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Wahl der Woche (79)
Im Bett oder im Sessel lesen?

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Simona Pfister: Lesen tue ich mit Vorzug im Bett

Hälse sind eine seltsame Einrichtung. Ich weiss nicht, wer auf die Idee kam, das zentrale Steuerungsorgan (Hirn) sowie wichtige Sinnesorgane (Augen, Ohren und so weiter) an ein doch relativ dünnes und empfindliches Stück Körper (Hals) anzuhängen. Wie lächerlich das im Grunde ist, zeigt sich bei Giraffen, die den Hals in extremis verkörpern.

Ich versuche daher, dieses röhrenhafte Verbindungsteil zwischen Kopf und Körper möglichst nicht in allzu starke und allzu häufige Verrenkungen zu bringen, teilweise aus Furcht, mir könnte der Kopf irgendwann abfallen, teilweise, weil es einfach nicht gut aussieht.

Lesen tue ich daher mit Vorzug im Bett mit hochgestelltem Kopfteil, sodass mein ganzer Oberkörper schräg zum Boden, aber in sich gerade zu liegen kommt, ich also meinen Hals nicht verbiegen muss, um auf die Seiten des Buches zu schauen, das auf einem Ständer auf meinen hochgelagerten Beinen ruht. Erscheint Ihnen zu kompliziert? Nicht komplizierter als die Nerven und sonstigen Leitungen, die durch Ihren Hals gehen und die Sie doch nicht verbiegen wollen, oder?

Sven Behrisch: Weil ich eigentlich gerne lese, lese ich im Sessel

Wenn ich im Bett lese, schlafe ich immer ein. Schon nach wenigen Zeilen sacke ich weg. Bücher auf meinem Nachttisch sind unendliche Gutenachtgeschichten, Staub- und Traumfänger, eine einzige Bibliothek des Wegdämmerns. Weltliteratur vermodert, von meinem gleichmässigen Atem befeuchtet, dutzendweise neben meinem Bett, kein Liebesroman, keine gewichtige Biografie, kein Reisser hat eine Chance gegen die Macht meiner Müdigkeit. Vergeblich verausgabten sich die begabtesten Männer und Frauen an ihrer Kunst – und scheiterten an meiner Matratze. Die faszinierendsten Stoffe, die erschütterndsten Begebenheiten, die klügsten Beobachtungen werden, wenn sie bei mir im Bette landen, jäh vom Schlaf überrascht.

Ergriffen lese ich immer und immer wieder erste, bedeutende Seiten, bis mich nach zwei, drei Absätzen die Dunkelheit ergreift. Traumwandlerisch sinken die Lider vor herrlichster Lyrik, siegt die Schwerkraft gegen die Schönheit, das Kissen gegen den Krimi. Darum, weil ich eigentlich gerne lese, lese ich im Sessel.