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Dramatischer Einbruch wegen Corona
USA verlieren ihre Spitzenposition bei der Ölförderung

Ein Kran bringt Maschinen in Stellung, die auf diesem Ölfeld von Chevron in Texas gebraucht werden.
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Wie schnell das doch ging. Noch Anfang Jahr gab die US-amerikanische Schieferölindustrie den Ton an. Sie produzierte auf vollen Touren und garantierte den USA die weltweite Spitzenposition vor Russland und Saudiarabien.

Doch die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise hat den Ölpreis so stark gedrückt und die Nachfrage so hart gedämpft, dass Branchenanalysen von einer existenziellen Krise sprechen.

Vier von fünf Anlagen stehen still

Hinzu kommt eine immense Verschuldung, die zwar den Boom möglich machte, aber nun zu einem finanziellen Mühlstein wurde. Die Betreiber von Fracking-Fördertürmen mussten in wenigen Monaten fast 80 Prozent der Anlagen stilllegen. Sie betreiben gemäss dem US-Energieministerium nur noch 169 Förderanlagen.

Zwar hat sich der Ölpreis seit dem Tief im April deutlich erholt, aber er ist für die meisten Firmen noch immer zu tief, um profitabel zu sein. Deshalb kommen die stillgelegten Förderanlagen nur zögerlich wieder in Gang, zu gross erscheint das Risiko eines weiteren Rückschlags.

Dramatischer Rückschlag

Die Aussichten seien düster, heisst es in einer Analyse der Wirtschaftsprüfer von Deloitte. Die Branche sei in einen «wirtschaftlichen Sturm» geraten, 30 Prozent der Firmen seien technisch zahlungsunfähig, und 20 Prozent der Unternehmen litten unter «gestressten Finanzen».

Gemäss Deloitte droht Vermögenswerten von mehr als 300 Milliarden Dollar eine Abschreibung. Zahlreiche Unternehmen würden wahrscheinlich bankrottgehen, nachdem in den vergangenen zehn Jahren schon mehr als 190 Produzenten kollabiert sind.

Damit aber sei ein drastischer Produktionseinbruch unvermeidlich, meint der Marktanalyst Arthur Berman, einer der Besten seines Faches. Wegen erheblicher Vorlaufzeiten müsse «erwartet werden, dass sich der Produktionsrückgang bis weit ins Jahr 2021 erstreckt». Dies aber auch nur, wenn die Produktion nun sofort hochgefahren wird. «Das aber wird wegen knapper Budgets und niedriger Ölpreise nicht passieren.»

Russland und Saudiarabien haben ihre Produktion gesenkt, um den Ölpreis zu stützen. Sobald sie wieder voll fahren, erreichen sie spielend wieder je elf Millionen Fass pro Tag.

Seit Mai ist die Produktion mittels Fracking schon um mehr als eine Million Fass pro Tag gesunken. Die gesamte US-Produktion wird auf noch 10,5 Millionen Fass geschätzt. Dies könnte aber erst der Anfang sein, sagen Analysten. Mitte nächsten Jahres dürften die USA lediglich acht Millionen Fass pro Tag fördern, sagt Berman.

Die Krise übertreffe alles bisher Gesehene, meint Dan Yergin, Energiefachmann und Vizedirektor vom Analyseinstitut IHS Markit. «Der Rückschlag ist sechsmal grösser als in der Finanzkrise.» Sollte sich die Pandemie wieder ausweiten und so die Wirtschaftskrise vertiefen, so dürfte die Korrektur dramatischer ausfallen, sagt Edward Bell, Rohstoffanalyst der Bank Emirates NBD.

Auf der Überholspur befinden sich damit Russland und Saudiarabien, die ihre Vormacht wegen des aggressiven Frackings der USA verloren hatten. Sie haben vorübergehend ihre Produktion um je 2,5 Millionen Fass pro Tag gesenkt, um den Ölpreis zu stützen. Sobald sie wieder voll fahren, erreichen sie spielend und mit geringeren Kosten wieder je elf Millionen Fass pro Tag.

«Ultimativer Gewinner ist Saudiarabien», glaubt Christian Malek, Branchenanalyst von JP Morgan. «Die Saudis wissen, dass noch einziger grosser Produktionszyklus bevorsteht.» Sie wollten sich entsprechend gut positionieren und gleichzeitig mit den USA eine gute Beziehung aufrechterhalten. «Wenn es nicht funktioniert und Trump nicht mehr gewählt wird, so ist ihnen der Sieg gewiss.»

Parallel zum Ölpreis sind auch die diplomatischen Beziehungen in ein Tief gefallen.

Wollen die USA wieder die Nummer eins werden, müssen mindestens 600 Förderanlagen voll produzieren. Bis es so weit ist, könnten aber zweieinhalb Jahre vergehen, wie die Erfahrung mit dem letzten Preissturz von 2016 gelehrt hat.

Doch je schneller die Branche das Fracking wieder hochfahren will, desto mehr gerät sie in eine Zwickmühle. Wird Schieferöl in einer bestimmten Lage mit Hochdruck angezapt, desto schneller sind die Vorräte erschöpft, weil die Technologie in den letzten Jahren derart verfeinert wurde. Die immer kürzere Halbwertzeit des Frackings setze die USA mehr als jedes andere Land einem Risiko aus, erklärt Raoul LeBlanc, Vizepräsident der Analysefirma IHS. «Wenn man das Biest nicht mehr füttert, geht es rasch zugrunde.»

Viel Spielraum hat US-Präsident Trump nicht. Trotz berechtigter Einwände gegen die saudische Ölpolitik seien ihm die Hände gebunden, sagt Yergin. «Die US-Regierung hat nicht viel mehr Instrumente als die Diplomatie, weil die Ölförderung von den Staaten kontrolliert und reguliert wird», sagt er.

Dabei sind die von Trump einmal hoch gelobten Beziehungen zwischen beiden Ländern parallel zum Ölpreis tief gesunken. Obwohl zehn Prozent des weltweiten Öls aus dem US-amerikanischen Schiefermarkt kommt, machte das US-Fracking in den besten Zeiten 40 Prozent der weltweiten Ölaktivitäten aus. Und das Wachstum des US-Petro-Sektors in den vergangenen zehn Jahren geht zu 100 Prozent auf das Konto des Frackings.