Analyse zur Wahl in KroatienRote Karte für den «Balkan-Trump»
Trotz Korruptionsaffären gewinnt die konservative Partei HDZ die Wahlen. Diesen Erfolg verdankt sie Staatsoberhaupt Zoran Milanovic, der inoffiziell für das Amt des Premiers kandidierte.
Die Menschen in Kroatien hatten am Mittwoch keine echte Wahl, um die Weichen für die Zukunft zu stellen. Die seit 2017 regierende konservative Partei HDZ wirkte geschwächt nach zahlreichen Korruptionsaffären. Kurz vor dem Urnengang zog Ministerpräsident Andrej Plenkovic mit umstrittenen Entscheidungen nochmals die Wut vieler Bürgerinnen und Bürger auf sich. Das Parlament schränkte die Medienfreiheit ein, und die Regierung ernannte einen Mann zum Generalstaatsanwalt, der Kontakte ins kriminelle Milieu gepflegt haben soll.
Trotzdem ist die HDZ bei den vorgezogenen Parlamentswahlen schon wieder stärkste Kraft geworden. In den 33 Jahren seit der Unabhängigkeit Kroatiens vom jugoslawischen Vielvölkerstaat war die Partei 26 Jahre lang an der Macht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie auch in der nächsten Legislaturperiode regieren kann, wenn es Plenkovic gelingt, kleinere Parteien und Vertreter ethnischer Minderheiten für eine Koalition zu gewinnen.
Vulgäre Äusserungen
In einem solchen Fall müssten sich die Konservativen bei ihrem grössten politischen Gegner bedanken: Staatsoberhaupt Zoran Milanovic gab vor einem Monat überraschend bekannt, er wolle Ministerpräsident an der Spitze einer von den oppositionellen Sozialdemokraten (SDP) geführten Regierung werden. Daraufhin wurde Milanovic vom Verfassungsgericht gemahnt, als Präsident dürfe er keinen Wahlkampf für eine bestimmte Partei machen.
Es schien, als habe der Polterer auf diese Steilvorlage gewartet. Milanovic beschimpfte die Richter in Trump-Manier als «Prostituierte», «Gangster», «Terroristen» und «Analphabeten». Und er trat trotzig als inoffizieller Spitzenkandidat der Opposition an.
Milanovic, der in seiner Regierungszeit Kroatien 2013 in die EU führte, irritiert seit Jahren viele Kroatinnen und Kroaten. Er kritisiert die westliche Hilfe für die Ukraine, pflegt enge Beziehungen zum ungarischen Populisten Viktor Orban und zum bosnisch-serbischen Ultranationalisten Milorad Dodik. Seine vulgären Äusserungen entsprechen nicht einmal dem Niveau einer balkanischen Schnapsbude.
Allianz mit Rechtsnationalisten?
Milanovic, schrieb die Newsplattform «Index», sei ein langweiliger Stand-up-Comedian, der immer die gleichen Witze erzähle. Am Mittwoch zeigten ihm die Wählenden die Rote Karte. Nach dem Urnengang schwieg Milanovic zunächst, doch es würde niemanden überraschen, wenn er mit Rechtsnationalisten zusammenspannt, um eine Regierung zu bilden. Bei diesen hat er sich erfolgreich eingeschmeichelt.
Die Wahl glich einer Fahrt zwischen Skylla und Charybdis, also zwischen zwei Übeln. Eine Mehrheit entschied sich schliesslich für die staatstragende Dauerregierungspartei HDZ, weil die Opposition mit Milanovic als Alternative nicht wirklich überzeugte.
Ministerpräsident Plenkovic hat einige Erfolge vorzuweisen: Kroatien ist am 1. Januar 2023 gleichzeitig dem Schengen-Raum und der Eurozone beigetreten. Mit dem Euro erlebte die Adriarepublik im vergangenen Jahr einen Tourismus-Boom. Die Löhne steigen, allerdings ist das häufig kein Verdienst der Regierung.
Abwanderung als grösste Herausforderung
Seit dem EU-Beitritt vor 11 Jahren haben fast eine halbe Million Kroatinnen und Kroaten ihr Land verlassen. Wer bleibt, ist auf dem Arbeitsmarkt gefragt. Immer mehr kroatische Firmen werben Gastarbeiter in Asien an. Zu Beginn der 1990er-Jahre zählte Kroatien knapp 5 Millionen Einwohner, heute sind es 3,8 Millionen. Die Abwanderung bleibt auch für die künftige Regierung die grösste Herausforderung.
Von 151 Sitzen im Parlament hat die HDZ 61 gewonnen. Sie braucht nun einen grösseren Koalitionspartner, um regieren zu können. Dafür käme die sogenannte Heimatbewegung infrage. Die rechtslastige Partei ist zur drittstärksten Kraft im neuen Parlament geworden. Mit einer solchen Regierung würde Kroatien weiter nach rechts rücken.
Premier Plenkovic hat keine grosse Lust auf ein Zusammengehen mit der Heimatbewegung, die mit Parolen gegen die serbische Minderheit und rassistischen Kampagnen gegen Flüchtlinge das politische Klima vergiftet. Die wüsten Beschimpfungen zwischen Staatschef Milanovic und Premier Plenkovic haben offensichtlich viele Wähler mobilisiert. Mit 62 Prozent war die Beteiligung eine der höchsten der vergangenen Jahrzehnte.
Fehler gefunden?Jetzt melden.