Mick Schumacher vor dem GP AserbeidschanVom Wunderkind zum Crashpiloten
Er zerlegt das Auto, hat noch keinen einzigen Punkt geholt und steht unter Druck wie nie: Das hochgelobte Talent Mick Schumacher sucht den Weg aus dem Teufelskreis.
Würde Mick Schumacher heute seine Karriere beenden, stünde er auf Rang 6. In einer Rangliste, in der kein Formel-1-Fahrer seinen Namen lesen will. In diesem wenig rühmlichen Reigen geht es darum, wer bis zum Ende seiner Laufbahn die meisten Grands Prix bestritten hat, ohne auch nur einen Punkt geholt zu haben. Luca Badoer (51 Rennen), Charles Pic (39), Max Chilton (35), Brett Lunger (34), Toranosuke Takagi (32) – und schon wäre die Reihe am Sohn von Siebenfachweltmeister Michael Schumacher. Obwohl früher nur die Top 6 und in den 2000er-Jahren die Top 8 Punkte erhielten und nicht wie heute die Top 10.
28 Rennen alt ist die Formel-1-Karriere des 23-Jährigen. Eigentlich hätte er gar schon 29-mal starten sollen, in Saudiarabien ist er aber schon im Qualifying heftig in die Streckenbegrenzung geknallt, das Haas-Team konnte sein Auto nicht mehr rechtzeitig herrichten.
Die Liste mag Spielerei sein – es ist nicht davon auszugehen, dass Schumacher es gar nie in die ersten zehn schaffen wird. Doch sie zeigt, wie schwer sich das viel gelobte Talent tut auf der obersten Stufe.
Der Teamkollege nimmt ihm die Leichtigkeit
Während Teamkollege Kevin Magnussen schon 15 Punkte geholt hat, gehören dem Deutschen die negativen Schlagzeilen. Beim letzten Grand Prix in Monaco sorgte Schumacher für fürchterliche Bilder, als er bei der Schwimmbadpassage in die Leitplanken schlitterte und es seinen Rennwagen in zwei Teile riss. Erneut blieb er unverletzt, immerhin das.
«Mick kennt die Erwartungen, die bestehen, wenn man einen Teamkollegen hat, der Punkte holt. Dann muss man es ihm gleichtun, und wenn du das nicht tust, wird es schwierig.»
Günther Steiner, Teamchef bei Haas, kommentierte knapp: «Es ist nicht sehr befriedigend, wieder einen grossen Unfall zu haben. Wir müssen sehen, wie wir von hier aus weitermachen.» Es scheint, als würde die Geduld beim US-amerikanischen Rennstall allmählich ausgehen, zumal er endlich wieder einmal über ein Auto verfügt, das im vorderen Mittelfeld mithalten kann. Magnussen tut das. Schumacher nicht. Steiner sagt: «Mick kennt die Erwartungen, die bestehen, wenn man einen Teamkollegen hat, der Punkte holt. Dann muss man es ihm gleichtun, und wenn du das nicht tust, wird es schwierig.» Die Last von Schumacher zu nehmen, klingt anders.
Noch im Vorjahr, seinem ersten in der Formel 1, hatte Schumacher ein paar Glanzmomente. Allerdings machte es ihm Nikita Masepin, sein damaliger Rivale im eigenen Team, auch ziemlich leicht, gut auszusehen. Nun ist die Schonzeit für den Ferrari-Junior vorbei, müssen Resultate her – vor allem darf er nicht mehr verunfallen.
4,4 Millionen Franken Schaden
Das Portal «F1Maximaal» hat vorgerechnet, dass er mit seinen Unfällen 4,4 Millionen Franken Schaden verursacht habe. So viel wie kein anderer Pilot. Viel Geld für einen Rennstall wie Haas – und derzeit ohnehin für jedes Team ein Betrag, der schmerzt. Schliesslich gibt es seit 2021 eine Budgetobergrenze, in diesem Jahr wurde sie von 145 auf 140 Millionen Dollar gesenkt – einst gaben die grossen Rennställe eine halbe Milliarde aus pro Jahr.
«Ich befürchte, dass Mick mit einem gewissen Mass an Verzweiflung zu viel aus dem Wagen holen will.»
Steiner sagte noch vor dem schweren Unfall in Monaco: «Ein Fahrer denkt hinter dem Lenkrad nicht ans Budget, er denkt an seine Karriere. Jeder Pilot will dem Limit so nahe wie möglich kommen und merkt erst, dass er eine Grenze überschritten hat, wenn es schon zu spät ist. Ich kann einem Piloten nicht sagen, er solle langsamer fahren.» Und prophetisch: «Grundsätzlich mache ich mir um Mick keine Sorgen. Ich befürchte aber, dass er mit einem gewissen Mass an Verzweiflung zu viel aus dem Wagen holen will.»
Schumacher: gefangen im Teufelskreis. Er muss an die Grenze gehen, um Magnussen zu fordern und sich den Punkterängen zu nähern – gleichzeitig steigt das Risiko eines Unfalls. In Monte Carlo vermutete er, zehn Zentimeter hätten den Ausschlag gegeben für den Abflug. Er sei ein klein wenig auf eine noch nasse Stelle geraten. Sein Onkel und Ex-Formel-1-Pilot Ralf Schumacher sagt: «Der Ausfall im Rennen war sein Fehler. Andere sind an dieser Stelle problemlos vorbeigefahren, er nicht. Mick ist aufs Feuchte gekommen, und das ist ein Fehler, der dir nicht passieren darf.»
Ralf Schumacher sieht rosige Zukunft
Bei Sky Sport kritisiert der 46-Jährige aber auch Teamchef Steiner für seine Worte nach dem Vorfall, «sie lassen zu viel Raum für Interpretation. Das ist überflüssig. Auch das Team hat Fehler gemacht.» Zudem würden andere Teamchefs erkennen, «welches Potenzial da ist. Es gibt auch andere Möglichkeiten als Haas. Da tut sich gerade viel, ein grosser deutscher Hersteller kommt in die Formel 1 und möchte unbedingt einen deutschen Fahrer.» Porsche und Audi planen einen Einstieg ab 2026. Doch erst einmal muss Schumacher bis dann interessant bleiben als Rennfahrer – oder es werden. Aston Martin hat Gerüchte schon einmal dementiert, wonach Schumacher im kommenden Jahr Sebastian Vettel ersetzen könnte.
Vettel ist ein Freund der Familie und einer der Fürsprecher Schumachers. Wie Franz Tost, Teamchef von Alpha Tauri. Auf dem Portal «F1-Insider» sagt der Österreicher: «Man sollte Mick nicht vorschnell abschreiben. Ich glaube weiter an ihn. Man sollte ihm Zeit geben.» Nur ist das so eine Sache mit der Geduld in der Formel 1. Sie ist ziemlich schnell aufgebraucht.
Noch helfen Schumacher sein klingender Name und die Tatsache, dass er sowohl die Formel 3 als auch die Formel 2 gewonnen hat. Damals gelang ihm der Coup jeweils nach einem durchzogenen Jahr. Genau daran erinnert sich der junge Mann aus dem waadtländischen Gland in diesen Tagen. Er sagt: «Die Saison ist noch lang, das Blatt kann sich wenden – und das sehr schnell. Ich habe das schon früher gezeigt, und ich bin mir sicher, dass ich es auch in diesem Jahr zeigen werde.» In der aserbeidschanischen Hauptstadt Baku hat er dieses Wochenende die erste Chance, die Wende einzuleiten. Nur: Die Gassen sind auch da eng, die Tempi horrend.
Danach geht es gleich weiter nach Kanada, wo eine Woche später gefahren wird. Günther Steiner sagt: «Es ist eine lange Reise, und das Team arbeitet sehr hart, um alles zu schaffen. Es ist eine Herausforderung, da wir nur ein paar Tage Zeit haben, um das Auto neu einzustellen und für das nächste Rennen wieder loszulegen. Wenn man einen Schaden am Auto hat, wird es noch schwieriger, also hoffen wir, dass wir in Baku keinen Schaden haben.» Von Resultaten spricht er schon gar nicht mehr.
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