Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Tipps fürs Wandern
Wie verhält man sich in den Bergen richtig?

Ein Wanderer beim Aufstieg auf den Grossen Mythen, am Samstag, 11. September 2021, bei Brunni SZ. (KEYSTONE/Simon Meier)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Am Pilatus stürzt ein Mann 40 Meter in die Tiefe, in der Region Les Diablerets kommt eine 49-Jährige nach einem Unfall ums Leben, im Domleschg stirbt ein junger Mann nach einem Sturz von einem Felsen, und am Säntis kommt ein Wanderer zu Tode: Das sind nur einige der fatalen Wanderunfälle der vergangenen Wochen. Glücklicherweise gehen weit mehr glimpflich aus.

Doch die Zahlen zeigen: Viele Wanderer unterschätzen die Schwierigkeiten der Routen und die spezifischen Gefahren in den Bergen. Häufig beachten sie das Wetter nicht und sind unzureichend informiert über die Beschaffenheit der Wege oder die Topografie ihrer Tour. Es gibt ein paar Regeln, die jeder kennen sollte, bevor er sich in die Berge begibt.

Vor der Wanderung

Wer kann überhaupt in die Berge gehen?

«Grundsätzlich kann jeder und jede in die Berge, die Lust auf eine Wanderung in dieser Umgebung hat», sagt Franz Güntner vom Deutschen Alpenverein. Wichtig sei jedoch die Balance zwischen den persönlichen körperlichen und mentalen Voraussetzungen und der Bergtour. «Jemand, der keine gute Ausdauer hat, kann natürlich wandern, aber sollte erst mal eine leichte Tour in tieferen Lagen unternehmen, bevor er einen Gipfel besteigt», sagt Güntner.

Zum sechsten Mal findet am 3. August 2024 die Jodlerwanderung in Lyssach statt. In Zeiten des Event-Wandern wollen wir der Frage nachgehen, was Anlässe wie diesen so beliebt macht. Immerhin haben sich bereits wieder über 1000 Personen für die Wanderung angemeldet. © Adrian Moser / Tamedia AG

Wie findet man die passende Route für sich?

Wer sich in der Region, wo er unterwegs sein will, nicht gut auskennt, sollte sich einen Wanderführer kaufen. Es gibt fast für jede Region einen spezifischen Ratgeber. Zudem sind Tourismusorganisationen eine gute Anlaufstelle – egal, ob man mit Kindern, an heissen Tagen oder zu besonderen Sehenswürdigkeiten wandern will. Denn: Sie greifen auf das Wissen von lokalen Experten zurück. Auf dem Tourenportal des Schweizer Alpen-Clubs können Touren zudem nach unterschiedlichen Kriterien wie Streckenlänge, Dauer und Schwierigkeit ausgesucht werden. Inspirationen und Kartenmaterial bieten zudem Plattformen wie Schweizmobil, Swisstopo, Komoot oder Outdooractive.

Wie schätze ich die Länge der Strecke richtig ein?

Wie weit eine Person am Stück wandern kann und wie viele Pausen sie benötigt, ist sehr individuell. «Natürlich kann ein trainierter Wanderer andere Strecken zurücklegen als eine Person, die nur in den Ferien wandern geht», sagt Güntner. Aber auch trainierte Menschen sollten Wanderungen in den Bergen langsam angehen. Denn es gebe andere Gefahren als unten im Tal. «Die ausgeschilderten Wege, die Hütten und die Sicht ins besiedelte Tal sind manchmal trügerisch», sagt er. Sie vermitteln ein vermeintliches Gefühl der Sicherheit.

Jeder sollte daher erst einmal ein Gespür für die alpine Umgebung entwickeln. «Es bringt nichts, sich total zu verausgaben und sich den Rest der Wandertage mit Muskelkater zu quälen», sagt Güntner. Und: «Wer mit letzter Kraft am Gipfel ankommt, der hat bei der Planung was falsch gemacht.» Schliesslich kann auch ein Abstieg sehr anspruchsvoll sein. Für die Planung der Pausen sollten die Hütten entlang des Wanderwegs vorher bekannt sein.

Laut den Schweizer Wanderwegen gelten zur Berechnung der Wanderzeit folgende Faustregeln:

  • Aufstieg: 15 Minuten für 100 Höhenmeter plus 15 Minuten für jeden Kilometer Horizontaldistanz.

  • Abstieg: 15 Minuten für 200 Höhenmeter plus 15 Minuten für jeden Kilometer Horizontaldistanz.

Wie schätze ich die Schwierigkeit der Tour richtig ein?

Eigentlich ist es simpel: «Wenn ich ein Anfänger bin, dann suche ich mir einen Anfängerweg», sagt Güntner. In der Schweiz wird zwischen Wanderwegen (gelbe Markierungen), Bergwanderwegen (weiss-rot-weisse Signale) und Alpinwanderwegen (weiss-blau-weiss ausgeschildert) unterschieden.

Die neue Markierung für den Bergweg und zwei Wanderer unterwegs auf die Sanetsch. Anlässlich einer Reportage für die Sommerserie Via Berna wie man Wanderwege in Stand hält, am 30.06.2022 in Gsteig. Foto: Christian Pfander / Tamedia AG

Wer sich mit der Einschätzung des passenden Schwierigkeitsgrades schwertut, kann den Selbsttest machen, den die Schweizer Wanderwege online zur Verfügung stellen. In einer kurzen Abfrage der individuellen Erfahrungen und Fähigkeiten wird festgestellt, ob man Bergwanderweg-tauglich ist oder nicht. Es gibt jedoch keine allgemeingültige Einschätzung der Trittsicherheit und der Schwindelfreiheit. Diese seien tagesform- und wetterabhängig.

Was muss ich unbedingt mitnehmen?

Ins Gepäck gehören:

  • Erste-Hilfe-Set

  • Handy

  • Sonnenschutz

  • Sonnenbrille mit UV-Schutz

  • Wechselkleidung

  • Regenfeste Kleidung

  • Biwaksack

  • Ausreichend Wasser und Essen

Welches Schuhwerk ist das richtige?

«Sneaker haben nicht das richtige Profil fürs Wandern und gehen nicht», sagt Güntner. Für einfache Wanderungen können es alle Formen von Wanderschuhmodellen sein. Hauptsache, die Sohlen verfügen über eine gute Profilierung. Die Schuhe dürfen weder an den Füssen drücken noch zu gross sein und gehören eingelaufen.

Die Auswahl an Wanderschuhen ist riesig – gute Beratung hilft, das richtige Paar zu finden.

Wie ist das mit dem Wetter?

An besonders heissen Tagen sollten sich die Berggängerinnen möglichst früh auf den Weg machen, zwischen sieben und acht Uhr. Laut Güntner ist es sinnvoll, sich für solche Tage nordseitige Touren oder Routen entlang eines Flusses zu suchen – dort ist es typischerweise kühler. In der Mittagszeit sollte man unter diesen Umständen von Wanderungen auf der Südseite von Bergen eher absehen. «Ich finde es immer wichtig, die Planung unverkrampft anzugehen und die Wanderrouten den Wetterbedingungen anzupassen», sagt Güntner. Eine Trinkblase für in den Rucksack anstelle einer Flasche sei auch gut, um sich regelmässig mit Wasser zu versorgen.

Gerade bei Hitzewellen sind Gewitter gängig, und wo diese effektiv niedergehen, ist schwerer vorauszusagen. «Sie kommen häufig sehr lokal und sehr schnell.» Sei es bereits am Morgen schwül und bildeten sich dann schon Wolkentürme, könne man von einer hohen Gewitterneigung ausgehen. In diesen Fällen sollten Wanderer noch früher starten. Und sich laufend über die Entwicklung der Gewitterzellen informieren. Dafür eignen sich die gängigen Wetter-Apps wie Meteo Schweiz, die über einen Radar und Lokalprognosen verfügen.

Wie informiert man sich über Schneefelder und Steinschlag?

Impressionen von der Windegghütte. 17.09.23

Warum dieses Wirtepaar 20h am Tag krampft, und die Hütte trotzdem defizitär istWarum dieses Wirtepaar 20h am Tag krampft, und die Hütte trotzdem defizitär ist

Im Hochsommer gehen die Schneefelder zurück. In diesem Jahr habe es aber noch spät geschneit, weiss der Experte. Am Alpenkamm gebe es daher mehr Schneefelder als in den Jahren zuvor. «Am einfachsten ruft man bei einer Hütte an und erkundigt sich nach der Schneelage», sagt Güntner. Unberechenbarer ist Steinschlag. Den zurückgehenden Permafrost, wodurch Niedergänge häufig ausgelöst würden, gebe es nicht überall. Steinschlag könne aber auch durch Gämsen oder andere Wanderer verursacht werden.

Während der Tour

Was tun, wenn man vom Weg abgekommen ist?

«Erst mal sollte man stehen bleiben und ruhig versuchen, sich neu zu orientieren.» Der nächste Schritt sei dann, den Weg zurückzugehen. «Auf gar keinen Fall sollte eine vermeintliche Abkürzung genommen werden.» Dies sei sowohl zum Eigenschutz als auch zum Schutz der Umwelt zu unterlassen. Vor der Wanderung solle auch die Wanderroute auf offiziellem Kartenmaterial nachvollzogen und sich nicht allein auf die Navigation durch eine App verlassen werden.

Beim Projekt Heiwaeg werden 10 Jugendliche irgendwo in der Region La-Chaux-de-Fonds ausgesetzt und muessen ohne Handy, nur mit Landkarten den Weg nach Hause, nach Laupen finden. Drei Jugendarbeiter begleiten die Jugendlichen


Die Karten werden meist ausgebreitet und die Gruppe beraet sich, welcher Weg sie einschalgen sollen

Foto entsand in der Naehe des Dorfes Vilars NE, zwischen La Chaux de Fonds und Neuchatel



© Franziska Rothenbuehler | Tamedia AG

Was tun, wenn man sich übernommen hat?

«Es ist absolut keine Schande, umzudrehen», sagt Güntner. Häufig erlebe er, dass aufgrund eigener hoher Ansprüche stur an einer Route festgehalten werde, ohne das eigene Wohlbefinden und das der Gruppenmitglieder zu berücksichtigen. Viele unterschätzten auch den Abstieg und würden nur an den Gipfel denken. Auf dem Rückweg passierten dann wegen zu grosser Erschöpfung die Unfälle. «Es gilt: immer auf das schwächste Glied hören, eine Pause einlegen und wenn nichts mehr geht, umdrehen.»

Was macht man, wenn man Angst bekommt und sich nicht mehr weitertraut?

«Tatsächlich sind Blockaden mit die häufigsten Fälle, bei denen die Bergwacht gerufen wird.» Bevor es zum Notruf komme, könne die verängstigte Person aber auch versuchen, sich abzulenken. Erfahrenere Begleitpersonen könnten die Person auch unterstützen, indem sie versuchten, diese anzuleiten. «Nicht nach unten schauen und pfeifen kann auch helfen.» Wichtig ist, wenn irgendwie möglich wieder zur Ruhe zu kommen, bevor es weitergeht. Unsicherheit ist nämlich kein guter Begleiter.

Wo kann man Quellwasser trinken und wo nicht?

Aus Quellen sollten Wanderer nur trinken, wenn sie sich sicher sein können, dass diese nicht durch den Dung von Tieren oder Kadavern verunreinigt sind. «Ich selbst trinke nur sehr selten aus Bächen und gehe lieber mit eigenen Wasserreserven auf Nummer sicher», sagt der Experte. Eine gute Wasserreserve für eine Wanderung beträgt zwei bis drei Liter. Quellen, die in Karten eingezeichnet sind, seien zwar vertrauenswürdiger, jedoch trockneten diese auch schnell aus. Auf dem Markt sind vermehrt Filter in Form von Strohhalmen erhältlich, die Wasser reinigen. Mit denen kann man eher aus Wasserläufen trinken.

Wie wandert man, ohne die Natur zu stören?

«Bitte nicht mit Bluetooth-Boxen wandern», sagt Güntner. Es komme immer häufiger vor, dass Leute mit lauter Musik unterwegs seien. Das störe sowohl die Tiere als auch andere Menschen. Ebenso seien Wanderungen in der Dämmerung für Tiere besonders störend. «Die Berge hier sind nicht wie in Alaska, wo wenige Menschen leben.» Daher sei es wichtig, den wenigen Raum, den die Tiere noch für sich hätten, nicht auch noch einzunehmen.

Wenn doch etwas passiert

Wie Erste Hilfe leisten?

«Treat first, what kills first», sagt Güntner. Also: Behandle zuerst, was zuerst tötet. Bei starken Blutungen etwa zähle jede Sekunde. Wenn die betroffene Person nur eine Begleitperson hat, sei es wichtig, dass diese zuerst einen Druckverband anlege und dann erst den Notruf kontaktiere. Die verletzte oder bewusstlose Person sollte zudem warm gehalten werden. Die Körpertemperatur fällt schnell ab, besonders in den Bergen, wo es kühler sein kann. Bei Steinschlag oder umstürzenden Bäumen sei es zudem wichtig, dass sich die Ersthelfer nicht in die Gefahrenzone begäben. Bis die Retter eintreffen, sollte die Begleitperson bei der verletzten Person bleiben.

Was tun, wenn man selber verletzt ist?

Wanderer, die allein unterwegs sind, sollten je nach Grad der Verletzung den Notruf wählen. «Wenn kein Netz da ist, was leider häufig vorkommt in den Bergen, dann müssen sie mit lauten Rufen auf sich aufmerksam machen», sagt Güntner. Es sei zum Glück auch so, dass viele Wanderer sehr sensibel seien für Hilferufe. «Es passiert häufiger, dass wir angerufen werden, weil Wanderer glauben, Notsignale in den Bergen zu sehen, die sich dann häufig beispielsweise als Stirnlampen von Trailrunnern herausstellen», sagt Güntner.

Wen ruft man an?

In der Schweiz ist die Rega in Notfällen in den Bergen immer eine wertvolle Adresse. Sie ist unter 1414 zu erreichen. Der allgemeine Notruf 112 gilt innerhalb der EU-Staaten und der Schweiz. Wichtig beim Notruf ist auch, dass man für die Retter erreichbar bleibt und nicht anfängt, andere Menschen anzurufen.

Wanderunfälle. Rega-Sanitäter Markus Reichenbach. Rega übung auf dem Grenchenberg beim Restaurant Stierenberg. Foto: Beat Mathys / Tamedia AG.

Beim Notruf selbst sollten die Wanderer auch die Umgebung beschreiben können. Die Notrufstellen könnten die GPS-Daten beim Anruf zwar abrufen, vor Ort finden sie die in Not geratenen Menschen aber von blossem Auge. Für die einfachere Lokalisierung hat ein Bündner Start-up den sogenannten Airmarker entwickelt, den Wanderer mitführen können. Den Rettern helfen zudem Angaben zur Wetterlage vor Ort, um einschätzen zu können, ob ein Helikopter anfliegen kann.

Um auch ohne Netz einen Notruf absetzen zu können, sei es sinnvoll, Geräte zu verwenden, die Signale an Satelliten übermitteln können (zum Beispiel Garmin inreach, aber auch iPhone 14 und neuer). Notrufe, die über Satellit abgesetzt werden, gehen jedoch nicht direkt bei der zuständigen Rettungsstelle ein. Sie werden erst über eine Vermittlungsstelle des jeweiligen Anbieters weitergeleitet, von dem der Notruf via Satellit unterstützt wird.