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Ethikregeln für oberste US-Richter
So will der Supreme Court Korruption verhindern

Associate Justice Clarence Thomas joins other members of the Supreme Court as they pose for a new group portrait, at the Supreme Court building in Washington, Friday, Oct. 7, 2022. Justice Thomas was nominated by President George H. W. Bush to succeed Justice Thurgood Marshall and has served since 1991. (AP Photo/J. Scott Applewhite)
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Clarence Thomas verbringt seine Freizeit gern im Wohnmobil auf den Parkplätzen von Walmart-Supermärkten. So zumindest erzählt es der konservative Richter am Supreme Court der Vereinigten Staaten gern, wenn er wieder einmal sein Image eines bodenständigen einfachen Amerikaners poliert, der vor der «Gemeinheit in Washington» fliehen muss.

Nicht ganz dazu passt der ausschweifende Lebensstil des 75-Jährigen, den er lieber verschweigt. Das Wohnmobil, mit dem er angeblich übernachtet wie ein Mittelloser, ist ein Luxusapartment auf Rädern, für das Thomas schon vor mehr als 20 Jahren eine Viertelmillion Dollar zahlte. Beziehungsweise ein vermögender Freund, der dem klammen Richter einen vorteilhaften Vorschuss gewährte.

Jagdlodge und Jacht auf Bali

Deklariert hat Richter Thomas den Kredit nicht. Ebenso wenig wie die Flüge mit dem Privatjet des Immobilienmilliardärs Harlan Crow, einem Grossspender der Republikaner. Oder die Einladungen in Crows Jagdhütte in Upstate New York, auf seine Jacht in den Traumbuchten von Bali.

Die Demokratin Sonia Sotomayor liess ihre Mitarbeiterinnen von Universitäten verlangen, mehr Exemplare ihres Buchs zu bestellen.

Lange kam Thomas damit durch. Bis investigative Journalisten im vergangenen Frühling den Hang des Richters zu grosszügigen Geschenken und seine Vergesslichkeit bei der Deklaration ans Licht brachten.

Bald zeigte sich: Thomas mag besonders empfänglich sein. Der einzige Richter, der auf seinen eigenen Vorteil schielt, ist er indes keineswegs. Samuel Alito, wie Thomas einer der vier besonders konservativen Republikaner an dem Gericht, hatte sich im Privatjet eines Wallstreet-Milliardärs nach Alaska fliegen lassen, um fischen zu gehen. Und die Demokratin Sonia Sotomayor liess ihre Mitarbeiterinnen von Universitäten verlangen, mehr Exemplare ihres Buchs zu bestellen.

Die lange Weigerung

Allen Verfehlungen zum Trotz weigerte sich Chief Justice John Roberts standhaft, einen schriftlichen Verhaltenskodex für das Oberste Gericht des Landes zu verfassen. Zuletzt versuchten die Demokraten, im Kongress Druck aufzubauen und dem Gericht einen gesetzlichen Ethikkodex aufzuzwingen. Roberts erschien gar nicht erst zur Anhörung vor einem Ausschuss: Der Supreme Court sei eben «supreme», die höchste Justizinstanz, und in seine internen Abläufe lasse er sich nicht dreinreden.

Zum Verstummen brachten Roberts und die anderen Richter ihre Kritiker freilich nicht, im Gegenteil. Nachdem der Supreme Court das nationale Recht auf Abtreibung abgeschafft hatte, schlitterte er in eine Vertrauenskrise. Noch nie zuvor waren seine Zustimmungswerte in Umfragen so tief gesunken; nur vier von zehn Amerikanern sagen noch, das Gericht nehme seine Rolle wahr.

Der Befreiungsschlag

Nun setzt das Gerichtsgremium zum Befreiungsschlag an: Es hat sich am Montag einen Ethikkodex verordnet und veröffentlicht. Das neunseitige Dokument enthält Grundregeln für den Umgang mit Interessenkonflikten. Es hält fest, dass sich die Richter nicht von familiären, sozialen, politischen oder anderen Beziehungen beeinflussen lassen dürfen.

Sie müssten die Würde des Amts und ihre Leistungsfähigkeit wahren, heisst es in dem Kodex, der vor Verhalten warnt, das Zweifel an der Unparteilichkeit weckt oder zum regelmässigen Ausstand zwingt. In den Ausstand treten sollen die Richter nur im Ausnahmefall, weil die Entscheidfindung leide, wenn ständig Richter fehlten.

Detaillierte Bestimmungen über zulässige Geschenke und andere Zuwendungen enthält der Kodex allerdings nicht.

Detaillierte Bestimmungen über zulässige Geschenke und andere Zuwendungen enthält der Kodex allerdings nicht. Auch schweigt er sich über die Umsetzung der neuen Richtlinien aus. Aufsichts- und Sanktionsbestimmungen enthalten diese ebenfalls nicht.

Und über den Ausstand eines Richters entscheidet dieser weiterhin nach eigenem Gutdünken. Ohnehin beeilte sich das Gericht, zu betonen, die Charta solle vor allem «Missverständnisse» über die Ethik der Richter beseitigen, wie es in einer Mitteilung hiess, die Chief Justice Roberts unterschrieben hatte. An die meisten Regeln hätten sich die Richter vorher schon freiwillig gehalten. Wie der neue Kodex umzusetzen ist, soll das Gericht prüfen.

«Nutzlos» ohne Überwachung

Während einige Kritiker dem Supreme Court attestierten, mit den schriftlichen Regeln wenigstens einen Schritt in die richtige Richtung getan zu haben, schalteten die Demokraten sofort wieder auf Angriff. «Nutzlos» sei der Ethikkodex, wenn niemand die Einhaltung überwache, schrieb die einflussreiche progressive Senatorin Elizabeth Warren auf der Internetplattform X.

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«Wenn die Richter versagen, muss der Kongress eingreifen», drohte Warren. Die Demokraten haben auch ein grosses Eigeninteresse daran, die Debatte am Leben zu erhalten. Die Wut auf die konservative Mehrheit an dem Obersten Gericht trieb bei den Zwischenwahlen 2020 die Wahlberechtigten den Demokraten zu; nun versuchen die Demokraten, diese Wut weiter zu befeuern, um sie bei den Wahlen 2024 erneut zu nutzen.

Die Kritik am Obersten Gericht dürfte darum eher nicht abflachen. Um den «Gemeinheiten in Washington» zu entfliehen, wird Clarence Thomas bald wieder ein paar erholsame Tage in seinem Prevost Le Mirage XL Marathon nötig haben.