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Analyse zum Ukraine-Konflikt
Wie ernst ist die Kriegsgefahr und was kann Europa tun?

Krisentreffen in Brüssel: Der deutsche Kanzler Scholz und Frankreichs Präsident Macron empfangen am Mittwoch den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski.  
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Ist es nur eine Drohkulisse, oder meint es Präsident Wladimir Putin ernst? Der russische Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine und die hybriden Angriffe von Moskaus Vasall Alexander Lukaschenko, der Migranten aus dem Nahen Osten an die weissrussische Grenze zu Polen transportieren liess, haben in Brüssel den Gipfel mit den östlichen Partnern am Mittwoch überschattet.

Sie werfen ein Schlaglicht auf das Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU am Donnerstag. In Brüssel und in den anderen europäischen Hauptstädten zeigt man sich zunehmend alarmiert. Die Optionen sind jedoch beschränkt. Auch, weil nicht alle Staats- und Regierungschef hinter einem harten Kurs stehen.

Was will Wladimir Putin erreichen?

Präsident Putin sieht die Ukraine und Georgien als Teil der russischen Einflusssphäre.  

Russlands Präsident fordert, dass die Nato für alle Zeiten ausschliesst, die Ukraine und Georgien in das westliche Bündnis aufzunehmen. Die Forderung aus Moskau nach einer russischen Pufferzone oder Einflusssphäre ist nicht ganz neu. Die Allianz hat den ehemals sowjetischen Republiken eigentlich 2008 einen Beitritt in Aussicht gestellt. Dass die Ukraine oder Georgien auf absehbare Zeit Mitglieder werden, glaubt man heute aber wohl nicht einmal in Moskau.

Russland selber hat dazu beigetragen, dass die Beitrittsperspektive auf absehbare Zeit unrealistisch ist. Russland hat 2014 die ukrainische Krim annektiert und unterstützt Separatisten in beiden Ländern.

Weshalb denn die Eskalation gerade jetzt? Will Putin von der Corona-Krise im Land ablenken, oder nutzt er einfach die Schwäche Europas und der USA? Moskau hat in den vergangenen Wochen gegen 100’000 Soldaten mit zum Teil schwerem Kriegsgerät an die Grenze zur Ukraine verlegt.

Der Westen kann auf die russischen Forderungen nicht eingehen, weil dann die Ukraine und Georgien zu Ländern zweiter Klasse mit beschränkter Souveränität deklariert würden. Umgekehrt kann Putin die massiven Truppen ohne Gesichtsverlust nicht einfach wieder abziehen. Die Gefahr eines Krieges ist deshalb real.

Was hat das mit der EU zu tun?

Seit der Regenbogenrevolution auf dem Maidan in Kiew im Jahr 2014 ist die Ukraine zum Ärger von Putin auf proeuropäischem Kurs. 

Das hat auf den ersten Blick wenig mit der EU zu tun, wobei 22 ihrer Mitglieder auch in der Nato sind. Und die EU versucht die Ukraine, Moldau, Georgien, Armenien und Aserbeidschan über ihr Programm der östlichen Partnerschaft zumindest wirtschaftlich stärker an sich zu binden sowie Rechtsstaat und Demokratie in den Ländern zu fördern.

Tatsächlich wären florierende Demokratien in direkter Nachbarschaft für Putins Macht die grössere Gefahr als eine Nato-Mitgliedschaft in ferner Zukunft. Russlands Präsident versuche sich als Teil der Lösung des Problems zu präsentieren, das er selber geschaffen habe, sagt die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas vor dem EU-Gipfel in Brüssel in einem Interview. Sie spricht einen kürzlich abgehaltenen Telefonaustausch zwischen Joe Biden und Wladimir Putin an, bei dem die beiden Präsidenten weitere Gespräche in Aussicht gestellt haben.

Unter den Osteuropäern ist die Sorge gross, dass Washington und Moskau wie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf ihre Kosten Einflusssphären abstecken: «Ich denke nicht, dass Russland irgendein Recht hat, zu sagen, wer der EU oder der Nato beitreten darf», betont die Estin Kaja Kallas.

Was sind die Optionen von EU und Nato?

Die umstrittene Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland in der Ostsee: Nord Stream 2 wird im Fall einer Eskalation wahrscheinlich nicht in Betrieb gehen. 

Jede Aggression gegen die Ukraine werde «sehr ernste politische und wirtschaftliche Folgen» haben, hiess es im Vorfeld des EU-Gipfels aus deutschen Regierungskreisen. Die Drohkulisse für Putin will man weder in Berlin noch in Brüssel präzisieren. Es sei in der Natur der Sache, dass man in dieser Situation nicht alle Karten auf den Tisch lege.

Gleichzeitig will man Wege finden, mit Russland über eine Deeskalation zu reden. Das dürfte nach dem Urteil eines Berliner Gerichts von diesem Mittwoch zum sogenannten Tiergartenmord nicht einfacher werden. Die Richter sahen es als erwiesen, dass ein Russe im Auftrag staatlicher Stellen in Moskau einen tschetschenischen Georgier im Kleinen Tiergarten in Berlin erschossen hat.

Im Entwurf für die Schlussfolgerungen des EU-Gipfels wird Moskau ebenfalls mit «massiven Konsequenzen und hohen Kosten» gedroht. Absehbar ist, dass dann die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 definitiv tot wäre. Die Röhre soll russisches Gas an der Ukraine vorbei direkt nach Deutschland bringen und würde die Abhängigkeit der EU von Moskau zementieren.

Nord Stream 2 ist schon lange ein Streitthema zwischen Berlin und den Osteuropäern, aber auch mit Brüssel und Washington. Die USA und Europa erwägen auch, Russland aus dem Zahlungssystem Swift auszuschliessen.

Dass die Nato der Ukraine im Fall eines russischen Einmarsches zu Hilfe kommen würde, ist ausgeschlossen. Die Beistandspflicht der Allianz gilt nur für Mitglieder.

Was sind die möglichen Szenarien?

Russisches Manöver an der Grenze zur Ukraine. 

Prognosen sind schwierig. Möglicherweise reicht Wladimir Putin die massive Truppenpräsenz, um Stärke zu signalisieren und die Ukraine weiter zu destabilisieren. Ebenso wahrscheinlich ist aber, dass der russische Präsident den Nutzen eines Einmarsches höher einschätzt als die kurzfristigen Kosten.

Putin dürfte es nicht darum gehen, die ganze Ukraine einzuverleiben. Das Ziel der russischen Streitkräfte dürfte es sein, einen Landkorridor zur bereits annektierten Krim herzustellen oder die Ukraine überhaupt vom Zugang zum Schwarzen Meer abzuschneiden.