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EU droht Russland im Ukraine-Konflikt
«Vorbereitung für einen Fall, der nicht eintreten soll»

Einigkeit unter grosser Anspannung: Emmanuel Macron und Olaf Scholz machen Front gegen Russland – zumindest verbal. 
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Bei ihrem Gipfel in Brüssel verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs eine entsprechende Erklärung. Darin heisst es, Russland müsse dringend die Spannungen entschärfen, die durch den Aufmarsch von Truppen an der Grenze zur Ukraine und aggressive Rhetorik entstanden seien. Jede weitere militärische Aggression werde «massive Konsequenzen und hohe Kosten» zur Folge haben. Als Beispiel wurden mit Partnern abgestimmte Sanktionen genannt.

Einer dieser Partner ist die Nato, die am späten Donnerstagabend ein ähnliches Statement veröffentlichte. In ihm heisst es, die Bündnismitglieder seien zutiefst besorgt über den substanziellen, grundlosen und ungerechtfertigten russischen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze. Derzeit würden die Auswirkungen der aktuellen Lage auf die Sicherheit des Bündnisses untersucht. Auf eine Verschlechterung des sicherheitspolitischen Umfelds werde die Nato immer entschlossen reagieren – falls erforderlich auch mit einer Stärkung des eigenen Verteidigungsdispositivs.

Der deutschen Bundeskanzler, Olaf Scholz, sagte nach seinem ersten Gipfel, einem fast 14-stündigen Verhandlungsmarathon, es sei für die EU von allergrösster Bedeutung, «dass die Grenzen in Europa nicht verschoben werden, dass Sicherheit für alle existiert». Es müsse klar sein, dass «wer diese Grenzen verletzt, auch mit entsprechenden Reaktionen rechnen muss».

Macron setzt auf den Weg der politischen Lösung

Nach Angaben von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron geht es beim EU-Ansatz allerdings nicht nur um Abschreckung, sondern auch um die Wiederbelebung eines Dialogs mit Russland. «Wir müssen den einzigen Weg finden, der sich (...) durchsetzen kann, nämlich den Weg der Diskussion und der politischen Lösung», sagte er in der Nacht zum Freitag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz.

Für geplante Vermittlungsbemühungen sicherten sich Macron und Scholz beim Gipfel die Unterstützung der Partner. In der Erklärung heisst es, man ermutige zu diplomatischen Bemühungen, um die vollständige Umsetzung des Minsker Abkommens von 2015 zu erreichen – insbesondere im sogenannten Normandie-Format. Das ist eine Verhandlungsrunde in der Deutschland und Frankreich seit 2014 versuchen, zwischen der Ukraine und Russland zu vermitteln.

Mögliche Sanktionen

Zuletzt gab es allerdings kaum noch Fortschritte. Beide Seiten werfen sich vor, Absprachen nicht einzuhalten. In der belarussischen Hauptstadt Minsk war ein Plan ausgehandelt worden, um den Konflikt beizulegen. Russland hatte sich 2014 die ukrainische Halbinsel Krim einverleibt. Bis heute unterstützt es Separatisten im Osten der Ukraine. Für grosse Besorgnis sorgen derzeit vor allem Erkenntnisse, wonach Russland in Gebieten unweit der Ukraine Zehntausende Soldaten zusammengezogen hat.

Welche Sanktionen im Fall eines Angriffs verhängt werden könnten, liessen die Gipfelteilnehmer offen. Diskutiert werden nach Angaben von Diplomaten Sanktionen gegen Staatsunternehmen und Oligarchen aus dem Umfeld von Präsident Wladimir Putin. Zudem gelten ein Ausschluss Russland aus dem Zahlungsverkehrssystem Swift sowie ein Betriebsverbot für die von Russland nach Deutschland führende Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 als Optionen. Scholz sprach sich dagegen aus, die Betriebserlaubnis für Nord Stream 2 mit den Bemühungen um eine Deeskalation in der Ukraine-Krise zu verknüpfen. «Es handelt sich im Hinblick auf Nord Stream 2 um ein privatwirtschaftliches Vorhaben», sagte er.

Ein weiteres Grossthema des Gipfels war die teils dramatische Corona-Lage – auch mit Blick auf die neue Omikron-Variante. Dabei warben die Spitzenpolitiker erneut fürs Impfen und suchten nach einer gemeinsamen Linie beim freien Reisen in der EU. Länder wie Italien und Griechenland haben bereits im Alleingang neue Testpflichten auch für geimpfte Einreisende eingeführt. Deutschland und Frankreich halten verpflichtende PCR-Tests innerhalb der EU allerdings derzeit für nicht sinnvoll.

Europas Kampf gegen Omikron

In der Gipfelerklärung wurden nationale Auflagen nicht bewertet. Es heisst lediglich, dass Beschränkungen das Funktionieren des Binnenmarkts nicht untergraben und die Bewegungsfreiheit innerhalb der und in die EU nicht «unverhältnismässig» behindern sollten. Grundsätzlich liegen Reisebestimmungen in der Kompetenz der einzelnen EU-Staaten.

Angesichts der Omikron-Variante wollen sich die EU-Staaten 180 Millionen Dosen angepassten Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer liefern lassen. Ein bestehender Vertrag sehe vor, dass die Unternehmen die Impfstoffe – falls gewünscht – innerhalb von 100 Tagen an neue Varianten anpassen, sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen nach dem Gipfel. Die EU-Staaten nutzen ihr zufolge nun diese Möglichkeit.

Beim Thema Energiepreise fanden die Staats- und Regierungschefs keinen einheitlichen Kurs. Stundenlang diskutierten sie unter anderem über die Wirkung der sprunghaften Preise im Emissionshandel auf die Gas- und Strompreise sowie eine mögliche Strommarktreform, wie Ratspräsident Charles Michel sagte. Auch das Thema der Taxonomie – ob Gas oder Atomkraft von der EU als umweltfreundlich eingestuft werden sollen – wurde hitzig diskutiert. Macron stellte fest: «Deutschland und Frankreich wollen zusammenarbeiten, um schnellstmöglich eine Lösung zu finden.»

Scholz fühlte sich durch die langen Verhandlungen an die Koalitionsverhandlungen mit Grünen und FDP erinnert. «Die sind auch sehr lang gewesen», sagte er in der nächtlichen Pressekonferenz nach dem Gipfel. Er lobte aber, dass bei den meisten Fragen konstruktiv um Lösungen gerungen worden sei. Insofern sei der Gipfel eine gute Erfahrung gewesen. «Ich hab mich wohl gefühlt.»

SDA/cpm