Ausbruch der VulkaninselAls Santorini in die Luft flog
Die griechische Insel wird derzeit von Erdbeben erschüttert. Die schlimmste Katastrophe fand vor 3600 Jahren statt – und hat vielleicht die Legende von Atlantis mitbegründet.
- Santorini war einst viel grösser, bis ein gigantischer Vulkanausbruch die Insel in einen ringförmigen Archipel aufteilte.
- Die Eruption von Santorini umfasste 48 bis 86 Kubikkilometer Magma und Gestein.
- Archäologen fanden in Akrotiri Überreste einer beeindruckenden bronzezeitlichen Handelsstadt.
- Die Zerstörung wird häufig mit der Atlantis-Legende von Platon in Verbindung gebracht.
Der Himmel verfinsterte sich. Und das nicht nur für einen Tag. Ohrenbetäubender Lärm dröhnte durch die Luft. Nicht endende Wassermengen fluteten das Land. So beschreibt eine altägyptische Quelle, die sogenannte Unwetterstele, eine Naturkatastrophe, die sich irgendwann im 16. Jahrhundert vor Christus ereignete.
Was die uralte Inschrift tatsächlich schildert, darüber gibt es viele Diskussionen. Doch manche Forscher glauben, dass die alten Ägypter auf dem Stein genau das festhielten, was sich zur gleichen Zeit im östlichen Mittelmeer abspielte:
Dort explodierte vor rund 3600 Jahren die Vulkaninsel Santorini, riss eine blühende Kultur mit sich in den Abgrund und inspirierte vielleicht die Legende von der versunkenen Stadt Atlantis.
Eruption von Santorini zerstörte alles Leben
Was wir heute noch von der beliebten Ferieninsel Santorini sehen, ist nur der äussere Rand eines einst massiveren Stück Lands. Wo heute in der Mitte ein Loch klafft, gefüllt nur mit einem kleinen Krater, erhob sich bis zu jener Katastrophe auch eine Insel. Zudem hatte die Landmasse des heute noch vorhandenen äusseren Rings ein grösseres Volumen.
Die Eruption auf Santorini in der späten Bronzezeit war eine der heftigsten der letzten 10’000 Jahre. Das schreibt ein internationales Forscherteam in einer Studie zum Thema: «Zwischen 48 und 86 Kubikkilometer Magma und Gesteinsbrocken wurden damals ausgespuckt.» Die gesamte Insel wurde von einer dicken Bimsstein- und Ascheschicht bedeckt, die alles Leben zerstörte. Die ausgestossene Asche ist heute noch bei Grabungen im östlichen Mittelmeerraum als Schicht erkennbar.
Die Katastrophe löste einen Tsunami aus
Vermutlich verdunkelte sich der Himmel, wie auf der ägyptischen Stele beschrieben. Eine weitere internationale Studie zeigte vor einigen Jahren, dass die Eruption auch Tsunamis auslöste. Spuren der Zerstörung fanden Forscher bei Ausgrabungen sogar noch an der nordwesttürkischen Küste.
Auf Santorini stiessen Archäologen in den 1960er-Jahren auf Überreste einer blühenden Handelsstadt, die während der Eruption verschüttet wurde. Einheimische hatten von einem eingestürzten Feld berichtet, unter dem Hohlräume zum Vorschein kamen. Die Fundstätte bei dem Ort Akrotiri ist ein beliebtes Touristenziel. Sie liegt rund 200 Meter von der heutigen Küstenlinie entfernt.
Das bronzezeitliche Akrotiri muss eine eindrucksvolle Stadt gewesen sein. Die Häuser waren aus Stein und Lehmziegeln erbaut und bis zu drei Stockwerke hoch. Es gab eine Kanalisation und gepflasterte Strassen. In den Häusern hat man Fresken gefunden, die den Alltag auf der Insel mit Tieren, Fischern oder Schiffen zeigten.
Die Menschen in Aktrotiri betrieben regen Handel mit Kreta und dem griechischen Festland. Auch Töpferutensilien, Gegenstände für die Metallverarbeitung und Webstuhlgewichte haben die Forscher gefunden. Zudem gab es grössere Gebäude, vermutlich für die Verwaltung der Stadt oder als öffentlicher Raum. Und sogar Tontafeln mit Schriftzeichen waren noch in den Trümmern vorhanden.
Die letzten Tage und Wochen vor der Eruption waren für die Menschen in Akrotiri wohl von Angst und Sorge geprägt, weil vermutlich zahlreiche Erdstösse die Katastrophe ankündigten. Nicht ganz einig ist sich die Forschung, wann sich die Explosion auf Santorini genau ereignete. Die Datierungsversuche reichen von ungefähr 1650 bis 1550 vor Christus.
Inspirierte der Ausbruch die Legende von Atlantis?
Santorini liegt mitten in einer Kette von Vulkanen. In der östlichen Ägäis ist die Plattentektonik sehr ausgeprägt, denn die Ionische Platte taucht dort unter die Eurasische Platte ab, was zu starken Bewegungen führt. Deutsche Forscher wiesen im letzten Jahr nach, dass es auch im Jahr 726 n. Chr. eine starke Unterwassereruption gab und dass auch der heftige Ausbruch vor 3600 Jahren nicht einzigartig war: «Inzwischen wissen wir von mindestens fünf solcher Ereignisse innerhalb der letzten 500’000 Jahre», schreiben die Forscher.
Manchmal wird die Katastrophe von Santorini auch mit der Legende von der versunkenen Stadt Atlantis in Verbindung gebracht. Der antike griechische Philosoph Platon schrieb als Erster im vierten vorchristlichen Jahrhundert in seinen Dialogen «Timaios» und «Kritias» von Atlantis. Die sagenumwobene Insel war laut Platon eine Seemacht, die das Meer an einem einzigen Tag verschluckt habe. Deren Geschichte, die mündlich überliefert worden sei, habe ursprünglich ein ägyptischer Priester erzählt, der sie wiederum in heiligen Schriften gefunden habe.
Die meisten Forscher nehmen heute an, dass sich Platon diese Geschichte ausgedacht hat, um seine Theorien zu untermauern. Trotzdem gibt es noch heute viele Versuche, die versunkene Insel zu lokalisieren. Verfechter der Santorini-Hypothese sagen, die Topografie der Insel erinnere an das von Platon beschriebene Eiland. Auch würden die Schiffe auf Fresken der ausgegrabenen Stadt Akrotiri Ähnlichkeiten mit seinen Beschreibungen zeigen. Allerdings lebte Platon mehr als 1000 Jahre nach der tatsächlichen Katastrophe.
Forscher schätzen, dass der äussere Ring von Santorini vor der Zerstörung um 9,1 bis 17,1 Kubikkilometer grösser war. Die in der Mitte zerstörte Insel Pre-Kameni umfasste 1,6 bis 3,0 Kubikkilometer. Auf dem Index der Vulkanexplosivität habe die Eruption den höchsten Wert von 7 erreicht.
Minoische Kultur überdauerte Katastrophe
Die minoische Kultur, noch heute bekannt von der Insel Kreta, prägte in der späten Bronzezeit die südöstliche Ägäis. Benannt ist sie nach dem sagenumwobenen König Minos. Die Minoer errichteten ausgeklügelte Bauten und Paläste, waren geschickt in der Metallverarbeitung und hatten bereits eine Schrift.
Früher nahm man an, dass die Katastrophe von Santorini mit ihren weitreichenden Auswirkungen auch den Niedergang der minoischen Kultur bedingte. Heute glauben Forscher, dass der Tsunami, die damit verbundene Zerstörung der Flotte und der Ascheregen die minoische Kultur zwar schwächten. Ihr eigentlicher Niedergang begann aber ein knappes Jahrhundert später und sei durch soziale Konflikte und wirtschaftliche Gründe bedingt gewesen.
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