenn ich mich heute darüber freue, dass ich viele tolle Freundinnen habe. Wie das kam?

«Wussten Sie, dass es Dating-Apps für Freunde gibt? Ich habe sie genutzt.»

Es begann damit, dass ich aufhörte, das Problem vor mir selbst und anderen zu verschleiern. Ein ehrlicher Satz: Ich wünsche mir mehr Freunde. Es geht ja vielen so, wozu die falsche Scham.

Beim Umzug in eine fremde Stadt wusste ich: Dieser Neustart gelingt nur, wenn ich sozial ankomme. Mich hatte die Einsamkeit mit der Zeit fälschlicherweise glauben lassen, dass ich für Freundschaften vielleicht zu verschroben bin. Will man neue Leute kennen lernen, ist es am besten, Räume zu suchen, wo Gleichgesinnte sind. Wussten Sie, dass es Dating-Apps für Freunde gibt? Ich habe sie genutzt. Und ich bin meiner Begeisterung für Literatur gefolgt, genauso gut kann man in einen Ruderverein, in den Tanzkurs, in die Lokalpolitik gehen.

Eigentlich muss man dann nur noch da sein. Wirklich da sein. Sich Zeit nehmen für andere. Mitdenken. Sich erkundigen, auch nach dem nächsten Treffen. Mitleben. 

Wer für andere da ist, hat irgendwann auch Menschen in seinem Leben, die er jederzeit anrufen und treffen kann, um nicht Helene Fischers Weihnachtsshow gucken zu müssen. Und das ist im Leben vielleicht das Wichtigste.