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Debakel bei der A9
Für die zu schmal gebaute Autobahn will niemand verantwortlich sein

Sie würden im Wallis gern mehr Autobahnabschnitte eröffnen, aber beim Bau der A9 gibt es nach wie vor erhebliche Probleme: Valentina Kumpusch, Astra-Vizedirektorin, Regierungsrat Franz Ruppen (SVP, VS), Jürg Röthlisberger, Astra-Direktor, und Martin Hutter, Chef des Walliser Autobahnbaus (von links). 
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Inkompetenz, Geldverschwendung, Mehrkosten, Copinage, falsche Rechnungen und Korruption: Nie gab es rund um den Bau eines Teilstücks einer Schweizer Autobahn mehr Missstände als bei der Erstellung der A9 im Oberwallis. Dabei ist das Teilstück zwischen Siders und Brig bloss 35 Kilometer lang. Die Arbeiten begannen vor über 30 Jahren und werden voraussichtlich erst 2035 definitiv beendet sein. Die Kosten sind mit 4,4 Milliarden Franken veranschlagt, wovon der Bund 96 Prozent übernimmt. Bauherr ist jedoch der Kanton Wallis.

Weil im Oberwallis über die Jahre Debakel auf Debakel folgte, beobachtet der Bund den Autobahnbau seit langem sehr genau. Doch auch das genügt offenbar nicht. Mitte März 2022 deckte der Walliser Lokalfernsehsender Kanal 9 auf, dass die Autobahn auf 500 Metern um 50 Zentimeter zu wenig breit gebaut worden war. Das sogenannte Autobahnbankett war zu kurz. Es fehlte der schmale Asphaltstreifen als Untergrund für den Bau der Leitplanken und das Aufstellen von Verkehrssignalen. «Ein Scheiss» sei das, kommentierte Martin Hutter, Chef der Dienststelle für Nationalstrassenbau, den Fauxpas auf Kanal 9.

In Bern fragte man sich: Warum war das niemandem aufgefallen? Wer trägt die Verantwortung? Wer zahlt die Mehrkosten?

Die Finanzdelegation der Eidgenössischen Räte, die höchste Kontrollinstanz des Bundes, schickte die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) ins Wallis, um Klarheit zu schaffen. Doch selbst die EFK-Fachleute kapitulierten. Das gibt die Behörde in einem denkwürdigen Prüfbericht unumwunden zu – und fand sogar weitere Mängel.

Die EFK schreibt: «Zwischen den Projektbeteiligten gibt es grosse Meinungs­verschiedenheiten über die Fehlerursache der Baumängel.» Die «mögliche Fehlerquelle» vermutete die EFK «in der digitalen Planung und der Übergabe der Datensätze vom Planer an die Unternehmer respektive der Datenverarbeitung durch den Unternehmer».

Die EFK bat offenbar um einen Einblick «in unternehmens­interne Vorgänge», doch diese bekam die Bundesbehörde nicht. Sie schreibt: «Eine abschliessende Untersuchung der Ursachen muss also im Interesse des Bauherrn sein, da ohne die Klärung sowohl ein Kosten- als auch ein Wiederholungsrisiko besteht.»

«Der falsche Einbau der Asphaltschicht wäre visuell erkennbar gewesen.»

Aus einem Prüfbericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle

Die Finanzkontrolleure sparen nicht mit Kritik. Sie schreiben: «Der falsche Einbau der Asphaltschicht wäre visuell erkennbar gewesen, da diese Schicht planmässig nicht bis auf die Böschungskante geht. Zudem hätte mit einer einfachen Messung der Breite, ohne merklichen Mehraufwand, der Ausführungsfehler entdeckt werden können.» Die Baudokumentation weist zudem erhebliche Lücken auf.

«Die Verantwortlichen innerhalb des Kantons müssen ein gewisses Versagen in diesem Bereich zur Kenntnis nehmen.»

Walliser Departement für Mobilität, Raumentwicklung und Umwelt

Im Departement für Mobilität, Raumentwicklung und Umwelt des Walliser Staatsrats Franz Ruppen (SVP) zeigt man Verständnis für die Kritik aus Bern. «Die Verantwortlichen innerhalb des Kantons müssen ein gewisses Versagen in diesem Bereich zur Kenntnis nehmen und die Lehren daraus ziehen», schreibt das Departement in einer Stellungnahme. «Der Staatsrat und ich als Departementsvorsteher sind sich der Wichtigkeit im Umgang mit Steuergeldern bewusst», hält Regierungsrat Ruppen fest.

Die Kosten für die Verbreiterung der zu schmalen Autobahn belaufen sich auf 400’000 Franken. Es ist weiter unklar, wer zahlt. Die Bauarbeiten laufen derweil weiter, unter anderem im Riedbergtunnel und im Tunnel Raron. 

Bis vor Bundesgericht gestritten

Gemäss Darstellung der EFK ist die Zusammenarbeit des Bundesamts für Strassen (Astra) in Bern und der Walliser Dienststelle für Nationalstrassenbau wegen des Autobahnbaus im Wallis nicht spannungsfrei. Das Astra habe «regelmässig wesentliche Mängel mit zum Teil erheblichen finanziellen Auswirkungen auf die Baustellen im Oberwallis aufgezeigt», hält die EFK fest. So wies das Astra die Forderung eines Bauunternehmers zurück, der nach Beendigung seines Auftrags beim Eyholztunnel mit einem Volumen von 465 Millionen Franken zusätzlich 50 Millionen Franken verlangte. 

Astra-Sprecher Thomas Rohrbach bestätigt dies. Er sagt: «Auf Drängen des Astra und der Kantonalen Finanzkontrolle Wallis hat die Dienststelle für den Nationalstrassenbau die Nachtragsforderung gerichtlich bestritten.» Nach den Walliser Gerichtsinstanzen hat am 1. Februar auch das Bundesgericht entschieden, dass der Bauunternehmer nur rund 300’000 Franken statt der verlangten 50 Millionen Franken bekommt. «Der Fall ist mit dem Urteil des Bundesgerichts zu unseren Gunsten erledigt», so Astra-Sprecher Rohrbach.

«Es wurden bisher keine längerfristigen Lehren gezogen.»

Aus einem Prüfbericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle

Doch auch im Fall des Riedbergtunnels gibt es offenbar erhebliche Divergenzen zwischen dem Astra und der Walliser Dienststelle. Es geht um Baukosten und Auftragsvergaben. Das Astra weigert sich, Ausschreibungen freizugeben. Die Walliser Dienststelle hält mit Gutachten von Anwälten und Ingenieuren dagegen. Das Dossier Riedbergtunnel ist blockiert. 

Die EFK beurteilt die Situation rund um den Bau der A9 als «besonders besorgniserregend», auch weil die Projektbeteiligten die Ursachen der Mängel bislang nicht aufgearbeitet hätten. Der Walliser Chefautobahnbauer Martin Hutter teilt diese Besorgnis nicht. Er sagt: «Es ist eine Herausforderung, das Netz fertigzustellen mit vielen Ansprechpartnern und äusseren Einflüssen. Da passieren auch Fehler.» Gemäss Hutter läuft «der Autobahnbau zwischen Brig und Susten aber gut».