Verhandlungen um Hamas-Geiseln«Baldiger Durchbruch» für Freilassung von Entführten
Eine Nachricht aus Katar lässt hoffen: Die Hamas ist offenbar bereit, Frauen, Kinder, ältere und gesundheitlich angeschlagene Menschen freizulassen. Doch was fordert sie dafür?
Es ist ein Hoffnungsschimmer, genährt durch Signale aus den USA und aus Katar. Der katarische Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman liess in der Nacht zum Donnerstag mit der Erklärung aufhorchen, er hoffe, es gebe «bald einen Durchbruch» bei den Verhandlungen über die Freilassung von Geiseln aus dem Gazastreifen.
Von offizieller israelischer Seite hiess es fast gleichzeitig, die Bemühungen Katars seien «entscheidend». Auch das Weisse Haus teilte mit, auf diplomatischer Ebene gebe es derzeit intensive Bemühungen. Nach einer Mitteilung der israelischen Armee befinden sich nun noch mehr Geiseln in der Gewalt der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen: 224 sind es, bisher war von vier weniger ausgegangen worden.
Hoffnung für eine «grössere Gruppe»
Nach einem Gespräch zwischen US-Präsident Joe Biden und dem israelischen Premier Benjamin Netanyahu wurde in einer Erklärung explizit auf Bemühungen verwiesen, wie ausländischen Bürgern eine Ausreise ermöglicht werden könne. Darin wurde auch «die weitergehende Unterstützung des US-Präsidenten» für humanitäre Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen betont.
Damit könnte eine Vereinbarung darauf hinauslaufen, dass Israel sich zumindest bereit erklärt, mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen zu lassen, wenn die Hamas eine grössere Zahl von Geiseln freilässt. (Lesen Sie zum Thema auch das Interview mit dem IKRK-Einsatzleiter Martin Schüepp: «Wir nehmen die Geiseln in Empfang und bringen sie aus dem Gazastreifen».)
Auch die israelische Zeitung «Haaretz» berichtet unter Berufung auf mit den Verhandlungen betraute Personen, dass eine grössere Gruppe innerhalb der nächsten zwei Tage freikommen könnte. Denn, so verlautete, die Hamas wolle selbst Geiseln loswerden, weil sie nicht damit gerechnet habe, so viele Menschen entführen zu können. Man sei nicht darauf vorbereitet gewesen, so eine grosse Anzahl Menschen unterbringen und versorgen zu müssen.
Die Hamas fordert im Gegenzug die Freilassung palästinensischer Gefangener.
Allerdings wolle die Hamas im Gegenzug erreichen, dass palästinensische Gefangene, die in israelischen Gefängnissen einsitzen, freigelassen werden. Dies hatte Israel offiziell bisher strikt abgelehnt, das scheint auch der strittigste Punkt bei den Verhandlungen zu sein. Die Hamas soll nun argumentieren, dass man das auch als humanitäre Geste Israels interpretieren könne, wenn weibliche oder ältere Gefangene freigelassen würden.
Mit Stand Ende Juni befanden sich 5349 Palästinenser in israelischen Gefängnissen, davon 186 aus dem Gazastreifen. Seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober sollen israelische Sicherheitskräfte zusätzlich mehrere Hundert Palästinenser im Westjordanland festgenommen haben.
138 von 224 Geiseln mit nicht israelischen Pass
Die Hamas soll bereit sein, Frauen, Kinder, ältere und gesundheitlich angeschlagene Menschen freizulassen. Die jüngste Geisel ist neun Monate alt, die älteste 85 Jahre. Es wird spekuliert, dass es um eine grössere Gruppe von rund 50 Personen geht. Die Hamas hat bisher erklärt, keinesfalls Armeeangehörige freilassen zu wollen.
Auch Geiseln mit einem ausländischen Pass dürften bessere Chancen haben. Das trifft nach neusten Angaben der israelischen Armee auf mehr als die Hälfte der von der Hamas verschleppten Personen zu – auf 138 von 224. Die meisten haben einen ausländischen Pass, jedoch zusätzlich zur israelischen Staatsbürgerschaft.
Bisher hat die Terrororganisation eine Mutter und Tochter mit US-Staatsbürgerschaft und zwei ältere und gesundheitlich angeschlagene Israelinnen freigelassen. Angehörige der Geiseln verweisen darauf, dass die Zeit dränge, auch mit Blick auf die geplante israelische Bodenoffensive im Gazastreifen. Die Geiseln seien «mitten in einer Kriegszone». (Lesen Sie zum Thema auch das Interview mit Terrorexperte Peter Neumann: «Für die Hamas sind die Geiseln ein Köder, um die Israelis in die Falle zu locken.»)
Die Bemühungen unter Einbindung Katars und der USA, die Geiseln zu befreien, dürften der Hauptgrund sein, warum Israel die Bodenoffensive noch nicht gestartet hat. Zwar schickten die israelischen Streitkräfte in der Nacht zu Donnerstag einige Bodentruppen in den Norden des Gazastreifens, beendeten den Einsatz aber noch vor Tagesanbruch. «Die Soldaten haben das Gebiet inzwischen verlassen und sind auf israelisches Territorium zurückgekehrt», hiess es heute Morgen in einer Mitteilung der israelischen Armee.
Israelische Bodentruppen in Gaza als Vorbereitung für Offensive
Im Armeeradio war vom bislang grössten Einsatz von Bodentruppen in diesem Krieg die Rede. Am Sonntag hatte das israelische Militär erstmals bekannt gegeben, kurzfristig mit Soldaten in den Gazastreifen eingedrungen zu sein.
In einem von den Streitkräften veröffentlichten Video vom nächtlichen Einsatz war zu sehen, wie gepanzerte Fahrzeuge durch eine sandige Grenzzone fuhren und Granaten abfeuerten. Die israelische Armee erklärte, der Einfall sei «in Vorbereitung auf die nächsten Phasen des Kampfes» erfolgt. Das könnte ein Hinweis auf einen gross angelegten Einmarsch von Bodentruppen sein, den die israelische Regierung mehrmals angekündigt hat.
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Gemäss einem Bericht des «Wall Street Journal» soll die Bodenoffensive auch auf Bitten der USA verzögert worden sein. Das Verteidigungsministerium habe mehr Zeit zum Aufbau der Luftabwehr gebraucht, um in die Region verlegte US-Truppen besser schützen zu können.
Erklärtes Ziel der israelischen Regierung ist es, die Hamas auszulöschen. Allerdings wird mit einer blutigen Auseinandersetzung gerechnet, weil sich die Kämpfer der Terrororganisation und des Islamischen Jihad in das Tunnelsystem zurückgezogen haben dürften.
Eine der freigelassenen Geiseln bestätigte, dass sie in das unterirdische Tunnelsystem verschleppt worden sei, das sie «wie ein Spinnennetz» beschrieb.
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