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Verkehrspolitik in Frankreich
Paris sanktioniert SUV – ist das Öko-Populismus?

A car is parked in Paris city centre on February 1, 2024 as Paris' city hall is organising a vote on February 4 on the creation of a special parking fee for heaviest and most polluting cars and SUVs. (Photo by Dimitar DILKOFF / AFP)
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Paris verändert sich so schnell, dass man nicht zu lange weg sein sollte: Schon erkennt man die Stadt nicht mehr. Natürlich ist das etwas übertrieben, denn die Schönheiten bleiben ja an ihrem Platz, die Gärten und Museen und Paläste, die Seine, sogar die alten Cafés, auch wenn die jetzt Touristenattraktionen sind.

Aber das Getose um sie herum wandelt sich. Das Geheul der Motoren dimmt langsam weg, nicht nur, weil einige von ihnen hybrid oder elektrisch sind. Die Fahrbahnen der Alleen und Boulevards werden immer schmaler, die Trottoirs für die Fussgängerinnen und Fussgänger dafür umso breiter, die Velowege auch.

Die links-grüne Stadtregierung, an der Macht seit mehr als zwanzig Jahren, verwandelt die Mobilität so radikal, dass es schon mal vorkommt, dass sich Einheimische nicht ganz so zentraler und gerade deshalb lebenswerterer Arrondissements Sorgen machen, auch ihre Viertel könnten zu hübsch werden, zu verkehrsberuhigt, zu touristisch bald. Eine denkwürdige Sorge.

Aber was ist falsch daran, eine Grossstadt, die einmal dem Auto gehuldigt hatte, als wäre es die Quintessenz des Fortschritts, etwas umweltgerechter und gesünder zu machen? Gibt es da eine Grenze? Und ist die mit sehr hohen Parkplatzgebühren für SUV erreicht?

Sechs Stunden im Stadtzentrum: 225 Euro

Am Sonntag waren die stimmberechtigten Pariserinnen und Pariser von ihrer Regierung eingeladen worden, darüber abzustimmen, ob in Zukunft Fahrer dieser grossen Autos bald viel mehr bezahlen müssen für ihren Parkplatz als jene mit kleineren Wagen. Dreimal so viel wie bisher.

In den Arrondissements 1 bis 11 statt 6 neu 18 Euro pro Stunde, in den Arrondissements 12 bis 20 neu 12 Euro. Als Kriterium gelten nicht die Modelle, sondern das Gewicht. Betroffen sind Autos mit Benzin-, Diesel- und Hybridmotoren ab 1,6 Tonnen und elektrische ab 2 Tonnen. Und die Abstellgebühren sind überdies progressiv angelegt – sechs Stunden Parkieren im Zentrum: 225 Euro. Ausgenommen sind Taxifahrer, Ärzte, Menschen mit Behinderung und Einheimische mit Parkierbewilligungen in deren Wohnstrassen. Wer von ausserhalb kommt, auch aus der Banlieue, der bezahlt.

Die Rechte und die Automobilistenlobby sind der Meinung, die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo betreibe «Öko-Populismus». Mit ihrem Maximalismus bestrafe und stigmatisiere sie die Fahrer von grossen Autos, wo diese doch die Luft oft nicht mehr belasteten als ältere Modelle, eher noch im Gegenteil. Der grosse Kulturkampf, gespiegelt im Umgang mit SUV.

Paris' mayor Anne Hidalgo arrives at a polling station as Paris residents vote on the creation of special parking fees for the heaviest and most polluting cars and sports utility vehicles (SUV) in Paris on February 4, 2024. (Photo by Thomas SAMSON / AFP)

Hidalgo aber sagt, das sei nun mal Demokratie. «Abgesehen von der Spaltung zwischen dem Westen und dem Osten ist der Entscheid der Pariser in allen Arrondissements sehr eindeutig.» Sehr eindeutig?

Hier die Zahlen: Teilgenommen haben 78’121 von insgesamt 1’374’532 Pariserinnen und Parisern mit Stimmrecht, also 5,7 Prozent. Von diesen 5,7 Prozent wiederum haben 54,55 Prozent (oder genau 42’415 Personen) dafür gestimmt, dass die Gebühren für SUV so drastisch erhöht werden.

Das Ost-West-Gefälle sprach Hidalgo deshalb an, weil der Westen von Paris tendenziell bürgerlicher ist, reicher, die Bodenpreise dort sind höher. Wahrscheinlich besitzen im Westen auch mehr Menschen grosse Autos als im Osten.

Die Sache mit der Demokratie

Als man Hidalgo fragte, wann sie den Entscheid umsetzen wolle, zögerte sie keinen Moment: «Die neuen Gebühren gelten ab dem kommenden 1. September.» Gut möglich, dass es noch Einsprachen geben wird. Die Gegner halten die Abstimmung für eine Farce. Sie hinterfragen die Legitimität eines Volksentscheids zur Verkehrspolitik, an dem nur 5,7 Prozent der Stimmberechtigten teilnehmen.

Nun, demokratisch ist ein Entscheid, wenn eine Mehrheit der Stimmenden dafür ist, so es denn kein Quorum gibt für dessen Gültigkeit, keine Mindestbeteiligung. Man kann der Pariser Stadtregierung nicht vorwerfen, sie habe die Bürger nicht informiert. Seit Monaten hingen an jeder Strassenecke Plakate mit der Aufschrift «Plus ou moins de SUV à Paris?» Mehr oder weniger SUV in Paris? Dazu das Bild eines grossen, roten Autos.

Die Botschaft war etwas tendenziös, klar, aber sie war laut genug. Alle Medien berichteten über den Stimmtermin. «Le Parisien», die grösste Zeitung in der Stadt, listete die Adressen der Stimmlokale auf.

«Pour» oder «Contre» – es gab Verwirrung

Vielleicht war die Abstimmungsfrage etwas wirr formuliert. Man sollte nicht mit «Ja» oder «Nein» antworten, sondern mit «Pour» oder «Contre», «Dafür» oder «Dagegen». Und da sollen manche gerätselt haben, ob sie mit einem «Pour» am Ende für mehr SUV stimmten statt für eine Erhöhung der Gebühren für «schwere, platzraubende, luftverpestende Autos», wie es auf dem Zettel hiess. Aber so etwas kommt in den besten Demokratien vor.

Die Kritik am lokaldemokratischen Prozess ist auch ein bisschen unzeitgemäss. Immer öfter heisst es auch in Frankreich, die Politik entscheide am Volk vorbei, die Mitsprache erodiere, es brauche mehr Direktdemokratie.

Präsident Emmanuel Macron verhiess jüngst, er wolle die direktdemokratischen Instrumente stärken. Doch so richtig ernst nimmt ihn niemand. Referenden passen nun mal schlecht in die politische Kultur eines Präsidialsystems. Das letzte nationale Referendum in Frankreich fand 2005 statt. Da ist jede lokale Volksabstimmung eine Chance auf einen Kulturwandel, und wer weiss, vielleicht wächst mit der Zeit auch die Lust daran.