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Leser fragen
Warum schaden Trump seine Lügen nicht?

Immerhin sagt er unverblümt seine Meinung: Das gefällt Donald Trumps Anhängern.
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Als Donald Trump gewählt wurde, war ich schockiert, hegte aber die Hoffnung, dass er sich bald einmal selber disqualifiziert als Präsident der USA. Das tut er ja eigentlich auch andauernd, indem er Unwahrheiten verbreitet und sich dann wieder selber widerspricht und sich selber lobt. Er beschimpft und beleidigt Journalisten, Frauen und Immigranten, und trotzdem steht laut Umfragen immer noch ein grosser Teil der Bevölkerung hinter ihm, und zwar nicht nur Leute mit wenig Bildung. In einem Interview mit Studentinnen einer renommierten Uni haben diese ihren Präsidenten damit entschuldigt, dass ja alle Politiker mal lügen, und es sei ganz gut, wenn einer mal unverblümt seine Meinung sage. Wie lässt sich das erklären? S.H.

Liebe Frau H.

Eine Zeit lang habe ich belustigt die Pressemeldungen verfolgt, in denen es nach irgendwelchen Enthüllungen gebetsmühlenartig hiess, nun werde es «eng für Donald Trump». Ganz offensichtlich wurde es das nicht; aber erst nachdem auch das Impeachment-Verfahren gegen ihn gescheitert war, wurden solche Meldungen seltener. Vielleicht wird Trump ja Ende dieses Jahres abgewählt. Doch gewiss nicht, weil noch irgendetwas über ihn zutage gefördert wird, das selbst seine Anhänger empören muss. Sondern nur, weil sich die Mehrheitsverhältnisse zwischen seinen Anhängern und seinen Gegnern etwas mehr hin zu seinen Ungunsten bewegen.

Die Medien als «vierte Gewalt» sind in der Ära, wenn sie sich nicht wie Fox News ohnehin schon immer als Propagandainstrument verstanden haben, unversehens in die Rolle hilfloser Aufklärer geraten. Kritischer und investigativer Journalismus schaut hinter die Kulissen der Politik, deckt Missstände auf, zeigt verborgene Zusammenhänge, enthüllt, was hätte versteckt werden sollen. So sieht es jedenfalls das Lehrbuch der Demokratie vor. Was aber, wenn alle Skandale mehr oder weniger offen daliegen bzw. keine Recherche mehr eine Überraschung bietet, sondern nur die Erwartung erfüllt? Trump lügt, die Fifa ist korrupt, die Mafia kriminell, Christina von Dreien hat einen Sprung in der 5G-Antennen-Schüssel, und der Papst ist katholisch. Echt jetzt? Ja, echt jetzt. Und nun?

Wer Politik immer schon für ein schmutziges Geschäft gehalten hat, ist erfreut, dass Trump wenigstens nicht heuchelt, sondern sagt, was er denkt, und tut, was er sagt, selbst wenn er immer mal was anderes sagt und denkt und tut, als er sagt, denkt oder tut. Wir wollen uns doch nicht in Details verlieren; ausserdem hat das ganze Theater einen nicht zu vernachlässigenden Unterhaltungswert. Seine Gegner mit ihren Enthüllungen und Argumenten wirken gegen Trumps umfassende Nonchalance wie hysterische Klugscheisser. Souverän ist, wer die eigene Blamage nicht mehr fürchtet.