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Reaktion wegen Nawalny
Von Merkel wird jetzt viel erwartet

Spezialschiff in der Ostsee: Die russische «Akademik Cherskiy» soll in den nächsten Monaten die letzten Kilometer der russisch-deutschen Gaspipeline Nord Stream 2 auf den Meeresgrund legen.
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Angela Merkel legte Wert darauf, selbst vor die Medien zu treten und den «versuchten Giftmord» am Kremlkritiker Alexei Nawalny in ungewöhnlich scharfen Worten zu verurteilen. Die deutsche Kanzlerin machte sich damit den Fall des in Berlin im Spital liegenden russischen Oppositionellen am Mittwoch offiziell zu eigen und ging auf Konfrontation mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin.

Zwar sagte Merkel, Deutschland werde Reaktionen eng mit den Partnern in EU und Nato abstimmen. Selbstverständlich war der 66-Jährigen aber auch bewusst, dass ihre scharfe Kommunikation auch in Deutschland hohe Erwartungen wecken würde.

Jetzt geht es um Gas

Abgesehen von der Alternative für Deutschland und der Linkspartei, die vor vorschnellen und einseitigen Schuldzuweisungen an die Adresse Russlands warnten, schlugen die Parteien mehrheitlich harsche Töne an. Mit diplomatischen Routinegesten wie der Ausweisung von Botschaftsangestellten oder neuen Oligarchennamen auf irgendwelchen Sanktionslisten sei es diesmal nicht getan, meinten viele Politiker.

Der Christdemokrat Norbert Röttgen, Kandidat für den CDU-Vorsitz und Vorsitzender des aussenpolitischen Ausschusses im Bundestag, sagte, Putin verstehe nur die «Sprache der Härte». Deswegen müsse die Regierung jetzt die Vollendung von Nord Stream 2 infrage stellen. Werde die russisch-deutsche Gaspipeline durch die Ostsee trotz des Anschlags auf Nawalny fertig gebaut, werde sich Putin geradezu ermuntert sehen, mit der brutalen Einschüchterung von Kritikern fortzufahren.

Der Fall Nawalny: Angela Merkel hatte von einem Mordversuch gesprochen und die Regierung von Wladimir Putin aufgefordert, die Hintergründe aufzuklären. 

Auch Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, forderte ein Ende des Gemeinschaftsprojekts. Die meistgelesene Zeitung Deutschlands, die «Bild», kommentierte: Wenn die Bundesregierung den Bau jetzt nicht stoppe, «finanzieren wir mit Nord Stream 2 bald Putins Nowitschok-Anschläge». Röttgen, Göring-Eckardt und «Bild» eint freilich auch, dass sie schon lange vor dem Anschlag auf Nawalny gegen das Unterfangen getrommelt hatten. Andere Politiker von CDU und CSU bezeichneten die Forderung hingegen als «absurd».

Merkel sind bei Nord Stream 2 die Hände gebunden.

Merkel hatte noch am Dienstag bei einem Besuch an der Ostsee bekräftigt, dass Nord Stream 2 zu Ende gebaut werde – obwohl die USA bekanntlich mit allen Mitteln versuchten, Deutschland und Russland daran zu hindern. Der Fall Nawalny habe damit nichts zu tun. Zwei Tage später war diese Haltung nicht mehr so leicht aufrechtzuerhalten.

Merkel sind bei Nord Stream 2 allerdings in mindestens zweierlei Hinsicht die Hände gebunden. Zum einen wird von ihr erwartet, dass sie das seit 2014 geplante Projekt sowohl gegen die Kritik osteuropäischer EU-Partner wie auch gegen die brachialen Attacken von US-Präsident Donald Trump in Schutz nimmt und damit die energiepolitischen Interessen Deutschlands behauptet. Zum anderen ist die Gaspipeline nicht ihr Herzensanliegen, sondern das des sozialdemokratischen Koalitionspartners, insbesondere ihres Vorgängers Gerhard Schröder.

Enge Freunde: Der russische Präsident Wladimir Putin (rechts) mit seinem besten deutschen Verbündeten, Ex-Kanzler Gerhard Schröder. 

Der frühere Kanzler ist seit 2005 Putins Mann für Gas und Öl in Deutschland und hat Nord Stream entscheidend vorangetrieben, erst als Kanzler, dann als Schattendiplomat und bezahlter Lobbyist. Würde Merkel den Bau der Gaspipeline jetzt kurz vor ihrer Vollendung stoppen, würde sie ein Jahr vor Ende ihrer letzten Amtszeit einen frontalen Zusammenstoss mit der SPD provozieren.

Beweise wären nötig

Abgesehen davon, meinen manche Experten, hätte ein Stopp oder ein Einfrieren des Baus freilich auch einigen diplomatischen Charme: Schliesslich würde er es Deutschland erlauben, dem Schraubstock der Amerikaner zu entrinnen, ohne Trump direkt nachzugeben. Schuld am Ende wären ja die Russen.

Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum es unwahrscheinlich ist, dass es so weit kommt. Anders als 2018 der Ex-Doppelagent Sergei Skripal wurde Nawalny nicht im Ausland, sondern in Russland vergiftet. Es dürfte deswegen schwer bis unmöglich sein, den Anschlag mit einiger Sicherheit auf Putin oder seine Geheimdienste zurückzuverfolgen. Und ohne einen solchen Nachweis dürfte Merkel ein Milliardenprojekt wie Nord Stream 2 gewiss nicht aufgeben.