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Von wegen Fehlkauf Syngenta – jetzt spricht der Eigner

Pflanzenschutz bei Syngenta: Der Agrochemie-Konzern sollte in die Schweiz zurückverkauft werden, sagte Chinas Botschafter. Foto: Keystone
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Der Kauf des Basler Konzerns Syngenta im 2017 sei «kein gutes Geschäft» gewesen für die chinesische Käuferin Chemchina, sagte Chinas Botschafter in Bern, Geng Wenbing, jüngst im Interview mit dieser Zeitung. Wäre er damals in der Schweiz gewesen, hätte er den Milliardendeal gestoppt. «Wenn die Schweiz Syngenta zurückhaben will, werde ich Chemchina überzeugen, die Firma wieder zu verkaufen.»

Das Vorpreschen von Chinas Botschafter veranlasste Frank Ning, den Präsidenten des Verwaltungsrates von Chemchina, zu einem klaren Dementi. Er habe «volles Vertrauen» in Syngenta, es bestehe keine Absicht, den Schweizer Agrochemie- und Saatgutkonzern loszuwerden, sagte Ning diese Woche am Rande von Chinas Sommer-WEF in der Küstenstadt Dalian. «Chemchina hat keinen Plan, Syngenta zu verkaufen und verfolgt stattdessen den Plan, das Geschäft von Syngenta zu entwickeln», betonte Ning. Der Basler Konzern werde in der Agrarindustrie einen grossen Beitrag leisten, speziell im chinesischen Markt.

Ning kann Zweifel nicht gebrauchen

Nings Wort hat Gewicht. Er orchestrierte als Präsident der chinesischen Sinochem die Fusion mit dem Konkurrenten Chemchina zum weltgrössten Chemiekonzern mit 100 Milliarden Dollar Jahresumsatz. Letzten Sommer übernahm er zusätzlich das Präsidium von Chemchina – dessen Gründer Ren Jianxin, der Syngenta mit 43 Milliarden Dollar in bar stark überzahlte und einen Schuldenberg anhäufte, musste gehen.

Dass Ning, der als einer der fähigsten Manager Chinas gilt, sich hinter Syngenta stellt, hat gute Gründe. Chinas Wettbewerbshüter haben zwar den Deal Sinochem-Chemchina provisorisch genehmigt. Die Fusion sei aber nicht vollzogen, insistierten die beiden Staatskonzerne im Februar gegenüber der «Financial Times». In dieser unsicheren Situation kann Ning Zweifel an der Zukunft von Syngenta nicht gebrauchen. In die gleiche Richtung deutet, dass Ning Anfang Februar einen Sinochem-Manager als Chef des Agrargeschäfts in China von Syngenta, Sinochem und der Chemchina-Tochter Adama einsetzte.

Für einen einträglichen Börsengang oder gar einen Verkauf muss Syngenta zuerst aufräumen. Dass die Firma zum Zeitpunkt des Kaufs nicht in Topform war, habe in der Industrie eigentlich jeder gewusst, heisst es in Konzernkreisen. Um einen Verkauf an den Meistbietenden nicht zu behindern, wurden beispielsweise keine Rückstellungen für Genmais-Sammelklagen von US-Farmern gebildet. Dabei hatte Syngenta Genmais-Saatgut erstmals 2010 verkauft, obwohl damals noch keine Einfuhrgenehmigung für China vorlag, worauf Peking viele Maisimporte blockte.

«Wir gehen davon aus, dass die Verschuldung 2019 weiter ansteigt.»

Thomas Isler, Independent Credit View

Erst 2017 beendete Syngenta den Streit mit einem 1,5 Milliarden Dollar teuren Vergleich, unter dem der Konzern noch heute leidet. «Die finanzielle Belastung durch den Vergleich bei den Genmais-Klagen ist schwerwiegend», sagt Thomas Isler von Independent Credit View in Zürich, der für Schweizer Grossanleger Anleihen von Firmen wie Syngenta prüft. «Eine erste Tranche von 400 Millionen Dollar wurde 2018 beglichen, der Rest von 1,1 Milliarden Dollar wird dieses Jahr zur Zahlung fällig und belastet das Ergebnis von Syngenta zusätzlich.»

Der erneute Abfluss von über einer Milliarde Dollar belastet die Bilanz. «Wir gehen davon aus, dass die Verschuldung 2019 weiter ansteigt», sagt Isler. Er rechnet, dass Ende Jahr die Nettoschulden drei mal so hoch sein werden wie der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda). Die Verschuldung erreicht ein Niveau, das kritisch wird.

Dabei waren die Schulden im Vorjahr bereits stark angestiegen. Im April 2018 verkaufte Syngenta auf Geheiss aus China Obligationen für 4,75 Milliarden Dollar an Investoren, um eine Sonderdividende von 4,7 Milliarden Dollar ans Mutterhaus abführen zu können. Der gigantische Abfluss hatte zur Folge, dass das Eigenkapital in der Bilanz um fast die Hälfte schrumpfte. «Es ist zu befürchten, dass Chemchina Syngenta dazu missbraucht, um Geld günstiger am Kapitalmarkt zu beschaffen», sagt Kreditanalyst Isler.

Es bleibt viel zu tun für Syngenta

Nicht geholfen hat auch, dass Chemchina im 2017, als Syngenta sich mit den US-Maisfarmern einigte, klarmachte, Syngenta müsse die Kosten des Genmais-Vergleichs alleine stemmen, das Mutterhaus könne der Tochter nicht beistehen. Die mangelnde Solidarität verteuert seither die Geldbeschaffung. Denn die Ratingagentur Moody's stufte darauf ihre Bonitätsnote für Syngenta auf das Niveau von Ramschanleihen herab.

Syngenta hat sich zwar etwas gefangen. Aus 98 Millionen Dollar Verlust im 2017 wurden letztes Jahr 1,4 Milliarden Dollar Gewinn. Die inzwischen vorab mit Amerikanern besetzte Konzernspitze arbeite an einem Turnaround. Aber das brauche Zeit, heisst es aus Konzernkreisen.

Es fehle derzeit an guten Nachrichten für Syngenta, sagt Isler von Independent Credit View. «Der Umsatz dürfte nicht gross ansteigen, die Verschuldung auf dem erhöhten Niveau stabil bleiben.» Das ist zu wenig, um Syngenta 2021 oder 2022 zumindest teilweise wieder an die Börse zu bringen – was weiterhin der Plan sei, heisst es in Basel. Denn die Marge auf Stufe Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibern (Ebitda) ist von 20,6 Prozent im Vorjahr auf 19,3 Prozent im 2018 gesunken. Syngenta hatte 2018, verglichen mit den schärfsten Konkurrenten Bayer Crop Science, Corteva und BASF, laut «Finanz und Wirtschaft» die niedrigste Ebitda-Marge. Bis China mit einem (Teil-)Verkauf Kasse machen kann, ist also noch viel zu tun.