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Russischer Machtkampf mitten im Krieg
Wagner-Chef legt sich offen mit Militärführung und Putin an

Der Chef der Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin, bei der Beerdigung eines seiner Kämpfer, der in der Ukraine umkam, auf dem Friedhof Beloostrowskoje bei St. Petersburg.
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Berchiwka ist ein Dorf mit etwa 120 Einwohnern, von denen aber ohnehin so viele nicht mehr dort sein dürften, wegen der schweren Kämpfe um das angrenzende Bachmut. Der russische Söldner-Chef Jewgeni Prigoschin hat nun erklärt, seine Wagner-Truppe habe dieses ostukrainische Dorf erobert. Prigoschin präsentiert damit einen kleinen militärischen Erfolg, vermutlich präsentiert er ihn vor allem dem russischen Verteidigungsministerium. Mit dem trägt er einen eigenen, sehr seltsamen Kampf aus.

Prigoschin und seine private Söldnerarmee mischen in der Ukraine auf brutale Weise beim russischen Eroberungskrieg mit, zunehmend in Konkurrenz mit der offiziellen Armee. Am Mittwoch veröffentlichte Prigoschin ein Foto Dutzender auf gefrorenem Boden liegender Leichen. Es seien seine Kämpfer, erklärte er, sie seien gestorben an einem «Hunger nach Munition».

Die Schuldigen seien diejenigen, die die Frage hätten klären sollen, «wie wir genügend Munition erhalten». Zuvor hatte der Söldnerchef eine Woche lang jeden Tag das Verteidigungsministerium um Munition für seine Frontkämpfer gebeten. So weit ging er sogar, dass er Verteidigungsminister Sergei Schoigu und den russischen Generalstabschef Waleri Gerassimow des Hochverrats beschuldigte. Am Donnerstag bestätigte Prigoschins Pressedienst, dass in der Früh um sechs Uhr die geforderte Munition endlich gebracht worden sei und ausgeladen werde.

Ist der Chef der Privatarmee Wagner eine Bedrohung für die reguläre Armee?

Russische Normalbürger müssten nach solchen Aussagen nicht lange auf ihre Festnahme warten, Prigoschin dagegen hat längst einen inoffiziellen Sonderstatus. Präsident Wladimir Putin lässt ihn weitgehend in der Ukraine gewähren, die vielen Rückschläge der russischen Armee bewogen ihn dazu. Sogar Tausende russische Häftlinge durfte Prigoschin rekrutieren, wobei diese Praxis kürzlich für beendet erklärt wurde. Doch der Machtkampf mit der russischen Militärführung dürfte noch interessant werden.

Das Ministerium selbst reagierte auf die Munitionsdebatte zunächst recht verhalten und sprach von «exaltierten Äusserungen über die angebliche Blockierung von Munition an freiwillige Sturmeinheiten». Der Name der Söldnertruppe Wagner fiel erst gar nicht. Die Versuche einer Spaltung spiele nur dem Feind in die Hände, kritisierte das Verteidigungsministerium.

Das Verhältnis könnte schnell und ohne Vorwarnung enden

Prigoschin, der mit seiner paramilitärischen Organisation Russlands Einfluss in Mali, Zentralafrika und etwa Libyen stärkt, zum Teil sogar Lizenzen zur Ausbeutung von Rohstoffen hat, gilt als Vertrauter von Kremlchef Putin. Dessen Vertrauter ist aber vor allem auch Verteidigungsminister Schoigu, der mit Putin mehrmals zusammen Urlaub gemacht hat. Prigoschins massiver Angriff gegen Putins Lieblingsminister könnte bedeuten, dass Kritik an militärischen Misserfolgen auf diese Art gezielt von Putin ferngehalten wird. Immerhin ist Putin qua Amt selbst Oberbefehlshaber der Streitkräfte und verantwortlich für den Zustand der Armee.

Die russische Politikwissenschaftlerin Tatjana Stanowaja schreibt in einem Aufsatz der «Moscow Times», dass Schoigu und Gerassimow Putin davon überzeugt hätten, Prigoschin sei eine Bedrohung für die Armee. Und dass Putin deshalb Gerassimow im Januar die Verantwortung für den Krieg in der Ukraine übertragen habe. Und auch dies, meint Stanowaja, trotz all dem, was sich Prigoschin bisher herausgenommen hat: «Dessen Verhältnis zum Staat ist informell und deshalb zerbrechlich. Und es könnte ohne Warnung zu Ende gehen.»