FPÖ steuert auf Wahlsieg zu«Volkskanzler» Kickl setzt auf Abschottung und «Remigration»
Die Rechtsaussenpartei will Österreich radikal umbauen. Kritiker sprechen von gefährlichen Ideen, die Freiheit und Demokratie bedrohten.
«Als Volkskanzler werde ich vom ersten Tag an alles tun, um den Österreichern ihre Freiheit zurückzugeben», schreibt Herbert Kickl in der Einleitung des Wahlprogramms der FPÖ. Sie hat beste Chancen, bei den Nationalratswahlen Ende September zur stärksten Partei zu werden. Mit dem Begriff der Freiheit lässt sich gut Wahlkampf machen – denn wer ist schon gegen Freiheit? (Lesen Sie zum Thema: «Österreichs Rechtspopulisten wollen an die Macht».)
Doch hätte der selbst ernannte Volkskanzler die Macht im Land, wollte er Österreich wohl zu einer illiberalen Demokratie umbauen – nach dem Vorbild von Viktor Orbans Ungarn. Beispielsweise wären Justiz und öffentlich-rechtliche Medien nicht mehr unabhängig, Migranten und andere Minderheiten hätten weniger Rechte, sogar Menschenrechte würden teilweise zur Disposition gestellt. In der FPÖ selbst spricht man von einer «Dritten Republik Österreich», was schon Kickls Idol Jörg Haider (1950–2008) als Ziel formuliert hatte.
Ausweisung von Migranten soll forciert werden
Die österreichischen Freiheitlichen sind eine Partei, in der rechtsextreme Ideologien populär sind, so etwa die Verschwörungserzählung vom Bevölkerungsaustausch. Damit verbunden ist die Forderung nach «Remigration» von zugewanderten Menschen.
«Wir brauchen Remigration», sagte FPÖ-Chef Kickl bei der kürzlichen Vorstellung seines Wahlprogramms. Die Ausweisung von Migranten in ihre Heimatländer müsse forciert werden. Ausserdem solle die Zahl der Asylanträge auf null heruntergefahren werden, da Österreich von sicheren Drittstaaten umgeben sei. Um die Zuwanderung unattraktiv zu machen, wendet sich die FPÖ auch gegen die Möglichkeit der Familienzusammenführung.
Sozialleistungen nur für Österreicher
Die Freiheitlichen planen eine härtere Gangart gegen illegal anwesende Migranten und Asylbewerber: Sie sollen keine medizinische und pflegerische Versorgung erhalten – ausgenommen sind Notversorgung und Schwangere. Das heisst, dass Österreich ein Land werden soll, in dem nicht mehr alle Kranken behandelt werden, wie Kritiker der FPÖ bemerken. Das Recht auf Asyl möchte Kickl mittels eines «Notgesetzes» aussetzen. Und Sozialleistungen sollen österreichischen Staatsbürgerinnen und -bürgern vorbehalten sein.
Im Wahlprogramm sind die migrations- und asylpolitischen Vorschläge unter dem Stichwort «Homogenität» zusammengefasst. Das Ziel: ein Österreich mit möglichst wenig Migranten. Gemeint sind vor allem Zugewanderte aus islamisch geprägten Ländern. Muslimfeindlichkeit hat Tradition in der FPÖ: Sie möchte die angebliche «Islamisierung Österreichs» verhindern.
Im Wahlkampf setzt die FPÖ auch auf kulturkämpferische Themen. So sorgt sie sich um die «permanente Transgender-Gehirnwäsche», die auf die «Zersetzung unserer gesellschaftlichen Grundlagen» ziele. Das Staatswesen «leidet», wenn die Menschen zu verschieden seien. Auch hier geht es um Homogenität.
Die Freiheitlichen inszenieren sich auch gern als Kämpfer für die wahren Interessen des Volkes gegen das alte System, die Systemparteien und -medien. Gemäss Wahlprogramm soll das öffentlich-rechtliche Fernsehen und Radio (ORF) stärker kontrolliert werden. Daneben sollen FPÖ-nahe Medien, darunter einige Fake-News-Kanäle, staatlich gefördert werden. Weil «rechte Politik und Meinungen tendenziell kriminalisiert werden», möchte die FPÖ, dass Hass im Netz nur bestraft werden soll, wenn es um konkrete Aufrufe zu Gewalt geht.
Kritiker sehen Anleihen beim Faschismus
Eine weitere Idee gegen den «linken gesellschaftlichen Mainstream» ist die Einrichtung einer «Meldestelle gegen politisierende Lehrer». Dabei würde es zu Denunziationen durch Schüler kommen. Eine weitere Forderung ist der Ausbau der direkten Demokratie. So sollen durch Volksinitiativen einzelne Minister oder gar die ganze Regierung zum Rückzug gezwungen werden können.
Unter dem Titel «Festung Österreich, Festung der Freiheit» markiert die FPÖ Distanz zu internationalen Institutionen. Man wolle nicht Befehlsempfänger von EU, WHO oder internationalen Gerichten sein. Österreich müsse zudem neutral bleiben. Wenig Berührungsängste haben die Freiheitlichen mit Russland: Sie wünschen sich eine Normalisierung der Beziehungen zu Moskau. In Fragen der Aussen-, Sicherheits- und Energiepolitik vertritt die FPÖ ähnliche Interessen wie zum Beispiel auch Orbans Regierung in Ungarn.
Parteien schliessen Koalition mit Kickl aus
Das Wahlprogramm der FPÖ hat heftige Kritik ausgelöst. «Der Standard» spricht von «einem Programm mit Hass und Verschwörungstheorien». Etliche Kritiker sehen in den Vorschlägen der FPÖ, so zum Beispiel beim Thema «Homogenität», Anleihen beim Faschismus. Trotz alledem sind die Freiheitlichen in Wahlumfragen die stärkste Partei mit 27 Prozent, gefolgt von der konservativen ÖVP und der sozialdemokratischen SPÖ mit je 23 Prozent. Schon bei den Europawahlen im Juni war die FPÖ stärkste Partei Österreichs.
Bisher schliessen alle Parteien eine Koalition mit der FPÖ unter Mitwirkung von «Volkskanzler» Kickl aus. Nach den Parlamentswahlen am 29. September muss der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Auftrag zur Bildung einer Regierung nicht zwingend an die stärkste Partei, höchstwahrscheinlich die FPÖ, vergeben. Er hat die Freiheit, die zweitstärkste Partei damit zu beauftragen – also wohl die ÖVP.
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