Neue Daten zu OmikronVor der sechsten Welle
In der Schweiz könnte die Omikron-Welle bereits angebrochen sein. Doch neuere Daten liefern zumindest einen Lichtblick.
Die kurze Talfahrt scheint schon wieder zu Ende zu sein. Nach gut zwei Wochen mit stagnierenden oder sogar leicht sinkenden Fallzahlen meldete das Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Mittwoch wieder eine steigende Inzidenz. Der Wert kletterte zwar nur leicht gegenüber der Vorwoche – von 11’167 gemeldeten Neuansteckungen vor einer Woche auf 11’562 diesen Mittwoch. Das könnte allerdings bereits den Beginn der erwarteten Kehrtwende bedeuten.
Die beobachteten Fallzahlen stimmen jedenfalls sehr gut überein mit den aktuellen Modellen der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes. Diese prognostizieren in einem mittleren Szenario eine Trendumkehr noch vor Weihnachten – und wegen der grossen Infektiosität der Omikron-Variante dann einen rasanten Anstieg der Fallzahlen. Schon in zweieinhalb Wochen, am 9. Januar, könnten die Neuansteckungen gemäss den Modellen auf einen Rekordwert von 20’000 oder noch mehr Fällen pro Tag hochschnellen.
Ein Viertel der Neuinfektionen in Zürich sind Omikron-Ansteckungen
Auch in Deutschland rechnet man mit einer ähnlich rasanten Entwicklung. Angesichts der Dynamik, mit der sich die neue Variante in England und Dänemark bereits ausbreitet, geht ein Team um Dirk Brockmann von der Berliner Humboldt-Universität davon aus, dass sich unter der abflauenden Delta-Kurve in vielen europäischen Ländern gerade eine neue Omikron-Welle aufbaut.
Wie viel Omikron sich unter der noch immer riesigen Delta-Welle in der Schweiz verbirgt, lässt sich momentan nur abschätzen. Laut Patrick Mathys vom BAG wurden Anfang Woche rund 10 bis 20 Prozent der Neuinfektionen durch Omikron verursacht. Gemäss der aktuellen epidemiologischen Lagebeurteilung der Taskforce betrug die Häufigkeit von Omikron Ende letzter Woche in Genf 16 Prozent, in Zürich gar bereits 25 Prozent.
In Südafrika sinkt die Zahl der Neuinfektionen bereits wieder
Eine wichtige Frage ist nun: Wie lange wird der Omikron-Spuk dauern? In Südafrika sinkt die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen, die durch Omikron explosionsartig in die Höhe schnellte, seit einigen Tagen wieder deutlich. Ob die Welle dort bereits gebrochen ist oder ob es sich nur um ein Datenphänomen handelt, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Wenn die Testkapazitäten ausgeschöpft sind, können keine neuen Fälle mehr registriert werden, auch ein Verzug der Meldungen neuer Fallzahlen könnte zum Abfallen der Kurve führen, obwohl das Virus sich weiter ausbreitet.
Trevor Bedford, der am Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle die Evolution und Epidemiologie von Viren erforscht, geht davon aus, dass sich viele Menschen mit milden Symptomen erst gar nicht um einen Test bemühen, wenn es schwierig ist, einen zu bekommen. In einem Interview erklärte Bedford, dass ausserdem womöglich nicht alle Menschen gleichermassen empfänglich seien für Omikron oder dass der rasante anfängliche Anstieg mit Netzwerkeffekten zusammenhängen könnte.
Superspreading-Ereignis aus Oslo liefert Hoffnungsschimmer
Einige Superspreading-Ereignisse, zum Beispiel unter Studierenden, könnten zu einem sehr schnellen Anstieg der Fallzahlen über einige Tage hinweg führen und dann allmählich versiegen. Bedford glaubt, eine Kombination dieser Effekte habe zum Abfallen der Infektionskurve in Südafrika geführt. Daraus sei jedenfalls keine Entwarnung für den Rest der Welt abzuleiten.
Trotz aller unangenehmen Eigenschaften, die Omikron hat, gibt es auch dezente Hoffnung – zumindest für Geimpfte. So zeigt die Analyse eines Ausbruchs in Oslo, der auf eine betriebliche Weihnachtsfeier am 26. November zurückgeht, dass die klinischen Folgen für zweifach mit mRNA-Vakzin Geimpfte womöglich vergleichsweise milde ausfallen. Auf der Feier mit 117 Mitarbeitenden war ein Angestellter anwesend, der zwei Tage zuvor aus Südafrika zurückgekehrt und vermutlich mit der neuen Mutante infiziert war.
Während der viereinhalbstündigen Feier im 145 Quadratmeter grossen Raum eines Restaurants steckten sich 74 Prozent der Teilnehmer mit der neuen Variante an; der älteste Infizierte war 61 Jahre alt. Die Betroffenen berichteten besonders häufig über Husten, Schnupfen, Fieber, Abgeschlagenheit und Kopfweh, allerdings verschwanden die Symptome nach drei bis vier Tagen wieder, und niemand musste im Spital behandelt werden.
Auch Laborstudie deutet auf milderen Krankheitsverlauf hin
Für die grosse Infektiosität der Omikron-Variante spricht, dass sich in dem Raum, in dem die Feier stattfand, auch unmittelbar danach noch Dutzende andere Restaurantgäste ansteckten. Positiv könnte bei aller Vorläufigkeit der Daten hingegen sein, dass keiner der Infizierten bereits seine Booster-Impfung erhalten hatte. Somit bot offenbar auch die zweimalige Impfung – zumindest in dieser Stichprobe – einen gewissen Schutz vor schweren Verläufen.
Zuvor hatte es auch aus Südafrika immer wieder Berichte gegeben, wonach Verläufe mit Omikron womöglich milder ausfallen als mit den bisherigen Varianten. Ob sich das Virus in seiner krank machenden Wirkung wirklich abgeschwächt hat, ist bisher noch unklar.
Erklären liesse sich ein milderer Krankheitsverlauf aber mit Laborbefunden von Forschenden der University of Hong Kong. In ihrer noch nicht begutachteten Publikation beschreiben die Wissenschaftler, dass Omikron sich etwa 70-mal so schnell in den Bronchien vermehrt wie Delta. Dies könne auf eine verstärkte Virusausschüttung von Omikron-Infizierten hindeuten, schrieb der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité dazu kürzlich auf Twitter – auch wenn Angaben zur Replikation in Nase- und Rachengewebe aussagekräftiger wären. Denn je höher die Viruslast in den oberen Atemwegen ist, desto wahrscheinlicher wird die Übertragung von Mensch zu Mensch, schliesslich wird das Virus durch Aerosole weitergetragen, die beim Sprechen, Niesen und Husten entstehen.
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Im Lungengewebe vermehrt sich Omikron dagegen etwa zehnmal langsamer als Delta. Wenn es die Lunge von Patienten tatsächlich weniger stark angreift, könnte dies zu weniger schweren Verläufen führen. Allerdings, betonen die Autoren der Studie um Michael Chan Chi-wai, werde die Schwere einer Erkrankung nicht nur durch die Vermehrung des Virus bestimmt. Eine Rolle spiele auch, wie stark der Körper auf die Infektion reagiere und ob er dabei womöglich Kollateralschäden am eigenen Gewebe auslöse. «Es ist auch zu bemerken», betont Chan, «dass ein sehr infektiöses Virus mehr schwere Verläufe und Todesfälle verursachen kann, selbst wenn es weniger krank machend ist, indem es viel mehr Menschen infiziert.»
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