Unikat am WalenseeDie Marienschwestern kombinieren Gastfreundschaft mit spirituellen Werten
Hier innere Einkehr in der Marienkapelle, dort Oktoberfest-Stimmung im Hotelrestaurant: Das Hotel & Zentrum Neu-Schönstatt führt zwei ganz verschiedene Welten zusammen.

- Das Hotel Neu-Schönstatt wurde 2021 zu einem 3-Stern-Superior-Haus umgebaut.
- Michael Gehring leitet das Hotel und möchte vielfältige Gästegruppen ansprechen.
- Schwester Gloria betont die Bedeutung von Spiritualität, Gastfreundschaft und Herzlichkeit.
- Das angeschlossene Jugendzentrum beherbergt bis zu 80 zusätzliche Gäste.
Schwester Gloria Lopez gibt sich unversehens als temperamentvolle Spanierin zu erkennen: «Ja», ruft sie, «Tanzen ist wundervoll. Ich hätte gern Gäste hier, die tanzen.» Da kommen doch gleich Erinnerungen an die vor ein paar Jahren abgesetzte ARD-Serie «Um Himmels Willen» auf, in der Schwester Hanna (Janina Hartwig) schon mal eine kesse Sohle aufs Parkett legte.
Aber wir sind nicht im Kloster Kaltental in der bayerischen Provinz, sondern in Quarten SG, und die gebürtige Madrilenin Gloria wacht auch nicht über ein Nonnenkloster, sondern über eine Gemeinschaft der Marienschwestern von Neu-Schönstatt.

Ein wenig Bayern kommt doch noch ins Spiel: Michael Gehring ist gebürtiger Allgäuer, Hotelier mit Herz und Seele und seit August 2023 der Chef im Hotel & Zentrum Neu-Schönstatt. Gehring hatte zusammen mit seiner Frau Marlies das Romantikhotel Alpina in Tschiertschen GR zu einer Topadresse geformt und sich in der hiesigen Branche einen Namen gemacht.
Alle Gäste willkommen
«Als ich zum ersten Mal hier oben stand und über den See zu den Churfirsten blickte, spürte ich: Dieser Ort ist etwas Besonderes», sagt der Hotelier. Dank seinem offenen Wesen, der Empathie und dem trockenen Humor ist Gehring der Mann für ein Projekt, das die reine Lehre der Hotellerie Lügen straft.
Denn Neu-Schönstatt konzentriert sich nicht auf eine klar definierte Gästegruppe, wie das in Hotelfachschulen doziert wird, sondern auf eine Mischung von Event- und Seminarteilnehmenden, Geschäftsreisenden, Restaurantbesuchern, individuellen Feriengästen sowie Wintersportlern, die auf dem nahen Flumserberg in die Bindung steigen. Dazu kommen bis zu 80 Gäste, die im angeschlossenen Jugendzentrum nächtigen. «Alle kommen gut aneinander vorbei, weil die Anlage so riesig ist», sagt Hotelboss Gehring.
Aber wie um Himmels willen kam dieses Unikat an den Walensee?

1954 gründeten die katholische Schönstätter Marienschwestern ihren Schweiz-Stützpunkt auf 550 Meter über Meer. Von Quarten aus lenkt Schwester Gloria Lopez als Provinzoberin neben den helvetischen Institutionen der Marienschwestern das Missionswerk in Burundi.
Der Pädagoge Pater Josef Kentenich hatte die Bewegung 1914 in der Nähe von Koblenz (D) ins Leben gerufen mit dem Ziel, dem katholischen Glauben neben der Kirche vermehrt auch im realen Leben zu folgen. Schönstatt besteht aus Gemeinschaften von Frauen oder Männern, die sich nicht via Gelübde auf Lebenszeit, sondern per kündbarem Vertrag binden, und aus weltlichen Gruppen, Einzelpersonen und Paaren. Der wahre Kraftort der meisten Schönstatt-Locations ist das Heiligtum, eine Marienkapelle, in der die Luft ob der vielen brennenden Kerzen schwer und das Licht dämmrig ist.

Der hauseigene Priester hält an sechs Tagen die Woche um 7.15 Uhr eine Frühmesse. Ausserdem treffen sich die über 20 meist älteren Schwestern dreimal täglich zum Gebet. Sie wohnen im Provinzhaus, gleich neben dem Zentrum oder im Hotel, und fügen sich in ihren dunkelblauen Kleidern, die Krankenschwesteruniformen früherer Tage ähneln, ins Bild des Zentrums ein.
«Unsere Schwestern sind eine grosse Bereicherung», sagt Michael Gehring. Provinzvorsteherin Gloria doppelt nach: «Wir sorgen mit einem Lächeln für eine gute Stimmung.»

Die Schwestern erfüllen extern oder in der Organisation von Neu-Schönstatt je nach Ausbildung und Talent eine Aufgabe: Schwester Margareth überwacht die Finanzen, Schwester Renata-Maria empfängt die Gäste im Zentrum, und Schwester Michelle (89) faltet im Keller die Wäsche so akkurat wie seit Jahrzehnten.
Das Hotel selbst war ursprünglich eine bescheidene Herberge, ein Teil des 1976 erbauten Bildungszentrums. 2021 investierte die Gemeinschaft in ein schickes 3-Stern-Superior-Haus mit 7 Etagen, 59 Zimmern und 6 Apartments sowie einer kleinen Wellnessoase samt Traumblick. «Es war ein sehr mutiger Schritt», erinnert sich Gloria Lopez. «Wir mussten das Hotel via Bank finanzieren und uns an einiges gewöhnen, was nicht so recht in unser Weltbild passte.» Sie zielt etwa auf das digitale Self-Check-in mittels Kreditkarte, das den Hotelgästen die Anreise auch in der Nacht erlaubt.
Spiritualität mal anders
Ein Hotel dieser Dimension, ein grosses Restaurant, ein Veranstaltungssaal und 14 Seminarräume verlangen seriöses Management und Profis an der Front. «Wir wollen weltoffen und agil sein und haben ein gutes Herz, aber wenig Sinn für wirtschaftliche Zusammenhänge», gesteht Schwester Gloria.

Hoteldirektor Gehring soll die Auslastung verbessern, neue Gästegruppen ansprechen, Ideen umsetzen und auch die den Schwestern so wichtige Spiritualität neu denken – als Mix aus Gastfreundschaft, Geborgenheit und Herzlichkeit. Passend der neue Slogan: «Feel the Spirit».
Apropos neue Ideen: Zum Tanzen würde Schwester Gloria ihren Segen erteilen, für Yoga-Kurse scheint Neu-Schönstatt aber noch nicht reif, trotz idealer Location. Immerhin hat Gehring ein Oktoberfest im Restaurant inszeniert mit Bier, Hendln und Haxn. Gloria Lopez und die Marienschwestern machten gute Miene und verfolgten den Spass diskret. «Wir sind alle Menschen», sagt die Spanierin. «Und hat der Herr nicht bei der Hochzeit von Kana Wasser in Wein verwandelt?»
Hotel & Bildungszentrum Neu-Schönstatt, Quarten SG, Neuschoenstatt.ch
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