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Politchaos im EU-Land
«Analphabeten, Gangster, Prostituierte» – Kroatiens Präsident verliert die Kontrolle

President of Croatia Zoran Milanovic, speaks during a press briefing at the Uni Dufour University of Geneva, during an official visit, in Geneva, Switzerland, Thursday, April 07, 2022. (KEYSTONE/Martial Trezzini).
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Seine Wortwahl passte weder zur Würde des Amtes noch zur Umgebung. Am Montag besuchte Kroatiens Staatspräsident Zoran Milanovic die schöne Adriainsel Korcula, als aus der Hauptstadt Zagreb eine Nachricht hereinplatzte und das EU-Land in Aufregung versetzte: Das Verfassungsgericht teilte mit, dass Milanovic nicht als Spitzenkandidat für die oppositionellen Sozialdemokraten bei den Parlamentswahlen am 17. April antreten dürfe. Der Polterer Milanovic beschimpfte die höchsten Richter daraufhin als «Analphabeten, Gangster, Prostituierte». Vergangene Woche hatte er das Parlament aufgelöst, um vorgezogene Wahlen zu ermöglichen.

Die Argumentation der Juristen leuchtet ein: Ein Staatspräsident, der laut Verfassung alle Bürgerinnen und Bürger vertritt, kann nicht gleichzeitig Wahlkampf für eine bestimmte Partei machen und sich für einen Parlamentssitz bewerben. Milanovic findet, er dürfe das.

«Putschversuch mit Wasserpistole»

Der höchste Gerichtshof entgegnet, wenn er sich der deutlichen Warnung nicht beuge, werde man die Wahlen ganz annullieren. Die Sozialdemokratische Partei (SDP) bezeichnete die Entscheidung des Gerichts als «Putschversuch mit Wasserpistole». In Kroatien, so viel steht fest, droht eine Staatskrise. 

FILE - Croatia's Prime Minister Andrej Plenkovic gestures as he arrives for an EU summit in Brussels, Thursday, Feb. 1, 2024. Croatia's parliament was dissolved on Thursday, March 14, 2024 to pave the way for a parliamentary election later this year. The election date has not been set, though Prime Minister Plenkovic has suggested it should be held before the vote for the European Parliament in early June. (AP Photo/Omar Havana, File)

Die enorme Polarisierung lähmt das Land. Milanovic wirft der regierenden konservativen Partei HDZ von Premierminister Andrej Plenkovic Korruption, Missmanagement und Unfähigkeit vor. Bei seinem Amtsantritt 2016 versprach der westlich orientierte Plenkovic, er werde sauber regieren. Seither hat er etwa 30 Minister ausgewechselt, die meisten mussten wegen Korruptionsaffären gehen, einige stehen unter Anklage.

Gesetz gegen Whistleblower

Die Skandale wären ohne die Recherchen kroatischer Journalisten wohl unentdeckt geblieben. Der Regierung fiel jedoch nichts Besseres ein, als die Medienfreiheit einzuschränken. Letzte Woche wurde ein umstrittenes Gesetz vom Parlament ergänzt, um Whistleblower einzuschüchtern. Wer in Zukunft unerlaubt Informationen aus Ermittlungsakten an Journalisten weitergibt, kann mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden.

Erst nach heftigen Protesten der Journalistenverbände, der Opposition und des Europarats wurde ein Passus gestrichen, der auch für Medienschaffende Haftstrafen vorsah, wenn sie Informationen von Whistleblowern publizieren.

Kontakte zum Fussballpaten

Heftig umstritten ist auch die Beförderung des Juristen Ivan Turudic zum Generalstaatsanwalt. Er hat Kontakte zum Fussballpaten Zdravko Mamic eingeräumt. Der ehemalige Präsident von Dinamo Zagreb ist wegen Steuerhinterziehung verurteilt und hat sich nach Bosnien-Herzegowina abgesetzt. Mit einer ehemaligen Staatssekretärin, die unter Korruptionsverdacht steht, kommunizierte Turudic über Whatsapp.

Protesters hold placards reading " it's enough" during an anti-government rally organised by the opposition that seeks immediate elections in Zagreb on February 17, 2024. The protest 'It's enough, To elections now' is organised by 11 opposition parties and was sparked notably by the recent appointment of a high-ranking judge as the country's new state attorney general as his nomination sparked controversy for alleged links with corruption suspects. (Photo by Damir SENCAR / AFP)

Mitte Februar protestierten Tausende vor dem Amtssitz von Premier Plenkovic in Zagreb. Der neue Generalstaatsanwalt sei ein «Lügner» und «Liebling der Unterwelt», meinte Staatschef Zoran Milanovic. Wegen seiner nationalistischen Ausfälle wird der selbst ernannte Sozialdemokrat Milanovic, der sich wie ein strammer Rechtskonservativer verhält, auch als Adria-Orban bezeichnet. Wie der ungarische Regierungschef Viktor Orban kritisiert auch er die westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine und lehnt Sanktionen gegen Russland ab. Den ukrainischen Schlachtruf «Slawa Ukraini» vergleicht Milanovic mit einem Nazi-Gruss.

Gegenüber bosnischen Muslimen hat er sich häufig verächtlich geäussert, zudem fällt er mit antiamerikanischer Rhetorik auf. Während einer Pressekonferenz fragte er den Kellner, der ihm ein Glas Wasser brachte, ob er auch Kokain habe. Auf dem Marktplatz der Aufmerksamkeitsökonomie kennt der Populist Milanovic fast jeden Trick.

Wählen am Weltzirkustag?

Vor mehr als zehn Jahren führte er Kroatien als Ministerpräsident in die EU, er galt damals als Hoffnungsträger. Mittlerweile wettert er gerne gegen Bürokraten in Brüssel. Aussenpolitisch hat sich Kroatien vollumfänglich in die euroatlantische Sicherheitsarchitektur integriert, am 1. Januar 2023 erfolgte der gleichzeitige Beitritt zum Schengenraum und zur Euro-Zone

Nur die politische Kultur verroht. Der Wahlkampf werde ein reiner Schlagabtausch zwischen Staatschef Milanovic und Premier Plenkovic sein, so der Zagreber Philosophieprofessor Zarko Puhovski gegenüber kroatischen Medien. Alles könnte auf die Frage reduziert werden, wer «in unserer kleinen Welt der Herr ist». Diese Haltung vernichte das politische Leben in Kroatien, sagt Puhovski. Ob nach der jüngsten Entscheidung des Verfassungsgerichts die Wahlen am 17. April, einem Mittwoch, tatsächlich stattfinden, wird sich bald zeigen. Eines ist aber schon jetzt sicher: Der 17. April ist Weltzirkustag.