Probleme bei BeschaffungsprojektenViola Amherd und der Armeechef üben Selbstkritik – und verteidigen sich
Drohnen, die nur begleitet fliegen dürfen und ein Luftraumüberwachungsprojekt, das an IT-Problemen krankt. Dazu sagt Viola Amherd: «Meine Botschaft ist nicht, dass wir keine Probleme haben.»

- Bundesrätin Viola Amherd betont, es gebe Probleme bei Beschaffungsprojekten. Diese seien aber erkannt worden und würden nun adressiert.
- Armeechef Thomas Süssli erklärt, die meisten Projekte der Armee seien auf Kurs.
- Bei den IT-Projekten sei durch Verzögerungen «kein finanzieller Schaden für die Steuerzahler» entstanden.
- Armasuisse-Chef Urs Loher sagt, das Drohnenprojekt dürfe nicht abgebrochen werden.
Eine Medienkonferenz einer Bundesrätin, die der reinen Verteidigung gilt: Das ist selten. In der Regel treten Regierungsmitglieder nur dann auf, wenn sie Neuigkeiten zu verkünden haben. Am Freitagmorgen aber sitzt Viola Amherd in Bern neben ihrem Armeechef Thomas Süssli und dem Chef des Bundesamts für Rüstung (Armasuisse). Die drei haben eine Mission: zu erklären, warum mehrere wichtige und teure Projekte in einem Ampelsystem des Verteidigungsdepartements (VBS) auf Rot stehen.
Amherd sagt: «Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu erfahren, wie diese Projekte geführt werden. Weil sie natürlich mit Steuergeldern finanziert werden und wichtig sind für die Sicherheit der Schweiz.» Man habe zwar die Parlamentarierinnen und Parlamentarier stets auf dem Laufenden gehalten, aber «das Interesse der Öffentlichkeit unterschätzt» und zu wenig informiert. «Das kann ich durchaus selbstkritisch feststellen», so Amherd.
«Kein finanzieller Schaden für den Steuerzahler»
Der Zustand von sieben wichtigen Projekten ist laut der Verteidigungsministerin «unbefriedigend»: «Meine Botschaft ist nicht, dass wir keine Probleme haben.» Vielmehr wolle sie klar sagen, dass ihr Departement die Probleme kenne und sie behandle. Wichtig sei der Umgang mit Risiken. Zudem wolle sie auch betonen, dass bei der Mehrheit der Projekte alles nach Plan laufe.
Armeechef Thomas Süssli zählt daraufhin diverse Projekte auf, die nach Plan verlaufen seien und günstiger abgeschlossen worden seien als geplant – etwa das geschützte Mannschaftstransportfahrzeug oder Luft-Luft-Lenkwaffen. Süssli sagt zudem: «Auch wenn Projekte verspätet waren, entstand kein finanzieller Schaden für den Steuerzahler.» Auf die Nachfrage eines Journalisten erklärt er, seine Aussage sei auf die IT-Projekte bezogen gewesen. «Es kam teurer als ursprünglich angedacht» – aber vielleicht sei der ursprüngliche Gedanke ja schon falsch gewesen.
Süssli zählt fünf Gründe dafür auf, dass es zu Problemen komme: erstens zu hohe Erwartungen zu Beginn. Zweitens unterschätzte Komplexität und Projekte, die «auf nicht ganz erhärteten Annahmen» basieren würden. Drittens Helvetisierungen – also Anpassungen an Waffensystemen, die spezifisch für die Schweiz vorgenommen werden müssten. Der vierte Grund seien organisatorische und prozessbezogene Hürden und der fünfte Lieferverzögerungen. Man werde dies nun gezielt angehen.
IT-Probleme bei der Luftraumüberwachung
Süssli begründet die Probleme beim System zur Luftraumüberwachung C2Air. In einem Dokument eines externen Beraters hiess es laut SRF, dieses Projekt müsse neu aufgezogen werden. Es sei «gänzlich unrealistisch», das neue System zur Luftraumüberwachung bis 2029 auf der neuen Digitalisierungsplattform der Armee zu integrieren. Trotz Warnungen der eigenen Fachleute hätten die Verantwortlichen aber an ihren Plänen festgehalten.
Süssli sagt, es habe Zweifel an der Machbarkeit der technischen Lösungen gegeben. Das habe im letzten Jahr zu einem «Marschhalt» geführt. Man habe klären wollen, ob das Projekt effektiv auf der Neuen Digitalisierungsplattform (NDP) laufen könne – und sei zum Schluss gekommen, dass dies zwingend der Fall sein müsse. Denn nur die NPD biete die nötige Cybersicherheit.
Urs Loher, der Armasuisse-Chef, sagt: «Es kann nicht die Rede davon sein, dass wir die Projekte nicht im Griff hätten.» Die meisten Projekte würden nach Plan laufen.
Kein Projektabbruch bei Aufklärungsdrohnen
Ein «Detect and Avoid»-System soll es der Aufklärungsdrohne ADS-15 künftig erlauben, zu fliegen, ohne von einem Helikopter begleitet zu werden. Das ist heute während der Nacht schon möglich. Tagsüber aber nicht, weil etwa Gleitschirmflieger heute von der Drohne noch nicht automatisch erkannt werden können. Noch ist unklar, ob dieses Ausweichsystem je funktionieren wird.
Loher betonte – wie auch Amherd in einem Interview mit dieser Redaktion –, man habe mehrmals geprüft, ob das Drohnenprojekt abgebrochen werden sollte. Dies habe man von einer externen Anwaltskanzlei klären lassen. Diese sei zum Schluss gekommen, dass ein Abbruch keine Option sei. Die Schweiz brauche Aufklärungsdrohnen. Man habe schon viel Geld darin investiert. Zudem müsse man einen Rechtsstreit mit dem Hersteller Elbit verhindern. Statt eines Abbruchs seien deshalb Änderungen vorgenommen worden.
Loher übt aber auch Selbstkritik. Reserven seien in diesem Projekt zu optimistisch eingeschätzt worden. Angesichts der aktuellen Weltlage sollen demnach Teuerungen künftig in den Rückstellungen «vermehrt und besser berücksichtigt» werden.
Daraus zieht der Rüstungschef mehrere Schlüsse. So müsse unter anderem die Projekt-Governance verbessert werden. Auch müsse man künftig die Angaben der Hersteller mehr hinterfragen und sich in Verträgen besser absichern. Schliesslich müsse die Schweiz häufiger zusammen mit anderen Ländern Waffen beschaffen.
Auf die Frage eines Journalisten, wie sie auf die Vorwürfe aus dem Parlament und von den Medien reagiere – und ob sie sich als Opfer einer Kampagne sehe –, sagt Amherd: «Ich habe mich nie als Opfer betrachtet.» Es sei im VBS unmöglich, «nicht zur Unzeit zurückzutreten». Es gebe konstant grosse Projekte, die man begleiten müsse. Die Schwierigkeiten bei Projekten seien erkannt und Massnahmen realisiert oder initiiert worden. Deshalb habe sie auch nicht darüber nachgedacht, ihr Chefpersonal zu ersetzen.
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