Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Dramatisch viele Corona-Tote in Russland
Bevölkerung schrumpft um eine Million

Täglich sterben fast 1000 Menschen in Russland nach einer Corona-Infektion. Totengräber auf einem Friedhof in der Nähe von Omsk.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Was hat sich Sergei Sobjanin nicht schon alles ausgedacht, um mehr Moskauer zur Impfung zu bewegen. Der Bürgermeister hat Autos verlost unter denjenigen, die sich im Sommer ihre erste Dosis abholten. Als das nicht ausreichte, führte er eine Impfpflicht für viele Berufsgruppen ein. Jetzt nimmt er sich die Senioren vor: Jedem Moskauer über 65 Jahren schenkt die Stadt 10’000 Rubel, etwa 130 Franken, sobald er sich zum zweiten Mal piksen lässt.

Die Impfrate im gesamten Land ist beunruhigend niedrig und die Zahl der Neuinfektionen alarmierend hoch. Pro Woche würden sich dreimal so viele Menschen anstecken wie zur selben Zeit vor einem Jahr, warnte Anfang Oktober die zuständige Vizepremierministerin Tatjana Golikowa. Noch erschreckender ist die Zahl der Corona-Toten, die seit Wochen fast täglich neue Rekorde erreicht. Inzwischen liegt sie bei knapp 1000 Todesfällen am Tag, so hoch war sie seit Beginn der Pandemie noch nie in Russland.

Erst nach der Wahl wurden Corona-Tote zum Thema

Nun sind die offiziellen Zahlen zwar gerade in den ersten Pandemiemonaten oft künstlich niedrig gehalten worden. Die russischen Corona-Statistiken dürften heute deutlich realistischer ausfallen. Trotzdem werfen sie immer wieder Fragen auf. Auffällig ist beispielsweise, dass die steil steigenden Zahlen erst zum Thema wurden, nachdem der Kreml die Wahl zur Staatsduma gut hinter sich gebracht hatte.

Laut Behörden sind in Russland inzwischen mehr als 220’000 Menschen an den Folgen von Covid-19 gestorben. Die Übersterblichkeit seit Beginn der Pandemie ist allerdings dreimal so hoch. Der russische Demograf Alexei Rakscha, der früher die Statistikbehörde Rosstat beraten hatte, stellte eine weitere Rechnung auf: Er geht davon aus, dass die russische Bevölkerung zwischen Oktober 2020 und September 2021 um eine Million Menschen geschrumpft ist, Auswanderer nicht mitgezählt. Es wäre der grösste Rückgang in Friedenszeiten.

Als Hauptgrund dafür nennt der Demograf die hohe Sterblichkeit. Und: «Fast der gesamte Anstieg der Sterblichkeit ist auf Covid-19 zurückzuführen», sagte Rakscha der Zeitung «Nesawissimaja Gaseta». Mehr Verkehrsunfälle oder Krebstote beispielsweise habe es in dieser Zeit nicht gegeben. Die Sterblichkeit sei dort gestiegen, «wo es mit dem Coronavirus in Verbindung gebracht werden konnte: Atemwege, Kreislauf, Diabetes».

Sauerstoff für Kranke statt für Raketen

Ein Grund für die steigenden Neuinfektionen dürfte die grosse Impfskepsis der Russen sein. Weniger als ein Drittel von ihnen haben sich eines der russischen Vakzine spritzen lassen, obwohl gerade an Sputnik V kein Mangel herrschte. Dafür droht der Platz in den Covid-Spitälern nun wieder knapp zu werden, laut Gesundheitsministerium sind zurzeit 235’000 der landesweit 255’000 Betten belegt. Das staatliche Raumfahrtunternehmen Roskosmos erklärte sogar, es werde wegen dieser Lage einige Raketentests verschieben. Roskosmos-Chef Dmitri Rogosin nannte «die wachsende Nachfrage nach medizinischem Sauerstoff zur Behandlung der Kranken» als Grund dafür. Sein Unternehmen spende täglich bis zu 33 Tonnen Sauerstoff an medizinische Einrichtungen.

Von einem neuen Lockdown dagegen ist bisher keine Rede. Die Corona-Regeln in Russland sind seit vergangenem Sommer verhältnismässig locker. Der Kreml hat die Regionen selber über Schutzmassnahmen entscheiden lassen, viele liessen ihre Geschäfte und Restaurants nicht lange geschlossen.

Dafür führen nun immer mehr Regionen eine Impfpflicht ein, zumindest für Berufsgruppen mit viel Kundenkontakt.