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Neuartige Leichtathletik-Show
Vergessen Sie «Weltklasse Zürich»!

Schnellster bei den Inspiration Games: Weltmeister Noah Lyles (USA) wünschte sich ein 200-m-Rennen und startet in Florida.
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Was ist das Wichtigste, wenn Sie sich die Übertragung auf SRF 2 (20 Uhr) anschauen?

Dass Sie alle Bilder, Eindrücke und Stimmungen von «Weltklasse Zürich» im ausverkauften Letzigrund vergessen, die sich im Laufe der Jahrzehnte angesammelt haben. Eigentlich hätte im September das dreitägige Saisonfinale der Diamond League auf dem Sechseläutenplatz, im HB Zürich und im Stadion stattfinden sollen – etwas in Zürich noch nie Dagewesenes. Jetzt gibt es etwas anderes noch nie Dagewesenes: ein 90-minütiges TV-Produkt mit Starts auf der ganzen Welt. Den Organisatoren stellte sich nach der Corona-bedingten Absage von «Weltklasse Zürich» die Frage: Machen wir in diesem Jahr also nichts – oder wagen wir etwas Neues? Entstanden sind die Inspiration Games, deren Botschaft Co-Meetingdirektor Andreas Hediger so formuliert: «Sie sollen signalisieren, dass es auf der Top-Ebene der Leichtathletik weitergeht. Und wir hoffen natürlich, dass sie einmalig sind.»

Wo finden die Inspiration Games statt?

Das Letzigrund-Stadion ist das technische Zentrum und Herz der Spiele, obwohl nur vier Athletinnen und ein Athlet dort antreten. Doch die Games sind eine weltweite Veranstaltung. «Weil die Sportler wegen der Reiserestriktionen nicht hierherkommen können, gehen wir halt zu ihnen», sagt Hediger und meint damit TV- und Technikcrews. Diese sechs Städte in drei verschiedenen Zeitzonen sind Schauplatz eines Teils der Wettkämpfe: Walnut (Kalifornien / –9 Stunden), Bradenton (Florida / –6 Stunden), Papendal/Arnheim (NED), Karlstad (SWE), Lissabon (POR) und Aubière (FRA). Je drei Konkurrentinnen oder Konkurrenten messen sich in acht Disziplinen – bei den Frauen über 150 Meter, 300 Meter Hürden, 3×100 Meter und im Stab, bei den Männern über 100 Yards, 200 Meter, in Stab und Dreisprung. Es geht nicht nur um Einzelsiege, die rund dreissig Athletinnen und Athleten gehören entweder dem Welt-, dem USA- oder dem Europa-Team an, für das sie gleichzeitig Punkte sammeln.

Wer hat den Sprung ins exquisite Teilnehmerfeld geschafft?

Ajla Del Ponte (links) und Mujinga Kambundji bilden mit Riccarda Dietsche im Letzigrund die Staffel.

Aus der Schweiz starten Europameisterin Lea Sprunger (300 m Hürden) sowie WM-Bronzegewinnerin Mujinga Kambundji (auch über 150 m), Ajla Del Ponte und Riccarda Dietsche in der Staffel. Kambundjis Gegnerinnen im Einzelrennen könnten kaum prominenter sein: Mit Allyson Felix (USA) ist es die erfolgreichste Leichtathletin überhaupt, sie ist sechsfache Olympiasiegerin und zwölffache Weltmeisterin. Das Trio komplettiert Shaunae Miller-Uibo aus den Bahamas, die 400-Meter-Olympiasiegerin von 2016. Spannend wäre ein Start der Tessinerin Del Ponte über 150 Meter gewesen. Sie ist in Hochform und lief Mitte Juni in Meilen die Schweizer Bestzeit von 16,67. Auf die Frage, ob sie dieses Rennen nicht gereizt hätte, sagte sie bescheiden, nein, nein, das sei schon gut, wie es sei. Glauben mochte man ihr das nicht ganz.

Während Kambundji in dieser Saison erstmals startet, trat Sprunger bereits bei den Impossible Games in Oslo Anfang Juni an und experimentierte dort mit einem 13-Schritt-Rhythmus zwischen den Hürden. In Zürich wird sie zum 14er-Muster zurückkehren, ganz fit ist sie nicht. Seit einigen Wochen plagt sie eine Achillessehnenreizung, deren Ursache sie nicht kennt. «Vielleicht hat der Körper auf Ruhe umgestellt, als er Corona hörte. Ich will aber keine Ruhe!», sagte sie mit einem Schmunzeln. Sie trifft auf die Tschechin Zuzana Hejnova, eine langjährige Gegnerin, die in 38,16 Sekunden die Weltbestleistung auf der inoffiziellen Distanz hält. Weltrekorde werden auf diesen nicht ratifiziert.

Welche Farbe haben ihre Haare bei den Inspiration Games? Shaunae Miller-Uibo läuft in Florida und ist Gegnerin Kambundjis.

Bei den Männern sind Sprint-Weltmeister Noah Lyles und Christian Taylor die Stars, der Extrovertierte und der Besonnene. Lyles dominierte in den letzten Jahren über 100 und 200 Meter die Diamond League und gewann an der WM in Katar dann Gold auf der längeren Distanz. Und zu Taylor, dem zweifachen Olympiasieger und vierfachen Weltmeister im Dreisprung, gibt es nur eine Frage: Wer hat je eine technische Disziplin so lange dominiert wie er?

Wie einsam werden die Athletinnen und Athleten in ihren Stadien sein?

Leider ziemlich. Im Letzigrund startet neben den Schweizerinnen nur noch der französische Sprinter Christophe Lemaître (FRA), der für den verletzten Alex Wilson über 200 Meter eingesprungen ist. Es werden rund 300 Zuschauer da sein, «es wären zwar mehr erlaubt, aber wir möchten nicht den Eindruck einer Massenveranstaltung erwecken», sagt Christoph Joho, der zweite Meetingdirektor. Geradezu viel Betrieb wird in Bradenton herrschen, wo gleich acht Athletinnen und Athleten antreten. Weil Florida und Kalifornien aber zu den US-Gliedstaaten mit den meisten Corona-Fällen gehören, werden dort kaum Zuschauer zugelassen. Gar der einzige Athlet in Aubière (FRA) wird Stabspringer Valentin Lavillenie sein. Er füllt die Lücke, die sein Bruder Renaud, der einstige Weltrekordhalter, nach einem Daumenbruch hinterlassen hat.

Wie funktioniert dieses Meeting fernsehtechnisch?

Ein Beispiel: Start über 150 Meter der Frauen ist in Zürich um 20.10 Uhr (Kalifornien 11.10 Uhr, Florida 14.10 Uhr). Der Startschuss fällt in Zürich und mittels elektronischem Impuls gleichzeitig an den anderen Orten. Die Sprinterinnen ziehen los, erreichen das Ziel, und die von der SRG produzierten Bilder werden nach Zürich geschickt. Die Techniker synchronisieren die drei Läufe, als Referenz gilt der Blitz, den die Startpistole verursacht. Mit zweiminütiger Verzögerung werden das Rennen und der Zieleinlauf im TV übertragen. Die Zuschauer zu Hause sehen erst einen dreigeteilten Bildschirm und so alle drei Sprinter, beim Zieleinlauf alle drei Ziellinien übereinander. Siegesjubel? Vielleicht. Jede der drei sieht in ihrem Stadion die Bilder des Einlaufs. Applaus? Wohl spärlich (aber man ist ja nicht bei «Weltklasse»!). In den Sprungdisziplinen ist die Übertragung klassisch, wobei Taylor auf einem Laptop verfolgen kann, wie Pedro Pablo Pichardo in Lissabon springt.

Wieso wird über inoffizielle Distanzen gelaufen? Und gibt es Preisgeld?

Weil es für die meisten der Saisonstart ist und die Zeiten auch nicht direkt mit solchen beispielsweise der letzten WM verglichen werden sollen. Bei den in Europa kaum gelaufenen 100 Yards hat es sich ergeben, dass Jimmy Vicaut (FRA), André De Grasse (CAN) und Omar McLeod (JAM) alle in Florida trainieren. Und ja: Es gibt für die Sieger 10’000 Dollar Preisgeld, für die Zweiten 6000, die Dritten 4000. Und: Es kann auch Dopingkontrollen geben.

Was sagen die Athletinnen und Athleten zu den Inspiration Games?

Vor allem eines: Danke! An einer Video-Medienkonferenz war man sich einig: Mit der virtuellen Startgelegenheit erhielten alle ein Ziel, was das Training erleichtert. Auch wenn klar ist, dass die Bedingungen an den sieben Orten sehr unterschiedlich sein können. Dazu aber sagt Hediger: «Das gibt ein wenig Diskussionsstoff. Und letztlich sind es Wettkämpfe mit einem Augenzwinkern.»