Wahl der Woche (77)Resignation oder Zuversicht?
Unser Autor und unsere Autorin streiten wieder. Diese Woche gehts um nicht weniger als die Grundeinstellung zum Leben.

Simona Pfister: Endlich eine Wahl im eigentlichen Sinne!
An dieser Stelle tun wir ja öfters so, als hätten wir eine Wahl. Dabei haben wir bei den meisten Geschmacksfragen längst unsere Entscheidungen gefällt, und überzeugen lassen wir uns bei solchen Dingen sowieso nicht.
Bei der Frage nach Resignation oder Zuversicht handelt es sich nun aber für einmal um eine Wahl im eigentlichen Sinne. Sie erfordert eine wahrhaftige Entscheidung, und zwar täglich, und zwar so, dass alles auf dem Spiel steht.
Probieren Sie es aus: Stehen Sie morgen auf, und wählen Sie die Resignation, und sofort werden Ihnen Tausende Tatsachen entgegenspringen, die Ihre Überzeugung unterstützen. Und dann, übermorgen, wählen Sie die Zuversicht, und sofort werden Ihnen Tausende Tatsachen entgegenspringen, die Ihre Überzeugung unterstützen. Und dann, überübermorgen, überlegen Sie sich, an welchem der beiden vergangenen Tage Sie zufriedener waren und freundlicher zur Welt, an welchem der beiden Tage Sie das Leben lebenswerter gemacht haben. Und dann entscheiden Sie aufs Neue.
Sven Behrisch: Wer ans Gelingen glaubt, kann nur enttäuscht werden
Nein, bei dieser Frage gibt es keine Wahl. Es ist eine ganz grundsätzliche Gestimmtheit zur Welt, eine fundamentale Lebenshypothese, ob alles gut wird oder von vornherein aussichtslos ist. Resignation als Daseinsprinzip ist die edlere der beiden Haltungen, sie ist auch, aber das versteht wohl nur der Resignierende, die produktivere und kraftvollere.
Wer ans Gelingen glaubt, kann nur enttäuscht werden und macht sich lächerlich. Wer vom Scheitern als Normalfall ausgeht, erlebt Überraschungen, hat die Möglichkeit von Glück. Selbstaufgabe ist aufrichtig und bereichernd, Zuversicht ist anmassend und banal. Deshalb kann es keine grosse optimistische Literatur, keine grosse frohe Musik, keine grosse fröhliche Kunst geben, kein Happy End, das einen weiterbringt und überzeugt.
Im Positiven liegt etwas Falsches, etwas Bemühtes und Krampfiges, und das gilt auch für die Menschen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, immer und überall ganz, ganz zuversichtlich zu sein. Es ist ja an sich ein schönes Ansinnen, immer das Gute zu sehen. Aber es ist zum Scheitern verurteilt.
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