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Vorwahlen der US-Demokraten
Bidens Sieg in Michigan zeigt, wo sein Problem liegt

FILE - President Joe Biden meets with UAW members during a campaign stop at a phone bank in the UAW Region 1 Union Hall, Feb. 1, 2024, in Warren, Mich. (AP Photo/Evan Vucci, File)
Joe Biden
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Der Nahe Osten ist Michigan geografisch natürlich eher fern, es sind ein paar Tausend Meilen. Aber in diesem Bundesstaat leben eine ganze Menge Menschen, denen die amerikanische Unterstützung für Israel zu weit geht und die schon längst einen Waffenstillstand in Gaza verlangen. Viele von ihnen stammen aus der Region, haben arabische Wurzeln oder sind jedenfalls Muslime. Manche dieser Kritiker sind auch einfach nur links, oft jung. Das bekam Joe Biden bei diesen Vorwahlen am Dienstag zu spüren.

Gewonnen hat er natürlich trotzdem, haushoch sogar, wie sollte es anders sein. Bei den Demokraten fordert ihn niemand wirklich heraus, sein einziger Rivale bekam diesmal ungefähr 3 Prozent der Stimmen, der Abgeordnete Dean Phillips. Biden erhielt um die 80 Prozent. Doch zwischen den klaren Sieger und seinen chancenlosen Rivalen schob sich diesmal folgende Option: «Uncommitted», was so viel bedeutet wie ungebunden, unverbindlich, unentschlossen. Das kreuzten offenbar circa 15 Prozent der demokratischen Wählerschaft an, es ist ihre besondere Art von Protest.

Biden braucht jede Stimme gegen Trump

Es waren Zehntausende Stimmen, vergleichsweise wenig angesichts des grossen Vorsprungs des US-Präsidenten und Spitzenkandidaten seiner Partei. Auch hatte 2012 selbst Barack Obama mit der Gegnerschaft namens «Uncommitted» zu tun. Allerdings dürfte Biden jede Stimme brauchen, falls er am 5. November wirklich in das dann entscheidende Rennen geht, das mutmassliche Finale aller Wahrscheinlichkeit gegen Donald Trump.

Der scheint sich bei den Republikanern sogar einen kleineren Anteil eingesammelt zu haben als Biden bei den Demokraten, knapp 70 Prozent. Nur hat Trump noch eine wackere Herausforderin namens Nikki Haley, die den überwiegenden Rest auf sich vereinte. Und anders als der Wahlkämpfer Biden muss er nicht als Befehlshaber der Nation ständig mit Benjamin Netanyahu reden und verhandeln. Trump verkündete, man werde «einen grossen Sieg erringen, wie ihn noch nie jemand erlebt habe. Es wird fantastisch werden.» Haley dagegen hält das Resultat für ein «blinkendes Warnzeichen für Trump im November». Sie will trotz ihrer erneuten Niederlage im republikanischen Rennen bleiben, zumindest bis zum Super Tuesday mit mehreren Primaries am kommenden Dienstag.

Swing-States wie Michigan sind entscheidend

Michigan ist einer dieser Swing-States wie Arizona, Georgia, Nevada, Pennsylvania und Wisconsin, in denen die Präsidentschaftswahlen entschieden werden dürften. Deshalb ist dieses Ergebnis für Biden und seine Berater eine Warnung, weil es jene Umfragen bestätigt, die ihm Schwierigkeiten in diesen umkämpften Regionen voraussagen. 2020 hatte er sich unter anderem in Michigan gegen Trump durchgesetzt. Bei den Zwischenwahlen 2022 nutzten die Demokraten dort dann ausserdem die auch bei moderaten Republikanern und Unabhängigen verbreitete Wut über das von konservativen Richtern gekippte Bundesrecht auf Abtreibung.

Damit hatte sich nicht zuletzt die Gouverneurin Gretchen Whitmer profiliert, sie zählt inzwischen sogar zur Riege jener, die sich früher oder später für Bidens Nachfolge interessieren könnten. Bislang macht sie Wahlkampf für ihn und versuchte auch vor dieser Primary, bei der Wählerschaft für ihn zu vermitteln. Sie manövriert sich dabei recht geschickt durch das politische Minenfeld Israel und Palästina, in dem die Demokraten gerade in zwei Lager zu zerfallen scheinen. Gleichzeitig hat die Regionalpolitikerin Whitmer nicht die Verantwortung des Weltpolitikers Biden.

Protest gegen Bidens Nahost-Politik

Seine Abtrünnigen aus alten Sympathisantenkreisen erklärten schon ihren Triumph, als erst ein Bruchteil aller Stimmen ausgezählt war. «Unsere Bewegung hat heute Abend gesiegt und unsere Erwartungen massiv übertroffen», sagte Layla Elabed aus Detroit, sie leitet die Initiative «Listen to Michigan». Zehntausende von Demokraten in dem Staat hätten sich «wegen des Kriegs in Gaza» nicht für Bidens Wiederwahl engagiert. «Wir wollen keine Trump-Präsidentschaft», sagte sie, aber Biden habe Netanyahu über die amerikanische Demokratie gestellt. «Wir können es uns nicht leisten, die Rechnung für die Missachtung palästinensischer Leben zu bezahlen, wenn sie im November fällig wird.»

Die Aktivistin Elabed ist die Schwester von Rashida Tlaib, beide sind Töchter palästinensischer Einwanderer. Die Abgeordnete Tlaib warf dem US-Präsidenten schon vor, einen Genozid an den Palästinensern zu unterstützen. Sie stimmte mit acht anderen Vertretern des ganz linken Parteiflügels wie Alexandria Ocasio-Cortez im vergangenen Sommer auch gegen eine Resolution, wonach Israel «kein rassistischer oder Apartheidstaat» sei, der Kongress Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit ablehne und die Vereinigten Staaten «immer ein treuer Partner und Unterstützer Israels» sein würden. Im Herbst 2023 sprach ihr das Repräsentantenhaus das Misstrauen aus, nachdem sie gegen Israel demonstriert und auch den Slogan «From the River to the Sea» verwendet hatte.

WASHINGTON, DC - SEPTEMBER 19: Rep. Rashida Tlaib (D-MI)  speaks at a news conference on the introduction of the "Restaurant Workers Bill of Rights" outside the U.S. Capitol Building on September 19, 2023 in Washington, DC. Lawmakers held the news conference alongside members of the Restaurant Opportunity Center United organization to hear stories about those who work in the restaurant industry and their requests for countrywide improved working conditions. (Photo by Anna Moneymaker/Getty Images)

Biden hatte zuletzt versucht, den Widerstand abzufedern. Er stellte eine baldige Feuerpause und weitere humanitäre Hilfe für Gaza in Aussicht, auch wird sein Ton gegenüber dem israelischen Premier Netanyahu schärfer. Ausserdem solidarisierte er sich mit streikenden Arbeitern aus der Automobilindustrie in Michigan und warb nun wieder für reparierte Strassen und Brücken, höhere Löhne und billigere Medikamente.

Dennoch spürt der oberste Amerikaner, dass ihm vor allem jüngere Wähler und Wählerinnen abhandenkommen, besonders aus Familien von Migranten. Beim Thema Israel steckt seine Regierung in der Zwickmühle, weil sie einerseits dem Verbündeten gegen den Terror der Hamas beistehen und andererseits die Gewalt in Gaza lindern möchte. Ausserdem kämpft Biden um weitere Milliardenhilfe für die Ukraine, die Trumps Verbündete im Repräsentantenhaus verhindern wollen. Und in Verhandlungen mit dem Speaker und Republikaner Mike Johnson will er im Haushaltsstreit einen Shutdown abwenden.

Dazu kommt die Debatte um sein Alter, Biden wird kurz nach der Wahl bekanntlich 82. Vor vier Jahren habe eine «vielfältige Koalition in Michigan» Trumps Extremismus abgelehnt und Kamala Harris und ihn ins Weisse Haus geschickt. So ein Bündnis würde er in gut acht Monaten wieder brauchen. Am späten Dienstag bedankte sich Biden bei jedem Menschen aus Michigan, «der sich heute Gehör verschafft hat». Die Ausübung des Wahlrechts und die Teilnahme «an unserer Demokratie» seien das, «was Amerika gross macht» – keine schlechte Replik auf Trumps Make America Great Again. Das Wort «uncommitted» erwähnte Joe Biden nicht.