Schlüsselstelle Richtung SüdenVeloverbot auf der Axenstrasse sorgt für Unmut
Wer nicht über einen Alpenpass fahren will, kommt nur über diese Fahrradverbindung nach Uri. Doch ab nächster Woche gilt für Velos hier ein Fahrverbot. Kann das gut gehen?
Es ist eine Schlüsselstelle im Schweizer Velonetz. Wer eine Tour via Gotthard in den Süden plant, kommt an der Axenstrasse nicht vorbei. Es sei denn, man fahre über den Klausen, den Oberalp, die Furka oder den Susten. Auf der gegenüberliegenden Seite des Vierwaldstättersees – durch den Seelisberg-Autobahntunnel – ist für Velofahrer von jeher kein Durchkommen.
Nun will das Bundesamt für Strassen (Astra) diese Schlüsselstelle für Velos sperren, wie es diese Woche bekannt gegeben hat. Ab kommendem Dienstag. Die viel befahrene Axenstrasse mit täglich rund 16’000 Fahrzeugen soll sicherer werden, nachdem es im letzten Sommer zu einem tödlichen Unfall am Wolfsprung gekommen ist. Neu dürfen die Autos auf der engen Strasse zwischen Brunnen und Sisikon maximal mit Tempo 60 verkehren. Für Velos und Mofas gilt gar ein Fahrverbot. Und dies nicht für ein paar Wochen oder Monate, sondern für voraussichtlich zehn Jahre.
Erst dann – wenn überhaupt – steht die neue Axenstrasse bereit, die im Berginneren verläuft. Bis dann müssen sich die Velofahrer darauf einstellen, dass sie die Strecke nicht legal auf dem Fahrradsattel passieren können. Als Ersatz bietet das Astra einen kostenlosen Veloverlad-Shuttlebus an. Er zirkuliert von 7.39 bis 18.05 Uhr im Stundentakt zwischen Brunnen und der Tellsplatte in Sisikon. Pro Fahrt können maximal 16 Personen inklusive Fahrzeug «unter Haftungsausschluss» transportiert werden. Gruppen ab 6 Personen haben sich «während der ordentlichen Bürozeiten bis spätestens drei Tage vor der Reise anzumelden», so das Astra.
«Kanton Uri nur noch im Sommer erreichbar»
Das sorgt für Unmut. Bereits ist bei der Urner Regierung ein kritischer Vorstoss eingegangen. Er stammt von Flavio Gisler, der mit der Mitte die grösste Urner Kantonalpartei präsidiert. Das Veloverbot könne «touristisch und wirtschaftlich gravierende Folgen haben», schreibt er. «Neu wäre der Kanton Uri für Mofas und Velos nur noch im Sommer über die Alpenpässe erreichbar. In Zeiten, in denen der Langsamverkehr überall gefördert wird, ist plötzlich ein ganzer Kanton mit dem Velo nicht mehr erreichbar.» Gisler regt daher an, der Urner Regierungsrat solle mit dem Bund das Gespräch suchen, um den Velo- und Mofaverkehr auf der Axenstrasse aufrechterhalten zu können.
Radfahren auf der Axenstrasse ist heute lebensgefährlich.
Auch beim Astra und bei Pro Velo haben sich Dutzende von empörten Radfahrerinnen und Radfahrern gemeldet. Sie wollen nicht hinnehmen, dass diese neuralgische Velostrecke in den Süden unterbrochen wird. Vor allem Touren- und Rennvelofahrer sind davon betroffen.
Pro Velo hat aber auch Verständnis dafür, dass sich das Astra um die Sicherheit auf dieser Strasse sorgt. Das neue Regime sei zwar «komplett unbefriedigend», so Christoph Merkli, Leiter Infrastruktur und Politik bei der Lobbyorganisation für das Velo. «Aber das gilt auch für die bisherige Situation.» Ist doch Radfahren auf der Axenstrasse heute lebensgefährlich. Vor allem für jene, die sich an die Verkehrsregeln halten und auf der engen Strasse fahren. Sie werden von Autos und Lastwagen mit wenig Abstand überholt, hören entnervtes Hupen und sehen auch mal den einen oder anderen ausgestreckten Mittelfinger.
Verlade-Shuttle soll häufiger und länger fahren
Die meisten Velofahrer radeln daher auf dem Trottoir. Dies ist zwar verboten und kann auch mal eine Busse absetzen. Aber die Sorge ums eigene Leben dominiert. Die Urner Sektion des Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS) hat deshalb dem Bund vorgeschlagen, das Velofahren auf dem Trottoir auf dieser Strecke zu legalisieren. Doch das Astra lehnte aus Sicherheitsgründen ab.
Alf Arnold, Vorstandsmitglied des VCS Uri, bedauert zwar das Veloverbot, hat aber auch Verständnis für diesen Entscheid. Das Trottoir sei vielerorts derart schmal, dass man schlecht aneinander vorbeifahren könne, zumal wenn jemand mit Anhänger unterwegs sei. Zum Teil müsse man auch die Strassenseite wechseln, was ebenfalls gefährlich sei.
Bereits heute ruft eine Warntafel die Velofahrenden auf, die Axenstrasse zu meiden und stattdessen die Bahn oder das Schiff zu nehmen.
Nun soll aus der Warnung ein Verbot werden – und das Ausweichen auf die Bahn, das Schiff oder auf den neuen Verlade-Shuttle zur Pflicht.
Das geplante Ersatzangebot genügt Pro Velo freilich nicht. «Wenn man den Shuttlebus knapp verpasst, muss man eine Stunde lang warten, bis der nächste fährt», moniert Christoph Merkli. Er verlangt einen engeren Takt – «mindestens jede halbe Stunde, besser viertelstündlich». Das sei vor allem am Wochenende und bei schönem Wetter wichtig. Auch müsse der Shuttle am Abend länger verkehren als bloss bis 18 Uhr, insbesondere im Sommer.
Velotransport auch per Bahn und Schiff gratis?
Ginge es nach Pro Velo, wäre auch der Transport der Velos mit der S-Bahn und dem Schiff parallel zur Axenstrasse gratis. So hätten die Radfahrer zusätzlich zum Shuttle weitere kostenlose Optionen. Doch die SBB sind skeptisch. Der Regionalzug, der zwischen Brunnen und Sisikon stündlich verkehre, sei nur 75 Meter lang, gibt SBB-Sprecher Reto Schärli zu bedenken. Darin seien drei bis vier Plätze für Velos vorgesehen. Zu Randzeiten könnten an weiteren Stellen im Zug zusätzliche Fahrräder abgestellt werden, zu Stosszeiten sei dies aber nicht garantiert. Auch könne man den Zug nicht verlängern, weil sonst das Perron in Sisikon zu kurz sei.
Das letzte Wort – zumindest für die kommenden Jahre – scheint aber noch nicht gesprochen zu sein. Bis im Oktober läuft jetzt eine «Pilotphase», in der das Astra Erfahrungen sammeln will. Je nach Erkenntnissen in dieser Zeit seien Anpassungen und Optimierungen möglich, so Astra-Sprecher Samuel Hool. Dies betrifft insbesondere den Fahrplan des Shuttles.
Offen bleibt, inwiefern sich die Velofahrer ans neue Fahrverbot halten werden.
Je öfter und je länger dieser fährt, desto teurer wird es für den Bund. Gegenwärtig rechnet er für die Pilotphase bis Oktober mit Kosten von 250’000 Franken für den Veloverlad. Alternativ oder ergänzend dazu könnte das Astra auch einen Transport per Bahn in Betracht ziehen. Die SBB lassen die Tür wenigstens einen Spalt weit offen, indem Sprecher Schärli festhält, man werde sich «zu gegebener Zeit äussern», was nach der Pilotphase gelte.
Offen bleibt auch, inwiefern sich die Velofahrer ans neue Fahrverbot halten werden. Mit ihrem Ausweichen aufs Trottoir haben sie bereits bisher die Verkehrsregeln missachtet. Ob sich dies am 11. Juli ändert, wird sich zeigen.
Sicher ist: In ferner Zukunft wird alles besser. Ist nämlich die Axenstrasse einmal in den Berg verlegt, gibt es auf der alten Strasse mehr Platz für Fahrräder und Fussgänger. Das dauert aber noch ein Jahrzehnt. Wohl mindestens.
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