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Ursprünge des aufrechten Gangs
Warum die Menschenaffen aufstanden

Künstlerische Darstellung des Lebensraums des frühen menschenartigen Affen Morotopithecus bishopi. Im Hintergrund der aktive Vulkan Mount Moroto. 

Das Bild erinnert ein wenig an die biblische Geschichte von Adam und Eva. An einem Baum hängen Früchte, und ein Menschenaffe streckt sich, er richtet seinen Oberkörper auf, um dann mit seinen langen Armen das Obst zu pflücken. Die Suche nach Früchten in Wäldern gilt unter Anthropologen als mögliche Ursache dafür, dass sich zunächst der Bewegungsapparat der frühen Menschenartigen – Forschende nennen sie Hominoidea – veränderte und dass sich später irgendwann der aufrechte Gang entwickelt haben könnte. Doch diese Theorie steht nun infrage: Denn gemäss zwei Studien im Fachmagazin «Science» sah der Garten Eden, um im Bild zu bleiben, im frühen Miozän vor 21 Millionen Jahren offenbar anders aus. Zwischen Bäumen wuchsen bereits auf weiten Flächen Gräser, und die Menschenaffen hatten es nicht auf Früchte abgesehen. Sie ernährten sich von Blättern und Gräsern.

Schon vor etwa 21 Millionen Jahren gab es ausgedehnte Graslandschaften in Afrika und damit mehr als 10 Millionen Jahre früher als angenommen, so die beiden internationalen Forschungsteams. Afrikas Savannen sind demnach weitaus älter als gedacht. Und damit hatte die Evolution der Säugetiere, insbesondere der Menschenaffen und Vormenschen, offenbar einen anderen Rahmen.

Ausgrabungen auf 3000 Meter Höhe

Basis der Untersuchungen sind Ausgrabungen in der Umgebung des mehr als 3000 Meter hohen Mount Moroto, eines inaktiven Vulkans, der zum Ostafrikanischen Graben gehört. Der Fundort liegt in Uganda nahe der Grenze zu Kenia. In dieser Region hatte der britische Geologe William Bishop in den 1960er-Jahren an den Ausläufern einer kleinen Erhebung namens Kogole Fossilien von Menschenartigen entdeckt und zunächst der ausgestorbenen Primatengattung Proconsul major zugerechnet.

Funde aus den 90er-Jahren dort führten zu einer Neueinteilung als Morotopithecus bishopi, was so viel bedeutet wie Affe aus Moroto, der Zusatz bishopi erinnert an den britischen Forscher. Die Zuordnung uralter Fossilien und ihre Typisierung sind oft umstritten. Meist sind nur wenige Knochenfragmente vorhanden, häufig fehlen Zähne, die Aufschlüsse über die Ernährung geben können.

«Die erste Überraschung war, dass diese frühen Menschenaffen Blätter frassen.»

Laura MacLatchy, Paläoanthropologin Universität Michigan

Ein internationales Team unter Leitung der Paläoanthropologin Laura MacLatchy von der Universität von Michigan untersuchte nun Ernährung und Bewegungsapparat dieses rund 35 Kilogramm schweren Menschenaffen. Er lebte vor 21 Millionen Jahren, wie die Datierungen der Fundschicht ergaben, in der Region zwischen Turkana- und Viktoriasee, zu einer Zeit, als sich aufgrund von Vulkanausbrüchen der Ostafrikanische Graben bildete. Die Erde zog sich auseinander, die Region hob sich an, was zu grossen Unterschieden in der Topografie und damit in Klima und Vegetation führte. Eine neue Landschaft anstelle des geschlossenen Waldes entstand, mit Seen und Gebirgszügen, Steilhängen und Tälern – und Graslandschaften.

Forscher nehmen Proben an einer Fossilienfundstelle im Norden Kenias.

Vor allem der Aufbau seines kurzen Oberschenkelknochens deutete darauf hin, dass der Morotopithecus in dieser neuen Welt aufrecht unterwegs war – aber anders als gedacht. Die bisherige Vorstellung war, so MacLatchy, dass so ein «Affe mit einem aufrechten Rücken in Wäldern leben und Früchte essen muss». Aber dann begannen die Forscher, Daten des Fossils und der Fundschicht auszuwerten. Sie stiessen auf Spuren anderer Säugetiere, untersuchten auch die uralten Böden und fanden winzige Silikatpartikel von Pflanzen, sogenannte Phytolithen, die den Pflanzen ihre Struktur verleihen. Die Forscher rekonstruierten damit die Umgebung des Morotopithecus.

«Die erste Überraschung war, dass diese frühen Menschenaffen Blätter frassen», wird MacLatchy in einer Mitteilung zitiert. Den Hinweis lieferten die Backenzähne der Tiere. Das Profil der Zähne ist sehr kantig und zerklüftet. Solche Zahnflächen seien ideal, um faserige Blätter zu zerkleinern. Backenzähne, die eher Früchte und Obst zerkleinerten, seien glatter und runder.

Ihr Team untersuchte auch den Zahnschmelz der Menschenaffen und anderer Säugetiere, deren Reste in der gleichen Schicht gefunden wurden, also aus der gleichen Zeit stammen. Die Isotopenverhältnisse von Kohlenstoff, also die relative Häufigkeit zweier Isotope des Elements im Schmelz, wiesen darauf hin, dass viele Säugetiere am Mount Moroto sich von sogenannten C4-Gräsern ernährten. Diese sind aufgrund ihres besonderen Stoffwechsels und ihrer effektiven Art, Fotosynthese zu betreiben, sehr gut an heisse, trockene Umgebungen angepasst. Heutige Graslandschaften wie etwa Savannen, die rund vierzig Prozent der Landoberfläche der Erde bedecken, werden von C4-Gräsern dominiert.

Um zu sehen, wie häufig diese C4-Gräser im Miozän waren, sammelte ein weiteres Forscherteam Umweltdaten von neun über das östliche Äquatorialafrika verteilten Fundorten fossiler Affen. Die Analysen ergaben, dass in der Region eine breite Palette von Pflanzen wuchs, sie reichte von Bäumen und Sträuchern bis hin zu Gräsern in Savannen. Phytolithen schliesslich gaben Aufschluss über den Anteil der C4-Gräser: Diese waren offenbar im gesamten östlichen Äquatorialafrika reichlich vorhanden.

Spätere Vormenschen eint: Sie konnten gut klettern – und zu Fuss gehen

Das Ergebnis werfe die bisherigen Theorien zur Entstehung der Dominanz von C4-Gräsern über den Haufen, sagt Thomas Lehmann vom Senckenberg-Forschungsinstitut und -Naturmuseum Frankfurt, der an der Studie beteiligt war. Bereits vor 17 bis 21 Millionen Jahren habe es lokal ausgedehnte C4-Gras-Landschaften gegeben, vergleichbar mit den heutigen Savannen. Sie waren offenbar Teil heterogener Lebensräume, die von Wäldern bis zu spärlich bewaldetem Grasland reichen. «Unsere Daten verschieben den ältesten Beleg für die von C4-Gras dominierten Lebensräume in Afrika und weltweit um mehr als 10 Millionen Jahre.»

Für die Evolution der Menschenaffen haben diese Befunde grosse Bedeutung. «Wir konnten erstmals zeigen, dass diese offenen, saisonalen Wald­ökosysteme die Evolution verschiedener Säugetierlinien geprägt haben, einschliesslich wie sich unterschiedliche Affenlinien entwickelt haben», sagt der Anthropologe John Kingston, der an beiden Arbeiten beteiligt war, in einer Mitteilung der University of Michigan. Laura MacLatchy ergänzt: «Nimmt man Fortbewegung, Ernährung und Umwelt zusammen, haben wir ein neues Modell für die Ursprünge der Affen entdeckt.»

Fundstücke des menschenartigen Affen Morotopithecus bishopi: Ein Wirbel, ein Teilgesicht mit Oberkiefer und ein Oberschenkelknochen (von links).

Doch wie ging die Reise weiter? Die Situation am Mount Moroto mit dem Morotopithecus und diejenige an anderen, späteren Fundorten von Vor- und Frühmenschen könnten sich durchaus ähneln. Auch die Wiege der Menschheit Millionen Jahre später könnte von Gräsern umgeben gewesen sein. Und die Fragen sind dieselben: Wie, wo, wann genau haben sich die Wesen in den Bäumen und dann später auf dem Boden aufrecht bewegt? Der einzige Unterschied: Bei Vormenschen geht es nicht nur um den aufrechten Rücken, sondern um den kompletten aufrechten Gang.

Weniger dicht bewaldete Gebiete oder Randzonen von Wäldern mit angrenzendem Grasland gelten auch für eine mögliche Evolution der Frühmenschen als Schlüsselregionen. Bis es so weit war, war es vom Morotopithecus aus gesehen noch ein weiter Weg. Der aufrechte Gang könnte nach heutiger Meinung vor rund 6 bis 7 Millionen Jahren entstanden sein. Im vergangenen August berichteten Forscher in «Nature» darüber, dass der Vormensch Sahelanthropus tschadensis zwar auch noch in Bäumen unterwegs war, also gut klettern konnte, sich aber meist auf zwei Beinen am Boden bewegte.

Der Vormensch aus der Djurab-Wüste im nördlichen Tschad, also weit weg von den klassischen Fundorten anderer Vormenschen in Ostafrika, wäre demnach vor 7 Millionen Jahren der erste Spaziergänger gewesen. Seine ebenfalls entdeckten Unterarmknochen deuten zugleich darauf hin, dass er fest zupacken konnte, ein Vorteil beim Klettern. Auch die Vormenschenart Orrorin tugenensis vor 6 Millionen Jahren konnte aufrecht gehen, sie war im heutigen Kenia unterwegs. Später auch der Ardipithecus vor 4,4 Millionen Jahren oder die berühmte 3,2 Millionen Jahre alte Lucy aus der Gattung Australopithecus afarensis, beide dann in Äthiopien. So diffus das Bild, so unterschiedlich die Regionen, diese Wesen eint: Sie alle konnten sowohl gut klettern wie zu Fuss gehen.