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Attentat in Ecuador
Vor seiner Ermordung machte er die Drohungen publik 

Kaltblütig erschossen: Der ecuadorianische Journalist und Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio. 
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Eineinhalb Wochen vor der vorgezogenen Präsidentenwahl in Ecuador ist der Kandidat Fernando Villavicencio in der Hauptstadt Quito getötet worden. Präsident Guillermo Lasso hat einen 60-tägigen Ausnahmezustand ausgerufen und die Streitkräfte mobilisiert. Die Tat trifft ein Land, das in einer schweren Krise steckt. Nachfolgend die wichtigsten Fragen und Antworten. 

Wer war Fernando Villavicencio?

Villavicencio war ein Politiker und Journalist, der sich mit den Mächtigsten des Landes anlegte. Um Stimmen kämpfte er mit dem Slogan: «Es ist Zeit für die Mutigen». Wahlkampf betrieb er vor allem mit harten Massnahmen gegen Korruption und die Drogenkriminalität. Zu seinen Vorschlägen gehörten der Bau eines Hochsicherheitsgefängnisses für die gefährlichsten Kriminellen, die Militarisierung der Häfen zur Kontrolle des Drogenhandels und die Schaffung einer Anti-Mafia-Einheit, die mit ausländischer Unterstützung gegen Drogenhändler, Entführer und andere Kriminelle vorgehen sollte.

Was sind seine Verdienste als Journalist?

Bekannt wurde der 59-Jährige als furchtloser Investigativjournalist. Er deckte eine Bestechungsaffäre auf, die den früheren Präsidenten Rafael Correa und hochrangige Regierungsbeamte schwer belastete. Weil ihn die Regierung in politischen Prozessen abstrafen wollte, flüchtete Villavicencio 2017 für kurze Zeit nach Peru. Sämtliche Anklagen gegen ihn wurden später fallengelassen. 

Wie wurde Fernando Villavicencio ermordet?

Der Präsidentschaftskandidat wurde auf offener Strasse erschossen. Villavicencio befand sich am Mittwoch im Wahlkampf, wo er in der Hauptstadt Quito eine Schule besuchte. Um 18.20 Uhr Ortszeit verliess er die Schule und marschierte, von Leibwächtern begleitet, zu seinem Auto. Schüsse fielen, als Villavicencio einsteigen wollte. Der Attentäter wurde von der Polizei überwältigt und erlag seinen Verletzungen, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Weitere Angreifer schossen in die Menge. Bilder und Videos zeigen blutüberströmte Opfer, verzweifelte Helfer sowie Menschen, die auf dem Boden liegend Schutz suchen und nach Hilfe schreien. Es kam zu mehreren Festnahmen. Nach Behördenangaben wurden mindestens neun weitere Menschen verletzt.

Wer steht hinter dem Attentat?

Details zu den Angreifern sind noch nicht bekannt. Doch spricht alles dafür, dass sie der Drogenmafia angehören. Fernando Villavicencio hatte im Wahlkampf Drohungen der Gruppe «Los Choneros» publik gemacht. Der verstorbene Präsidentschaftskandidat sprach von Nachrichten eines Kriminellen namens Fito, welcher der Bande angehöre. Sollte Villavicencio weiterhin dessen Namen oder jenen der Choneros erwähnen, werde er büssen müssen, habe ihm Fito gesagt, so der verstorbene Präsidentschaftskandidat. 

Anhänger des Präsidentschaftskandidaten gehen in Deckung, nachdem er bei einer Wahlkampfveranstaltung vor einer Schule erschossen wurde.

Dachte Villavicencio angesichts der Drohungen an einen Rückzug?

Von der organisierten Kriminalität wollte sich der Präsidentschaftskandidat nicht einschüchtern lassen. Auch nicht von den Choneros, die mit dem mexikanischen Sinaloa-Kartell (lesen Sie hier, wie das Kartell eine Kleinstadt terrorisierte) verbündet sind und den Kokaintransit organisieren, der von Kolumbien aus durch Ecuador verläuft. «Hier bin ich, ich stehe für mich selbst ein, ich habe keine Angst vor ihnen», sagte er. Für seinen Mut musste er jetzt mit dem Leben büssen. 

Wie steht es um die Sicherheit Ecuadors?

Lange Zeit galt Ecuador als eines der sichersten Länder Südamerikas. Im Gegensatz etwa zu Kolumbien, Peru und Bolivien wird in dem Land mit knapp 18 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern wenig Koka angepflanzt. Auch das US-Militär, das präsent war, um den Drogenhandel zu unterbinden, garantierte eine gewisse Sicherheit. Dem früheren Präsidenten Rafael Correa war die US-Präsenz aber immer ein Dorn im Auge. 2009 mussten die US-Militärs abziehen.

Wie ging es nach dem Abzug der Amerikaner weiter?

Ecuador hat sich zu einem Transitland für Kokain entwickelt. Neben der fehlenden US-Präsenz war dafür auch eine Entwicklung in Kolumbien verantwortlich: Die dortigen Drogenkartelle verlagerten den Anbau zunehmend in den Süden, an die Grenze zu Ecuador. Um die lukrativen Routen zu kontrollieren, haben sich mexikanische und kolumbianische Kartelle mit ecuadorianischen Gangs wie den Choneros verbündet. Unterdessen hat die Drogenmafia dem Staat den Krieg erklärt. Es kam zu Attentaten auf Sicherheitskräfte und Revolten in den Gefängnissen. Am unsichersten ist die Situation in der Hafenstadt Guayaquil und in der Küstenregion. Zuletzt hat die Gewalt aber auch die Hauptstadt Quito erreicht – was sich jetzt auf dramatische Weise gezeigt hat. 

«Ich habe keine Angst vor ihnen»: Der erschossene Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio.

Wieso wird in Ecuador überhaupt gewählt?

2021 wurde Guillermo Lasso zum Präsidenten gewählt, ein ehemaliger Banker mit besten Beziehungen in die Oberschicht Ecuadors. Der Wirtschaftsliberale kämpfte von Anfang an mit erbittertem Widerstand vonseiten der Opposition im Parlament. Anfang Jahr beschuldigten Abgeordnete Lasso, Gelder veruntreut zu haben. Der Präsident wies alle Vorwürfe zurück. Trotzdem stimmte eine Mehrheit der Abgeordneten dafür, ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten. Lasso kam diesem zuvor, indem er Neuwahlen organisierte. Diese sollen am 20. August stattfinden – ohne dass sich der gefallene Präsident nochmals der Wählerschaft stellt.  

Hätte Fernando Villavicencio Wahlchancen gehabt?

Kaum. Der ermordete Kandidat wäre als klarer Aussenseiter angetreten, er lag in den Umfragen zwischen Platz vier und Platz fünf. Favoritin ist die Linkskandidatin Luisa González, eine Verbündete Rafael Correas.