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Knatsch in Österreich
Van der Bellen wird zum Vollstrecker

Hat das Straflandesgericht Wien eingeschaltet: Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Mittwoch, 23. Juni 2021, anlässlich eines Medienstatements zur Ibiza-Untersuchung. 
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Der Bundespräsident als Exekutor – das kommt nicht alle Tage vor. Alexander Van der Bellen muss Entscheidungen treffen, die vor ihm noch nie ein Staatsoberhaupt in Österreich zu fällen gezwungen war. Am Donnerstag hat der Bundespräsident «wieder Neuland betreten», wie er es formulierte. Van der Bellen beantragte eine Exekution, wie dieser Vorgang im österreichischen Beamtendeutsch heisst.

Es geht um Beschluss gegen Kurz-Vertrauten

Es geht um die zwangsweise Vollstreckung eines Beschlusses des Verfassungsgerichtshofs gegen Finanzminister Gernot Blümel. Der Politiker der konservativen Volkspartei hatte sich monatelang geweigert, dem Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Ibiza-Affäre Akten zur Verfügung zu stellen. Nach einer vom Verfassungsgerichtshof erwirkten Aufforderung durch den Bundespräsidenten lieferte der Vertraute von Kanzler Sebastian Kurz zwar Unterlagen – aber nicht vollständig, wie die Opposition meint.

«Ich bin vieles, aber kein Hellseher. Ich kann nicht beurteilen, ob sämtliche Unterlagen vollständig und rechtskonform geliefert wurden. Die einen sagen so, die anderen sagen so.»

Alexander Van der Bellen, Bundespräsident von Österreich

Der Bundespräsident schaltet nun das Straflandesgericht Wien ein und begründet diesen einmaligen Schritt so: «Ich bin vieles, aber kein Hellseher. Ich kann nicht beurteilen, ob sämtliche Unterlagen vollständig und rechtskonform geliefert wurden. Die einen sagen so, die anderen sagen so.»

Seit der von der «Süddeutschen Zeitung» und dem «Spiegel» aufgedeckten Ibiza-Affäre 2019, dem Rücktritt des Vizekanzlers Heinz-Christian Strache (FPÖ) und dem erstmalig erfolgreichen Misstrauensvotum gegen eine Regierung fiel dem Bundespräsidenten eine ungewohnte Schlüsselrolle zu. Van der Bellen musste mehrmals die inzwischen hundert Jahre alte Verfassung bemühen (deren «Schönheit» er gerne rühmt), um eine politische Krise abzuwenden. Er setzte eine Expertenregierung ein und nominierte in Person der Verfassungsrichterin Brigitte Bierlein eine Frau fürs Kanzleramt, beides ebenfalls ein Novum.

Seine Amtszeit ist weniger ruhig als erwünscht

Dabei hätte er sich wohl eine ruhigere Amtszeit gewünscht. Da in Österreich der Bundespräsident direkt vom Volk gewählt wird, gelang es Van der Bellen erst nach einem langen und harten Wahlkampf, sich gegen Norbert Hofer von der FPÖ knapp durchzusetzen. So aber zog 2016 erstmals ein Grünen-Politiker in die Hofburg in Wien ein, in jenen Amtssitz des Bundespräsidenten, wo einst die Habsburger jahrhundertelang ein riesiges Reich regierten.

Mit seinen oft väterlich wirkenden Auftritten, bei denen aber häufig auch Humor durchblitzt, hat sich VdB, wie er gern genannt wird, inzwischen als Autorität etabliert. Er war es auch, unter dessen elf Jahre währender Führung die Grünen zur staatstragenden Partei wurden, die auch konservative Wähler anspricht. Die grösste Enttäuschung seiner Karriere war, dass es nicht schon 2003 zu einer schwarz-grünen Koalition kam, sondern die ÖVP dann die rechte FPÖ in die Regierung holte – gegen die die anderen EU-Staaten danach Sanktionen verhängten.

Sohn von Einwanderern macht Heimat-Wahlkampf

Die grüne Basis fremdelte am Anfang etwas mit dem Volkswirtschaftsprofessor, der früher Mitglied bei der SPÖ und den Freimaurern war. Van der Bellen, der als Sohn estnischer Einwanderer mit niederländischen Wurzeln im Tiroler Kaunertal aufwuchs, scheute sich nicht, mit dem Thema Heimat in den Wahlkampf zu ziehen. 18 Jahre lang sass er im Parlament, ehe er nach Wien in den Gemeinderat und den Landtag wechselte und Universitätsbeauftragter der Stadt Wien wurde – ein Versorgungsposten, wie es hiess.

Für den Bundespräsidentenwahlkampf liess sich Van der Bellen dann doch motivieren. An den Aufgaben haben er und auch seine zweite Frau Doris Schmidauer, die Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Nationalrat war, offensichtlich Gefallen gefunden – so sehr, dass spekuliert wird, ob der 77-jährige Kettenraucher im kommenden Jahr doch noch für eine zweite Amtszeit kandidiert.