Kolumne Fast verliebtAngst vor dem Verlassenwerden
Warum ist es manchen Menschen so wichtig, zu betonen, dass noch nie jemand mit ihnen Schluss gemacht hat und dass sie jede Beziehung selbst beenden?
Unter den Dauersingles und Serienmonogamen in meinem Umfeld gibt es manche, die sich schon lange eine dauerhafte Beziehung wünschen. Mindestens drei von ihnen, zwei Frauen und ein Mann, teilen ein gewisses Set an Eigenschaften: Sie sehen gut aus. Sie sind betont gesellig, haben viele Freundinnen und Freunde – und man kann sie in praktisch jeden Haufen neuer Menschen schmeissen: Nach drei Stunden kennen sie jeden. Was nicht nach ungewollter Einsamkeit klingt. Und ja, sie lernen auch oft Leute kennen, die es mit ihnen versuchen wollen. Nur klappt es nie.
Eine der drei hat nun einen Schmerzpunkt erreicht. Sie ist Mitte 30 und wünscht sich eine Familie, nur fehlt ihr der Partner, und sie hat Angst, dass der Zug abfährt. Neulich telefonierten wir deshalb länger. Sie war wieder irgendwo am anderen Ende der Welt, wild am Reisen. Als finde das Leben nie daheim statt, ausschliesslich woanders. «Ich habe bisher jede meiner Beziehungen selber beendet»: Sie sagte wieder diesen Satz. Nachdem wir aufgelegt hatten, hallte er in mir nach. Wahrscheinlich hatte ich ihn einfach schon zu oft von ihr gehört. Ausserdem fiel mir auf, dass sie ihn betonte, leicht stolz.
Sie bekommt Panik, macht Schluss. Und dann? Ist sie oft noch lange eng befreundet mit ihren Ex-Männern.
Vielleicht hat man – wenn es in der Liebe nicht klappen will – etwas Angst, andere könnten einen für verschroben halten. Also will man klarmachen, dass es wirklich nur an den anderen liegt, rein gar nicht an einem selbst. Dass man da immer die Kontrolle hat, immer selber Schluss macht.
Meine Freundin ist jedenfalls ein kurioser Fall: Anfangs ist sie immer sehr verliebt, alles ist toll. Dann wird alles ganz schlimm, sie bekommt Panik, macht Schluss. Und dann? Ist sie oft noch lange eng befreundet mit ihren Ex-Männern. So kuschlig und harmonisch befreundet, dass man sich fragt, warum die nicht einfach zusammengeblieben sind.
Ich musste an meine Zwanziger zurückdenken, an die ersten verlustreichen Jahre auf dem Schlachtfeld der Liebe. Wie verwirrend ich damals alles fand. Diese grossen Gefühle! Beängstigend. Der Schmerz, wenn es aus war, die empfundene Demütigung. Da war es mir auch lieber, wenn ich rumerzählen konnte: «Ich habe Schluss gemacht.» Und ja: Vielleicht ging mein Wunsch, die Kontrolle zu behalten, sogar so weit, dass ich mitunter etwas vorauseilend beendete — nur um ganz sicherzugehen, dass ich nicht diejenige sein werde, die das Verlassenwerden aushalten muss.
Was mir damals triumphal erschien, wirkt heute anders auf mich: feige. Was kann falsch daran sein, zu lieben? Ist es nicht viel kühner und heroischer, wenn man sagen kann: «Ich wollte nicht, dass es endet. Ich habe daran festgehalten, darum gekämpft.» Die Heldinnen und Helden der Liebe sind die, die bleiben. Die kämpfen und in Kauf nehmen, verletzt zu werden. Wer immer wegrennt, hat schon verloren. Denn er wird es nie wirklich versucht haben.
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