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Wahlen in Polen
Tausende Freiwillige zählen lieber selber nach

Parlamentswahlen in Polen April 10, 2016, Wroclaw, Poland: October 15, 2023 Poland Wroclaw Parliamentary elections in Poland Wroclaw Poland - ZUMAk137 20160410_aap_k137_004 Copyright: xKrzysztofxKaniewskix
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Nach der Wahl gibt es erst einmal nur Sieger. «Das ist das Ende der PIS-Regierung», ruft Oppositionsführer Donald Tusk auf der Versammlung der Bürgerkoalition im Ethnografischen Museum im Zentrum Warschaus. «Das ist der Tag des grossen Wandels in Polen», heisst es beim Mitte-rechts-Bündnis Dritter Weg. Die Linke sieht sich bereits in der Regierung. Der Vorsitzende der regierenden PIS-Partei, Jarosław Kaczyński, spricht vom dritten Sieg seiner Partei in Serie. Sein Sprecher erklärt, PIS werde «alles tun, um eine Regierung zu bilden». Lediglich die rechtsextreme Partei Konfederacja räumt eine Niederlage ein.

Es sieht alles nach einer Rekordwahlbeteiligung aus, bislang liegt sie bei mehr als 70 Prozent.

Eine Prognose vom Montag nach der Parlamentswahl hat bestätigt, dass Polens nationalkonservative Regierungspartei PIS die absolute Mehrheit verfehlt hat und drei Oppositionsparteien eine neue Regierung bilden könnten. In der neuen Prognose wurden der PIS 198 Sitze im neuen Parlament vorhergesagt. Die Mehrheit liegt bei 231 der 460 Mandate. Als Koalitionspartner kommt nur die ultrarechte Konfederacja infrage, mit deren 14 Mandaten es laut Prognosen aber ebenfalls nicht für eine Regierungsmehrheit reicht. Das endgültige Wahlergebnis steht wohl erst am Dienstag fest.

Die oppositionelle Bürgerkoalition KO kann laut Prognosen auf 161 Mandate zählen. Sie könnte mit dem christlich-konservativen Dritten Weg (13,5 Prozent) und dem Linksbündnis Lewica (8,6 Prozent) eine Koalition bilden. Das Dreierbündnis käme auf 248 Abgeordnete und hätte eine Mehrheit im Parlament.

TOPSHOT - Poland's main opposition leader, former premier and head of the centrist Civic Coalition bloc, Donald Tusk addresses supporters at the party's headquarters in Warsaw, Poland on October 15, 2023, after the presentation of the first exit poll results of the country's parliamentary elections. (Photo by JANEK SKARZYNSKI / AFP)

Ein Machtwechsel in Warschau könnte entscheidende Veränderungen in der polnischen Aussenpolitik bringen. Die PIS liegt im Dauerstreit mit Brüssel. Die Opposition könnte Polen auf einen proeuropäischen Kurs bringen.

In Breslau schliesst ein Wahllokal erst um drei Uhr morgens

Nun beobachtet man in Polen die Auszählung der Wahlergebnisse, gegen halb zehn am Montagvormittag sind gerade mal 24 Prozent der Stimmen für den Sejm ausgezählt. Üblicherweise melden die Städte ihre Ergebnisse zuletzt – dort wird deutlich stärker die Opposition gewählt. Hochrechnungen, die weit genauer wären, werden nicht gemacht. Es gilt abzuwarten, bis alle Stimmen ausgezählt sind.

Eigentlich war mit den Ergebnissen der Umfrage vom Montagmorgen bereits um Mitternacht gerechnet worden. Doch da stimmten immer noch Menschen ab. In Breslau schloss ein Wahllokal erst um drei Uhr Montagfrüh. Alle, die bis 21 Uhr bei ihrem Wahllokal waren, durften noch abstimmen. Auch in anderen Städten Polens und im Ausland wurden daher noch nach 21 Uhr Zettel in Urnen geworfen.

Es sieht alles nach einer Rekordwahlbeteiligung aus, bislang liegt sie bei mehr als 70 Prozent. Bei der Wahl 2019 waren es knapp 62 Prozent.

Die Regierung zog kurz vor dem Wahltag 28 Akkreditierungen zurück – ohne ersichtliche Begründung.

Die Wahl stand unter der Beobachtung Tausender Freiwilliger, die verschiedene Bürgerrechtsorganisationen in Polen zusammengetrommelt hatten. Zudem hatte die polnische Regierung auch eine OSZE-Wahlbeobachtermission eingeladen – die allerdings einigen Ärger hatte, bevor sie loslegen konnte. Mit 120 Wahlbeobachtern, Mitgliedern von Parlamenten aus mehr als 50 Ländern weltweit, war die Mission in Polen vertreten. Alle 120 waren bereits seit Wochen akkreditiert gewesen. Jedoch zog die Regierung kurz vor dem Wahltag 28 Akkreditierungen zurück – ohne ersichtliche Begründung.

So erzählten es zum Beispiel die deutschen Bundestagsabgeordneten Daniela De Ridder und Boris Mijatović in Warschau. Die SPD-Abgeordnete ist Vizepräsidentin der OSZE-Parlamentarierversammlung, zusammen mit ihrem Kollegen von den Grünen hat sie schon an mehreren Wahlbeobachtungsmissionen teilgenommen, zuletzt in diesem Jahr in der Türkei.

Mit Abbruch der OSZE-Mission gedroht

«Es ist normal, dass mal jemand nicht akkreditiert wird», sagt De Ridder. Aber dass Akkreditierungen zurückgezogen würden, wenn die Wahlbeobachter bereits auf der Anreise seien, das habe sie noch nicht erlebt. «Das ist entweder unprofessionell oder ein gezieltes Störmanöver», sagt sie.

Ein Muster, sagt Mijatović, habe sich nicht erkennen lassen. Die plötzlich Abgelehnten seien aus verschiedenen Ländern gekommen, Deutschland, Finnland, aber auch die Ukraine waren dabei. Man habe schliesslich erklärt, die Mission abzubrechen, wenn die Akkreditierungen nicht wie vereinbart gewährt würden, sagt De Ridder – das wirkte offenbar.

Die Zählungen bestätigen den Trend der Umfragen

Schon bei der polnischen Präsidentschaftswahl 2020 hatte die OSZE festgestellt, dass die Wahl zwar frei und demokratisch war, allerdings nicht fair. Vor allem wegen der von der Regierung vereinnahmten öffentlichen Medien. In diesem Jahr nun hatten viele Menschen befürchtet, auch am Wahltag selbst könnte vielleicht nicht alles mit rechten Dingen zugehen, schliesslich hatte die PIS Anfang des Jahres noch das Wahlgesetz zu ihren Gunsten geändert. Zu welchen Mitteln würde sie noch greifen, um ihre Macht zu erhalten?

Die polnischen Freiwilligen vom Komitee zum Schutz der Demokratie (KOD) zählen daher lieber noch mal selbst aus. Sie hatten bis zum Montagvormittag von 1100 repräsentativen Wahllokalen 80 Prozent ausgezählt. Dabei bestätigten sich offenbar die Zahlen der Exit Polls.