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Wahl der Woche (80)
Sandalen oder keine Sandalen?

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Wo seine Schuhe hätten sein sollen, waren seine verhornten Zehennägel

Einige Jahre ist es nun her, dass ich an einem schönen Sommertag eine Frucht kaufen wollte. Ich ging also zum nahe gelegenen Laden, um mir die frischen Pfirsiche und Himbeeren anzuschauen, doch ich kam nicht weit. Denn direkt beim Eingang hatte sich ein Mann hingestellt, um einer Frau etwas zu erklären. Er stand da, breitbeinig, mit den Armen raumgreifend gestikulierend, und zwar so, dass es auch gar niemandem möglich war, an ihm vorbeizugehen. Ich versuchte, ihn zu unterbrechen, um Einlass in den Laden zu erbitten, aber auch akustisch war an diesem Herrn kein Vorbeikommen.

Während ich also gezwungenermassen darauf wartete, dass er seinen Vortrag beendet, liess ich meinen Blick wandern, von seinem halb offenen Hemd zu seinen Jeans zu seinen … und da passierte es: Wo seine Schuhe hätten sein sollen, waren Sandalen. Und das heisst: seine Füsse – oder noch genauer: seine Zehen – oder noch mehr: seine verhornten Zehennägel. Riesig und gelb wie die Krallen eines Trolls ragten sie in den Eingangsbereich des Ladens, mir wurde angst und bange, und ich ergriff die Flucht. Ich hatte zu viel von diesem Menschen gesehen.

Simona Pfister

Immer wenn es Mai wird, ziehe ich meine Sandalen an

Immer im Mai, wenn die Sonne Fluss und Berge wärmt, wenn sich die frischen grünen Zweige aus ihren holzigen Stümpfen strecken und die Hasen ihre Nasen aus dem Grase recken, dann erwacht auch in meinen Zehen ein Freiheitsdrang. Auch sie wollen hinaus, ans Licht und an die Wärme. Immer wenn es Mai wird, ziehe ich deshalb meine Sandalen an. Es sind immer die gleichen Sandalen, alle zwei Jahre kaufe ich mir neue.

Meine Sandalen behalte ich den ganzen Sommer über an, egal bei welchem Wetter und egal, was andere Menschen über sie denken. Mich haut Kritik nicht aus den Latschen, das sagte ich, einige Jahre mag das nun schon her sein, eines schönen Sommertages auch der Frau am Obststand. Wir kamen auf das Thema über die Guaven, die es bei ihr zu kaufen gab, und die, und auch da lachte sie kurz auf, so müffelten wie schwitzige Füsse. Richtig in Fahrt bin ich gekommen, damals, denn ganz befreit habe ich mich gefühlt, dank meiner Sandalen.

Sven Behrisch