Parlamentswahlen in FrankreichVereinigte Linke will Macron ausstechen
Das neue Wahlbündnis um «La France Insoumise» strebt die Parlamentsmehrheit an – und soll dem Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon ins Premieramt verhelfen.
Nach den Grünen und den Kommunisten haben auch die Sozialisten beschlossen, für die Parlamentswahlen im Juni ein Bündnis mit der Partei «La France Insoumise» von Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon einzugehen. Mit der «Nouvelle Union Populaire Écologique et Sociale» wollen sie die Mehrheit in der Nationalversammlung holen und damit die Macht des liberalen Staatschefs Emmanuel Macron einschränken.
Sollte die «Neue ökologische und soziale Volksunion» die Parlamentsmehrheit erringen, wäre Macron faktisch gezwungen, einen Premier aus ihren Reihen zu ernennen. Laut den Abmachungen im linken Lager soll dies Mélenchon werden. Bei einer «Cohabitation» könnte Macron seine Vorhaben nicht mehr so einfach umsetzen.
Wie wahrscheinlich ein Sieg der Linken ist, ist noch schwer abzuschätzen. Einer Umfrage von Ende April zufolge will nur etwa ein Viertel der Franzosen, dass Macrons Lager die Parlamentswahlen gewinnt. 35 Prozent sprachen sich für einen Sieg der Linken aus.
Hitzige Debatte bei Sozialisten
Das linke Wahlbündnis ist eine Art Wiedervereinigung, 14 Jahre nach der Trennung Mélenchons von den Sozialisten. Über die am Mittwoch nach mehreren Verhandlungstagen zustande gekommene Vereinbarung musste am Donnerstagabend noch das Parteiparlament der Sozialisten befinden. Dem Entscheid zugunsten des Bündnisses mit Mélenchon war in der einst grossen Partei eine erbittert geführte Debatte vorausgegangen.
Gegen das Bündnis sprachen sich auch einige Schwergewichte der Sozialisten aus, wie zum Beispiel der ehemalige Präsident François Hollande oder Ex-Premier Bernard Cazeneuve. Sie lehnten eine Allianz mit Mélenchon aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Dessen Linksaussenpartei sei wegen ihrer Radikalität, etwa in der Aussen- und Europapolitik sowie auch bei den Renten und der Staatsreform, kein akzeptabler Partner.
Nach Ansicht der Widerständler verkauft die sozialistische Partei ihre Seele und ihre Geschichte für ein paar zusätzliche Mandate, die man durch das Listenbündnis erhalten könnte. In der ersten Runde der Präsidentschaftswahl im April erlebte die sozialistische Partei ein Fiasko mit ihrer Kandidatin Anne Hidalgo, die nur gerade 1,7 Prozent der Stimmen erreichte. Dagegen kam Mélenchon auf 22 Prozent und verpasste die Stichwahl nur knapp.
Der Parteichef der Sozialisten, Olivier Faure, und seine Getreuen verteidigten die Kooperation mit Mélenchon als alternativlos. Ihm sei daran gelegen, das Leben der Menschen zu verändern, sagte Faure, und dazu müsse man eben «zurück zur Macht finden». Auch Ex-Parteichefin Martine Aubry, Tochter des früheren EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors, verteidigte die Vereinbarung, obwohl sie in der Europapolitik Probleme damit habe. Schliesslich stimmten knapp zwei Drittel der Delegierten für die Vereinbarung.
Beim Thema Europa schliessen sich die Sozialisten dem kritischen Kurs von Mélenchon an, was jedoch wortreich verklausuliert wird.
Vereinbart wurde unter anderem, den Mindestlohn zu erhöhen, die Rente mit 60 einzuführen sowie die Preise für wichtige Alltagsprodukte zu deckeln. Beim Thema Europa schlossen sich die Sozialisten im Wesentlichen dem kritischen Kurs von Mélenchon an, was jedoch wortreich verklausuliert wird. Die Rede ist nicht von «Ungehorsam» gegenüber den europäischen Regeln, sondern von einer «vorübergehenden Abweichung».
Es gehe aber beiden Seiten um dasselbe, nämlich die Umsetzung des gemeinsamen Programms, ein «Ende des liberalen und produktivistischen Kurses der EU». Das werde, wie es weiter heisst, zwangsläufig zu Spannungen und Widersprüchen führen. Aber: «Wir müssen diese Blockaden überwinden und bereit sein, bestimmte Regeln nicht einzuhalten, während wir daran arbeiten, sie umzuwandeln.»
Ausdrücklich erwähnt werden in der Vereinbarung der Stabilitätspakt, die Wettbewerbs- sowie die Agrarpolitik der EU. Andere Länder hätten vorgemacht, dass man die EU-Regeln nicht immer einhalten müsse, so etwa Portugal in der Wirtschaftspolitik und Spanien bei den Energiepreisen.
Macron-Partei heisst neu «Renaissance»
Bei der Parlamentswahl am 12. und 19. Juni steht der linken Allianz ein Wahlbündnis um Macrons Partei «La République en Marche» gegenüber, die sich künftig «Renaissance» nennt. Sie tritt zusammen mit der konservativen Partei «Horizons» von Ex-Regierungschef Édouard Philippe und der Zentrumspartei MoDem unter dem Titel «Ensemble» an.
Am rechten Rand gehen die rechtspopulistische Partei «Rassemblement National» der gescheiterten Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen und die rechtsextreme Partei «Reconquête» von Eric Zemmour auf Stimmenfang.
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