Kantonale WahlenWarum die grüne Welle verebben könnte
Grüne und Grünliberale reihen derzeit Erfolg an Erfolg. Doch das könnte täuschen: Die echte Bewährungsprobe für das Ökolager steht jetzt erst bevor.
Plus fünf Sitze im Wallis, plus drei in Solothurn: Die Grünen vermochten ihren seit langem anhaltenden Siegeszug durch die kantonalen Parlamente am Sonntag fortzusetzen. Auch die Grünliberalen zeigten sich in Form. Im Walliser Grossrat sind sie vorderhand zwar weiterhin nicht vertreten. In Solothurn dagegen verdoppelten sie ihre Sitzzahl von drei auf sechs.
Rechnet man alle Sitzverschiebungen in den Kantonsparlamenten seit den letzten nationalen Wahlen zusammen, bestätigt sich das Bild: Die Grünen sind mit einem Gewinn von insgesamt 32 Sitzen die überragenden Sieger, gefolgt von den Grünliberalen, die um 25 Sitze zulegen konnten. Die Bundesratsparteien dagegen verlieren allesamt, am stärksten die FDP mit minus 20 Sitzen.
Selbst die Covid-Pandemie, die das zeitweilig dominierende Klima-Thema aus den Schlagzeilen verdrängt hat, konnte somit den Aufwärtstrend der grünen Kräfte nicht stoppen. Die grüne Welle – unaufhaltsam? Ein genauerer Blick auf die Resultate führt zu einem differenzierteren Schluss. Er macht deutlich, dass den G-Parteien die echte Bewährungsprobe womöglich erst bevorsteht:
In zehn Kantonen fanden seit 2019 Wahlen statt, in acht davon traten die Grünen als eigenständige Kraft an, und überall legten sie zu. In sechs dieser acht Kantone hatten die Grünen die Wahlen in der Legislatur davor allerdings verloren. Erst in zwei Kantonen vermochten sie einen vorangegangenen Erfolg zu bestätigen: Basel-Stadt und, jetzt neu, Wallis. In Solothurn hingegen hatten sie vor vier Jahren noch leichte Verluste zu verzeichnen.
Bei den Grünliberalen ist die Situation ähnlich. Sie traten seit 2019 in neun von zehn Kantonen an und verzeichneten breiten Zuwachs – doch in fünf dieser Kantone hatten sie in der Legislatur davor eine Niederlage einstecken müssen.
Bei beiden Parteien, ausgeprägt vor allem bei den Grünen, setzte die Erfolgsserie etwa zur Mitte der vorangegangenen Legislatur ein, also vor ungefähr vier Jahren. Überall fanden seither Wahlen statt, überall ging es für das Ökolager aufwärts. Für die Zeit vor 2017 sieht die Bilanz hingegen weniger rosig aus.
Teilweise unter Erwartung
Um beim Bild der grünen Welle zu bleiben: Sie ist jetzt einmal rund um das ganze Land geschwappt. Sehr bald wird man sehen, ob sich darüber eine neue Schicht auftürmt – oder ob die Welle wieder verebbt.
Politgeograf Michael Hermann schliesst Letzteres nicht aus. «Im Kanton Aargau zum Beispiel haben die Grünen 2020, gemessen an den Ergebnissen der letzten nationalen Wahlen, unter Erwartung abgeschnitten.» Hermann hält es für denkbar, dass Pandemie und Wirtschaftskrise mittelfristig wieder Sozial- und Wirtschaftsthemen Schub verleihen. Davon würde tendenziell die innerlinke Konkurrenz profitieren, und es könnten Wählerinnen und Wähler von den Grünen zurück zur SP wandern.
Grünen-Präsident Balthasar Glättli ist allerdings zuversichtlich. Er geht davon aus, dass der Klimawandel «das grosse Thema der nächsten anderthalb Jahrzehnte bleiben wird, zusammen mit der Digitalisierung». Und er vermutet, dass selbst die Corona-Krise der Klimabewegung eher hilft: «Die Leute sehen auf einmal, was die Politik alles bewegen kann, wenn sie will. Und sie fragen sich, warum das beim Klimaschutz nicht auch geschieht.»
Und die Verlierer?
Am anderen Ende der Erfolgsskala hofft insbesondere die FDP auf eine baldige Trendwende. Genauer gesagt: Sie hofft, dass die Wende am Wochenende eingesetzt haben könnte. Im Kanton Wallis legte die Partei leicht zu, in Solothurn verlor sie zwar, blieb aber stärkste Kraft.
Dass die von FDP-Präsidentin Petra Gössi angestossene interne Klimadebatte viele angestammte Freisinnige vergrault haben könnte, glaubt man in der Partei offiziell nach wie vor nicht. «Das Thema bewegt unsere Basis, das hat die Diskussion gezeigt. Bedauern kann man höchstens, dass wir sie nicht schon früher geführt haben», sagt Vizepräsident Andrea Caroni. Die politische Grosswetterlage, die zuletzt die Grünen bevorteilt habe, sei kaum beeinflussbar. Caronis Erfolgsrezept für die Zukunft lautet dementsprechend: «Liberal geradlinig politisieren.»
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