Leitartikel zur BankenkriseWarum dem Bundesrat ein Dämpfer guttut
Geht es um den Finanzplatz, setzt der Bundesrat auf Geheimniskrämerei und Notrecht. Bringt ihn das Nein des Nationalrats zum CS-Deal nun zur Räson?
Wer hätte gedacht, dass es so ausgehen würde? 246 Parlamentarierinnen und Parlamentarier waren für diese Woche nach Bern bestellt, um mit dem Kopf zu nicken. An einer ausserordentlichen Session sollten sie nachträglich 109 Milliarden Franken bewilligen, mit denen der Bundesrat die Übernahme der CS durch die UBS ermöglicht hatte. Doch statt zu tun wie geheissen, stimmte der Nationalrat am Mittwoch mit deutlicher Mehrheit Nein.
An der Macht des Faktischen vermag er damit zwar, wenn man den Juristen des Bundes glaubt, nicht zu rütteln. Die vom Bundesrat eingegangenen Verpflichtungen würden unverändert gültig bleiben, betont man in Karin Keller-Sutters Finanzdepartement. Trotzdem hat dieser Entscheid das Potenzial, die Schweiz zu verändern – und zwar zum Guten.
Denn die bundesrätlichen Methoden, was immer man vom Resultat inhaltlich halten mag, sind stossend. Sobald es um Probleme des Finanzplatzes geht, pflegt der Bundesrat auf Kabinettspolitik zu schalten. Schon zur Zeit der UBS-Krise vor fünfzehn Jahren schottete sich die Regierung in kleinen Expertenzirkeln ab, um Lösungen vorzubereiten: unter weitgehendem Ausschluss von Parlament und Öffentlichkeit, aber unter grosszügigem Einbezug der Bankenbranche.
Bei der CS hat sich das Ganze nun wiederholt. Ihre «Rettung» hat das Finanzdepartement im Geheimen mit den Bankenbossen, der Finanzmarktaufsicht und der Nationalbank vorbereitet. Den schliesslich ausgehandelten 109-Milliarden-Deal stellte Finanzministerin Keller-Sutter gegenüber dem Parlament dann als alternativlos hin.
Kriegsrecht gegen eine Firmenpleite
Gravierender noch ist die Neigung des Bundesrats, zugunsten des Paradeplatzes institutionelle Abläufe zu pulverisieren. Als etwa den Grossbanken im Jahr 2013 juristischer Ärger in den USA drohte, wollte die Exekutive innerhalb von nur drei Wochen eine «Globallösung» mit Datenlieferungen (die sogenannte Lex USA) durch das Parlament jagen – ohne vorgängige Vernehmlassung, ohne Kommissionsberatung. Und sowohl das Hilfspaket für die UBS 2008 als auch jenes für die CS 2023 setzte der Bundesrat unter Anwendung von Artikel 185 der Bundesverfassung um: jenem Artikel, der ihm das Recht zu Notverordnungen und -verfügungen gibt, um «schweren Störungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren oder äusseren Sicherheit zu begegnen». Der Bundesrat wandte also quasi Kriegsrecht an, um eine Firma vor der Pleite zu retten. Unser Parlament, das epische Diskussionen über ein paar Millionen zur Rettung des Nationalgestüts führen kann, hatte zum gewaltigsten Kredit aller Zeiten nichts zu melden.
Das nationalrätliche Verdikt vom Mittwoch erklärt sich – bei allem Wahlkampfgeplänkel, das mit hineingespielt haben mag – auch aus dem Frust über diese Situation. Und ist darum womöglich auf seine Weise heilsam. Ein Ja zu den 109 Milliarden hätte zwar ein Beruhigungssignal an die Investoren, aber eben kein Stoppsignal an den Bundesrat ausgesandt. Mehr Transparenz, weniger Notrecht, so muss nun die Reformdevise lauten. Das Parlament muss wieder in die Lage versetzt werden, verantwortungsvoll seine zwei Kernaufgaben wahrzunehmen: Rahmenbedingungen festzulegen und über die Verwendung von Steuergeldern zu entscheiden.
Es mehren sich die Hinweise, dass eine gesunde Schrumpfkur vielleicht nicht die schlechteste aller Optionen wäre.
Dazu ist es erforderlich, dass sich die Bankenbranche endlich in einen ganz normalen Wirtschaftszweig verwandelt. Eine Branche, in der auch mal ein Unternehmen in Konkurs gehen kann, ohne dabei die Volkswirtschaft ganzer Kontinente zu zertrümmern. Die genau zu diesem Zweck geschaffene, im Fall CS aber jämmerlich gescheiterte «Too big to fail»-Gesetzgebung zeigt, wie schwierig dies zu erreichen sein wird. Zwar kursieren allerlei Ideen (Trennbankensystem, höhere Eigenkapitalquoten), aber eben auch allerlei gewichtige Einwände gegen selbige.
Die entscheidende Frage hat Karin Keller-Sutter während der Session selber aufgeworfen: Wir brauchen eine Diskussion darüber, welchen Finanzplatz wir wollen. Die Heimstatt wichtiger «Global Player» zu sein, hat uns viel Geld und noch mehr Ärger eingebracht. Es mehren sich die Hinweise, dass eine gesunde Schrumpfkur vielleicht nicht die schlechteste aller Optionen wäre. Natürlich können wir auch versuchen, im bisherigen System weiterzufahren und uns mit einer neuen Mega-UBS zu arrangieren. Doch dann sei die Prognose gewagt, dass das bundesrätliche «Kriegsrecht» wiederkehren wird. Und dann wird es um Summen gehen, neben denen uns selbst 109 Milliarden bescheiden vorkommen.
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